Umbau des Münchner Olympia-Parks:Wahrzeichen in Gefahr?

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Kommerz statt Denkmalschutz im Münchner Olympiapark: In das Radstadion soll ein Musicaltheater ziehen, auf der Grünfläche soll ein Freilufttheater entstehen.

Gottfried Knapp

In München geschieht derzeit Ungeheuerliches. Die Stadt will sich zum zweiten Mal nach 1972 um Olympische Spiele bewerben, schmiedet gleichzeitig aber Pläne, wie sie die denkmalgeschützten Hinterlassenschaften der ersten Olympischen Spiele - das weltweit gerühmte Sport-Park-Ensemble - an den empfindlichsten Stellen gewinnträchtig überbauen will, also der Vernichtung preisgibt.

(Foto: Foto: ddp)

München hat zur Eröffnung der Olympischen Spiele 1972 nicht nur das erste wirkungsvolle S-Bahn-System Deutschlands, nicht nur zwei U-Bahn-Linien und die erste große Fußgängerzone vom Bund geschenkt bekommen (und dadurch alle vergleichbaren deutschen Städte weit hinter sich lassen können), ihm wurde auch ein neu geschaffener Landschaftspark anvertraut, ein stadtnahes Erholungsgelände mit vielen Sporteinrichtungen und einer Bautenfolge, die zufällig zum kreativsten gehört, was in der Bundesrepublik je errichtet worden ist.

Die in schönster Kongenialität vom Landschaftsarchitekten Günther Grzimek, vom Konstrukteur Frei Otto und vom Architekten-Team Günter Behnisch gestaltete Kunstlandschaft des Olympiaparks lässt einige monströse Großbauten der unterschiedlichsten Funktion fast spurlos in einer sanften Hügelfolge versinken und zwingt die extrem heterogenen Baufiguren, die in allen anderen Olympiastädten wie Fremdkörper nebeneinanderstehen, mit dem gestischen Schwung des darübergespannten Zeltdachs zu einer überwältigenden Einheit zusammen.

Blinder Fanatismus

Die ganze Welt ist sich einig, dass dieses einzigartige symbiotische Ineinanderwirken von Ingenieuravantgarde und Landschaftsarchitektur der bedeutendste Beitrag Deutschlands zur jüngeren Architekturgeschichte ist. Doch in München hat man nach dem Abklingen der ersten Olympia-Euphorie bald schon so getan, als habe man mit dem Park und seinen Anlagen ein besonders lästiges Objekt ans Bein gebunden bekommen. Der blinde Fanatismus, mit dem Münchner Politiker im Schulterschluss mit den Primaten des lokalen Fußballs über Jahre hinweg die Zerstörung des Olympiastadions gefordert und den Neubau einer Fußballarena an anderem Ort verhindert haben, war nur einer der Gipfel in der Antibewegung der Stadtoberen gegen den Olympiapark.

Nie hat die Stadt versucht, das an den Rändern unschön angenagte Gelände des ehemaligen Oberwiesenfelds sinnvoll zu arrondieren und von seinen provisorischen Einbauten zu befreien. Als das Grundstück der Nordmolkerei, das als Rechteck tief in den Park einschneidet, frei wurde, hat die Stadt sich feige weggeduckt. Und der gigantische Barackenkomplex, von dem aus ehedem die Bauarbeiten geleitet wurden - derzeit nutzt ihn die Montessori-Schule - wird als hinderliches Provisorium krampfhaft konserviert, damit der dahinter versteckte, schwer zugängliche Südwestteil des Parks erst gar nicht mehr ins Bewusstsein der Nutzer gerät, also irgendwann unbemerkt bebaut werden kann.

Auch das Gelände, auf dem jetzt die BMW-Welt prunkt, hätte als prägnantester Eckpunkt des nördlichen Parkteils eigentlich dem allseits eingeschnürten Olympiagelände zugeschlagen werden müssen. Jedenfalls wiederspricht die am Rand des Parks vierzig Meter hoch in die Luft geschossene Figur der BMW-Welt massiv den Prinzipien des Ensembleschutzes, wie sie etwa beim Nymphenburger Schlosspark angewandt worden sind.

Und da hier nun schon einmal die Maßstäbe gebrochen wurden, wuchert es - wie zu erwarten - in der Nachbarschaft munter weiter. So wird die Firma ECE direkt nördlich der BMW-Welt auf dem Gelände des derzeitigen U- und Busbahnhofs einen riesigen Gebäudekomplex errichten, der mit seiner 70 Meter hohen Hotelscheibe dreist auf die geschützte grüne Zone zusteuert, den Park also plötzlich hochhausgerecht modifiziert.

Wer künftig im Bahnhof Olympiazentrum aus dem U-Bahn-Schacht in Richtung Park hochsteigt, der kommt nicht mehr im Grünen an, sondern in einem Eventzentrum, das zusammen mit der BMW-Welt den dahinter versteckten Olympiapark zum Hotelgarten und Firmenspielplatz degradiert. Man darf gespannt sein, ob der schrille Aufschrei des Landesamts für Denkmalpflege gegen diese kecke Spekulantenphantasie eine Chance hat.

Dass der Menschentyp, der Städte nur als Zielorte für Immobilien-Abwürfe wahrnimmt, sich von der Aura eines ensemblegeschützten Parks nicht aufhalten lässt, wundert einen nicht. Aber dass der Münchner Stadtrat, der sich eigentlich schützend vor sein weltberühmtes Denkmal stellen sollte, den Volkspark, der immer nur Geld gekostet hat, zum Verdienen zwingen will, und sich darum von einem Architektenbüro ausmalen lässt, wie die edlen Teile des Parks aussehen, wenn man sie gewinnträchtig überbaut, das ist dann doch extrem makaber. Kein professioneller Spekulant würde sich je so weit in die Intimität eines öffentlichen Parks vorwagen.

Schuld an dieser haarsträubenden Verirrung ist eine verwaltungstechnische Absonderlichkeit, die man nur als Katastrophe bezeichnen kann, als Geburtsfehler, der den Park in den Ruin treibt. Niemand käme auf die absurde Idee, den Münchner West- oder Ostpark oder gar den Nymphenburger Schlosspark oder den Englischen Garten als ein gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen betreiben zu wollen. Der Landschaftspark um die Olympiabauten aber ist fatalerweise der Betreibergesellschaft Olympiapark GmbH unterstellt, die ihre herben Einnahmeverluste nach dem Auszug der Fußballvereine mit massiven Eingriffen in die Parksubstanz, mit Um- und Neubauten kompensieren will.

Die Fehler des Managements und die Mängel der unseligen Firmen-Konstruktion werden also zu Lasten der Grünflächen ausgetragen. Der Park ist zum Pfand eines zum Scheitern verurteilten kommerziellen Unternehmens geworden. Oder mit anderen Worten: Man hat den Bock zum Gärtner gemacht. Leute, die jeden Grashalm, der kein Geld abwirft, persönlich hassen, dürfen über das Schicksal eines großen Volksparks in München entscheiden.

Wie weit der Prozess der Zerstörung in den Köpfen der Planer schon fortgeschritten ist, soll ein kurzer Überblick und ein Satz aus dem Antrag der vormaligen Planungsreferentin zeigen: !Neue Angebotsbausteine werden im konzeptionellen Rahmen ,Aktivität - Freizeit - Erlebnis' entwickeltund umgesetzt." In ein humanes Deutsch übertragen heißt dies: Nichts soll so bleiben wie es ist.

In das Leichtathletikstadion soll ein Gesundheitspark eingebaut werden, in das Radstadion ein Musicaltheater; und die beiden Olympiahallen werden völlig neu ausstaffiert. So weit so gut. Doch dass gleichzeitig sämtliche freien, grünen Flächen in der Nachbarschaft beplant werden, ist ein Skandal. So soll neben dem erweiterten Theatron der terrassierte grüne Hang, der vom zeltumspannten Coubertinplatz zum See hinunterführt in ein gigantisches Freilufttheater, eine Art Bregenzer Seebühne umgebaut werden. Dass der verbliebene Freiraum zwischen Olympiahalle und -turm nicht ungenutzt bleibt, dafür sorgt die schon fest beschlossene neue Kleine Olympiahalle. Und das grüne Reststück des Parks am Auslauf des Sees wird für das Meerwasseraquarium "Sea Life Center" geopfert.

Wellness als Rettung

Geradezu bösartig sind aber die Testentwürfe, die ein aus dem Olympiateam hervorgegangenes Münchner Architekturbüro über diese Planungen hinaus für die Stadt erstellt hat. Da dreht sich ein fünfgeschossiger Gebäudering, der als Hotel gedacht ist, um den Fuß des Olympiaturms. Über den gesamten Hang von dort hinunter zum Georg-Brauchle-Ring sollen sich die Flügel einer "Wellness-Klinik" - schon das Wort erregt Brechreiz - breiten. Und anstelle der Eislaufhallen sollen weitere Überflüssigkeiten - nämlich eine Eventhalle, eine Multifunktionshalle, ein Omnibusbahnhof und ein Parkhochhaus - das Grundstück gegenüber der BMW-Welt massivst besetzen.

Die im Stadtrat hymnisch beschworene Synergie zwischen dem neuen Tempel der Freude am Fahren und dem Olympiapark zeigt also auf fatale Weise Wirkung. Schon ist von einem Science Center die Rede, das die Stadt in Kooperation mit BMW im Park realisieren könnte. Und da auch schon die Tennisplätze im Park nahe der BMW-Welt als Bauerwartungsland angedacht sind, werden von dem ehemaligen Olympiapark, den man dann anstandshalber BMW-Park nennen sollte, nur noch die Wege übrig bleiben, die das massiv überbaute Gelände durchqueren.

Nur der mäßig beliebte Schuttberg im Süden wird übrig bleiben. Doch dürfte es dem Planungsreferat nicht schwerfallen, einen Architekten zu finden, der auch da ganze Arbeit leistet und in den Hügel - sagen wir mal: eine Spielbank mit Großgarage - hineinprojiziert.

München hat also Finsteres vor mit seinem Olympiapark, mit den landschaftlichen Werten, dem städtischem Erholungsraum und mit den Sportstätten, die ihm 1972 bei den Olympischen Spielen in einer gesamtdeutschen Anstrengung vermacht worden sind.

Dass die Stadt es wagt, in dem Augenblick, in dem sie den denkmalgeschützten Monumenten der ersten Olympiade zuleibe rückt, sich für ein zweites olympisches Fest zu bewerben, ist schlicht dreist. Die Chance, dabei noch einmal auf nationaler Ebene unterstützt zu werden, hat sie mit ihren Eingriffen verwirkt.

© SZ vom 19. November 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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