Umweltzone:Besser ist nicht gut genug

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Bald könnten Autos mit roten und dann gelben Plaketten ausgesperrt werden - warum die Umweltzonen das Klima nur mäßig schützen.

Dominik Hutter

Grün, grün, gelb, grün - man muss ein Weilchen ausharren am Straßenrand, bis die ersten Vertreter der öffentlich gebrandmarkten Stinkerfraktion vorbeikommen: Autos, bei denen es nur für die rote oder, schlimmer noch, gar keine Plakette gereicht hat. 5,8 Prozent der Pkw umfasst diese Gruppe, eine überschaubare Zahl. Etwas anders sieht es bei den Lastwagen aus: Sollten tatsächlich, wie von Umweltreferent Joachim Lorenz (Grüne) empfohlen, im Oktober 2010 auch Fahrzeuge mit roter Plakette aus der Umweltzone verbannt werden, dürfen fast 41 Prozent aller in München zugelassenen Lkw nicht mehr in die Innenstadt fahren.

Sollten tatsächlich, wie von Umweltreferent Joachim Lorenz (Grüne) empfohlen, im Oktober 2010 auch Fahrzeuge mit roter Plakette aus der Umweltzone verbannt werden, dürfen fast 41Prozent aller in München zugelassenen Lkw nicht mehr in die Innenstadt fahren. (Foto: Foto: dpa)

Zwei Jahre später, wenn auch das gelbe Wapperl an die Reihe kommt, wären es - nach heutigen Zulassungszahlen - fast 70 Prozent der Last- und 13,5 Prozent der Personenautos, darunter Dieselmodelle, die erst wenige Jahre alt sind. Und wofür das alles? Die Feinstaub-Messstelle an der Landshuter Allee hat in diesem Jahr, dem ersten mit Umweltzone, 33 Mal eine Überschreitung des EU-Grenzwerts vermeldet (Stichtag 23.April).

Situation fatal

Am gleichen Tag des Jahres 2008 lag dieser Wert bei 28, 2007 bei 18, 2006 bei 48 und 2005 bei 46. Lohnt es sich wirklich, Hunderttausende Autofahrer zum Plaketten- oder Neuwagenkauf zu zwingen, wenn das messbare Ergebnis wie ein Würfelspiel wirkt? Denn den maßgeblichen Faktor zur Feinstaubbelastung, das steht außer Frage, liefert das Wetter: Bei Wind oder Regen ist die Luft vergleichsweise sauber, bei wintertypischen Inversionswetterlagen ächzt die Stadt unter der eigenen Abgasglocke.

Für die Akzeptanz der Umweltzone ist diese Situation fatal. Denn sie verhindert das von kritischen Autofahrern eingeforderte Resümee des Ganzen - also deutliche Verbesserungen bei den Messwerten. "Für belastbare Daten muss man viele Jahre abwarten", betont jedoch Umweltreferent Lorenz. Erst im langfristigen Vergleich ließe sich der Einfluss des Wetters einigermaßen herausrechnen. Auch Thomas Henschel vom bayerischen Landesamt für Umwelt warnt vor "falschen Erwartungen". Schnellschüsse führten zu keinem seriösen Ergebnis.

Die Berliner haben es trotzdem gewagt. "Die Umweltzone wirkt", verkündete die dortige Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) freudig am 15.April. Die Feinstaubbelastung an Hauptstraßen sei seit Einführung der hauptstädtischen Abgasselektion im Januar 2008 um drei Prozent zurückgegangen. Beim besonders schädlichen Dieselruß seien es sogar 24 Prozent, bei den Stickoxiden 14 Prozent - den schon seit Jahren zu beobachtenden Verkehrsrückgang in Berlin bereits miteingerechnet.

Auch in der Hauptstadt wurde allerdings weniger gemessen als gerechnet: Videokameras hielten an fünf Stellen in der Stadt das Verkehrsgeschehen fest. Anschließend ermittelten Experten den Schadstoffausstoß der vorbeigefahrenen Autos, rechneten die Werte auf die gesamte Stadt hoch und verglichen sie mit denen des Fuhrparks vor Einführung der Umweltzone.

Hohe Entlastung, aber nicht hoch genug

Derartige Rechenspiele, die bei der Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus auf heftige Kritik stießen, sind auch in München möglich. Prognosen des Umweltreferats zufolge bringt die Münchner Zone in ihrer aktuellen Variante um 17 Prozent niedrigere Emissionen bei Feinstaub und Stickoxid. Erweitert man den Kreis der Ausgesperrten um die rote Plakette, steige diese Zahl auf 33 Prozent, gelb inklusive erreiche man sogar 50 Prozent. Konservativ gerechnet, wie Lorenz betont: Denn in den Modellen werde zugrundegelegt, dass genauso viel Auto gefahren wird wie zuvor und dass sich die Käufer neuer Vehikel mit einer durchschnittlichen Schadstoffnorm zufriedengeben. Der Referent mutmaßt daher, dass die tatsächliche Entlastung noch etwas höher ausfällt.

Allerdings ist höher immer noch nicht hoch genug. "München wird die Grenzwerte dauerhaft nicht einhalten können", zeigt sich Lorenz überzeugt - die Verschärfung der Umweltzone, die am kommenden Dienstag auf der Tagesordnung des Stadtrats steht, sei also völlig unumgänglich. "Es hilft nichts, erst einmal mehrere Jahre lang die Messstationen zu beobachten". Schließlich drohe die EU von 2011 an mit Vertragsstrafen, wenn die Feinstaub-Grenzwerte nicht eingehalten werden - da sei größtmögliches Bemühen um bessere Luft das Mindeste. Bereits 2010 treten zudem neue Limits für Stickoxide in Kraft - ein Schadstoff, der sehr viel klarer als Feinstaub dem Autoverkehr zuzurechnen ist. Und: 2015 müssen auch Grenzwerte für die ganz feinen Feinstaubpartikel, das sogenannte PM2,5 (bisher war stets vom gröberen PM10 die Rede), eingehalten werden. Auch sie stammen ganz überwiegend aus Verbrennungsprozessen.

Da obendrein, der vielen Pendler wegen, der Verkehr in München noch zunimmt, kommt man also an weiteren Einschnitten nicht vorbei. Eigentlich, davon ist das Umweltreferat überzeugt, wäre nicht nur eine Umstellung der Motoren, sondern vielmehr eine Reduzierung des Autoverkehrs notwendig. Denn große Teile des Feinstaubs stammen aus dem Abrieb von Reifen und Bremsen. Dies spielt bei der jetzigen Ausgestaltung der Umweltzone jedoch keine Rolle, die Farbe der zugeteilten Plakette hängt allein von den Auspuffgasen ab.

Schlimmster aller Klimakiller

Inwieweit Feinstaub zur Klimaerwärmung beiträgt, ist noch umstritten. Im Mittelpunkt der PM10-Debatte stand bislang stets die direkte Gesundheitsgefährdung des Menschen - einer Studie zufolge verringert sich in Europa die mittlere Lebenserwartung durch Feinstaub um etwa neun Monate. Wissenschaftler haben jedoch festgestellt, dass auf Eisflächen abgelagerte Schadstoffpartikel auch die Reflexion des Sonnenlichts beeinträchtigen. In der Folge heizen sich die Eispanzer stärker auf und schmelzen noch rasanter.

Diesem negativen Effekt fürs Klima stehen aber auch positive Auswirkungen der Luftverschmutzung gegenüber: Denn die frei schwebenden Schadstoffteilchen können offenbar das Sonnenlicht besser streuen und somit die Photosynthese der Pflanzen verstärken - das verringert die Konzentration von Kohlendioxid in der Luft. In höheren Schichten reflektieren die Partikel zudem das Sonnenlicht, das dann in abgeschwächter Intensität auf die Erdoberfläche trifft.

Der schlimmste aller Klimakiller, das Kohlendioxid, blieb bei der Einführung von Umweltzonen außen vor. Zwar hat es laut Referent Lorenz Versuche des Deutschen Städtetags gegeben, eine allzu eindimensionale Ausgestaltung der Regelung zu verhindern. Dies habe der Bund aber als allzu kompliziert eingestuft und daher abgeblockt. In dem für die Plakettenerteilung maßgeblichen Katalog, der Kennzeichnungsverordnung, spielt daher der CO2-Ausstoß keine Rolle. Selbst bolidenartig motorisierte Geländepanzer können deshalb mit grünem Öko-Zertifikat glänzen.

Dennoch kann auch die Umweltzone den CO2-Ausstoß beeinflussen - dann nämlich, wenn sie zum Kauf eines verbrauchsärmeren Autos motiviert. Lorenz zufolge ist die Zahl der in München zugelassenen Autos ohne Plakettenchance seit Einführung der Umweltzone um die Hälfte zurückgegangen. Die Fraktion der rot beklebten Fahrzeuge schrumpfte um fast ein Fünftel. Es tut sich also was im Fahrzeugpark. Ob die Neuanschaffungen tatsächlich weniger verbrauchen, muss allerdings offen bleiben. Denn viele Hersteller haben die in den vergangenen Jahren erzielten Effizienzgewinne in stärkere Motoren und mehr Komfort, sprich: zusätzliche Elektromotoren für alle möglichen Funktionen, "investiert". Und so schön eine elektrische Nackenheizung auch sein mag: Dem Klima hilft sie nicht.

© SZ vom 25.04.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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