Ude wettert gegen EU-Richtlinien:Servieren nur noch hochgeschlossen

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Bedienungen, Bauarbeiter, Politessen: Einer neuen Vorschrift aus Brüssel zufolge müssen sich Arbeitnehmer, die unter freiem Himmel arbeiten, künftig zwingend gegen Sonnenstrahlen schützen. Nicht die einzige Idee, über die sich OB Ude aufregen kann.

Von Berthold Neff

Wer Oberbürgermeister Christian Ude in den letzten Wochen und Monaten von einem Termin zum nächsten eilen, fahren oder fliegen sah, wird nicht behaupten können, dass der SPD-Mann vor den Niederungen der Kommunalpolitik zurückschreckt. Natürlich übernimmt er die Leitung der Bürgerversammlung, die den Bau der Moschee in Sendling kontrovers diskutiert, aber noch lieber ist ihm wohl der Hauch der hohen Politik, den er seit zwei Monaten spürt - als Präsident des Deutschen Städtetags.

Am heutigen Montag zum Beispiel konferiert Ude mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement in Berlin, um einen Vertrag in trockene Tücher zu bekommen, der erstmals klärt, unter welchen Bedingungen die Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Bundesagentur für Arbeit die Betreuung von Arbeitslosen übernehmen. Wobei Ude angesichts der eher schlechten Ausgangsposition der SPD für die anstehende Bundestagswahl stolz darauf ist, dass die dort vereinbarten Garantien "über einen möglichen Regierungswechsel hinausreichen".

Eine Hiobsbotschaft nach der anderen

Wobei Ude wohl am liebsten eine ganz andere Regierung auswechseln würde - die der Europäischen Union. Von dort nämlich vernimmt er eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Die europäische Feinstaub-Richtlinie etwa nennt er "grotesk", weil schon die Nähe von staubigen Äckern oder von qualmenden polnischen Kohlekraftwerken ausreicht, um die "utopisch niedrigen Mindestwerte" permanent zu überschreiten.

Durch einen "juristischen Klapparatismus" habe die Europäische Kommission den Eindruck erweckt, nur so könne man "Not, Tod und Elend" von der Bevölkerung abwenden. Dabei wisse jeder, "dass die Belastung noch nie so gering war wie jetzt". Ganz zu schweigen davon, dass man die Werte manipulieren könne, indem man die Messstation dort platziert, wo es weniger staubt.

Auch gegen den Willen der Beschäftigten

Und nun planten die europäischen Bürokraten schon die nächste Attacke. Die neue Strahlenschutzrichtlinie verpflichte nämlich die Arbeitgeber, ihre Beschäftigten vor Sonnenstrahlen zu schützen. Es werde Bauarbeitern verboten sein, mit nacktem Oberkörper zu arbeiten und "die Kellnerin darf nicht mehr mit tiefem Ausschnitt rumlaufen". Die Arbeitgeber würden verpflichtet, dies - notfalls mit langärmeligen Hemden - auch gegen den Willen der Beschäfigten durchzusetzen. Ude: "Und diese Leute erzählen uns dann vom Bürokratieabbau."

Ude wirft den "Eurokraten" vor, nur noch die Interessen der großen Konzerne zu vertreten, anstatt die Sorgen der Kommunen Ernst zu nehmen. Er wehrt sich dagegen, dass Kommunen vorgeschrieben wird, wie sie die Daseinsvorsorge ihrer Bürger sichern. Beim Nahverkehr wäre Ude ein moderater Wettbewerb am liebsten, der die Kommunen verpflichtet, den Nahverkehr marktorientiert selbst zu organisieren. Das würde die Begehrlichkeiten der Gewerkschaft Verdi dämpfen und die kommunalen Betriebe wettbewerbsfähig machen.

Als SPD-Politiker wird Ude im Wahlkampf durchaus mitmischen (und demnächst den Bundeskanzler in München begrüßen). Da kann er aber schnell in die Bredouille kommen. Die SPD wirft der Herausforderin Angela Merkel vor, die Pendlerpauschale abschaffen zu wollen, aber genau das fordert der Städtetag. Dessen Präsident weiß einen Ausweg: "Ich werd's nicht kleben."

© SZ vom 1.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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