TV-Duell: Christian Ude gegen Josef Schmid:Wie ein kleiner Sieg

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Beim Public Viewing der OB-Wahlkampfdiskussion herrscht Jubel in den Parteisälen von CSU und SPD.

Alfred Dürr und Michael Ruhland

Hinter den gläsernen Flügeltüren tauchen die Umrisse des Wahlkampfbusses auf. Einer, der nahe genug dransteht, raunt ein "Er kommt" in die Menge. Sofort ist Bewegung im Foyer der Hanns-Seidel-Stiftung. Zwei milchgesichtige JUler greifen sich die Pappwinkehände mit der Aufschrift "Griaß de Seppi" und "Pfiad de Christian" und eilen zur Tür. Als Josef Schmid um 21.30 Uhr die Halle betritt, branden ihm Jubel und Applaus entgegen. Eine Frau beginnt mit "Seppi, Seppi"-Rufen, sofort stimmt ein Chor mit ein und skandiert den Spitznamen des Kandidaten minutenlang.

Ude (links), Schmid (Foto: Foto: Hess)

Hätte ein zufälliger Zaungast die Szene miterlebt, er müsste meinen: Hier wird gerade der frisch gewählte Oberbürgermeister empfangen. Dass das wohl ein Wunschtraum bleiben wird, wissen auch die eingefleischtesten CSU-Anhänger. Die Stimmung im Haus der Hanns-Seidel-Stiftung in der Lazarettstraße ist dennoch blendend.

Immerhin hat sich der CSU-Kandidat im Duell auf München-TV mit dem amtierenden OB Christian Ude wacker geschlagen, ja sogar "einen klaren Punktsieg" errungen, wie der stellvertretende CSU-Bezirksvorsitzende, Ludwig Spaenle, unmittelbar nach dem Ende des alles in allem recht sanften Schlagabtauschs in die Menge ruft.

Das Interesse an dem Public Viewing ist groß. Schon um 19.30 Uhr, eine Dreiviertelstunde vor Beginn des TV-Duells, drängen sich gut 150 Besucher in der Eingangshalle. Alte Parteihasen sind genauso darunter wie junge Stadtratskandidaten und Bürger, die sich für die Münchner CSU interessieren.

"Ich bin aus Brüssel neu nach München gezogen und möchte mich informieren", sagt Nikolaus Börncke. Josef Schmid kenne er bislang nur aus Zeitungsberichten. Gerhild Uhlmann hat dagegen schon ganz klare Vorstellungen. "Ich hoffe, dass Seppi Schmid gewinnt. Wir brauchen frischen Wind, Ude ist schon lange genug OB."

Die umstrittenen Wahlplakate, die den brutalen Überfall auf einen Rentner in der U-Bahn zeigen, spielen bei den Gesprächen an den Stehtischen kaum eine Rolle. Viele haben sie noch gar nicht gesehen, finden es aber richtig, dass Schmid beim Thema Sicherheit in München ganz bewusst mit den Ängsten der Menschen spielt. "Ude soll sich doch mal als alter Herr verkleiden, in die U-Bahn setzen und gegen Pöbler zur Wehr setzen. Wenn er dann die Erste fängt, wird er anders denken", sagt Robert Brannekämper, Bauunternehmer und Vater des gleichnamigen CSU-Stadtrats.

Ludwig Spaenle steht daneben und nickt. Er selbst meint, im Wahlkampf "auf der anderen Seite", also bei der SPD, "eine sensible, hypernervöse Art" ausgemacht zu haben. Das zeige, dass die CSU mit dem Thema Sicherheit genau richtig liege. "Ein normaler Arbeitnehmer muss sicher sein können, dass ihm am Abend in der U-Bahn nichts passiert", sagt Spaenle.

Kurz nach 20 Uhr ist im Franz-Josef-Strauß-Saal kein Sitzplatz mehr zu bekommen. Ordner tragen Stehtische herein. Beim Blick nach vorne kann einem schwindelig werden. Die CSU hat gleich zwei Großleinwände nebeneinander aufgehängt, das Auge springt nolens volens hin und her.

Mehr als 200 Zuschauer verfolgen die Live-Debatte, und Schmid bekommt für seine Forderungen, Serienstraftäter in geschlossene Anstalten zu sperren und einen "Warnschussarrest" durchzusetzen, Bravo-Rufe und tosenden Applaus. Ude dagegen erntet mit seiner unglücklichen Formulierung, "Sozialdemokraten machen seit den 70er Jahren Sprachkurse", hämisches Gelächter.

"Schmid war erfrischend und überzeugend vom Auftreten her. 2:0 für ihn", sagt Marcus Ernst, der sich als unabhängiger Parteifreund bezeichnet, während der Werbepause. Am Ende erhöht er sogar auf 3:0 und trifft damit ziemlich genau die Meinung im Saal. Alexander Ditrich, 32 und CSU-Stadtratskandidat, ist ganz euphorisch. "Ich mache schon seit dem Gauweiler-Wahlkampf Politik, und ich habe noch nie so eine Einigkeit und Aufbruchstimmung erlebt."

So etwas wie Aufbruchstimmung - das wird im Saal des Oberanger-Theaters deutlich - hat man bei der SPD gar nicht nötig: Christian Ude ist eben eine sichere Bank. "Unser Oberbürgermeister hat die besseren Argumente und kann das sehr souverän vermitteln", sagt ein älterer Herr, der sich als "einfacher Genosse" zu erkennen gibt.

Rund 150 Menschen wollen offensichtlich das Gefühl erleben, gemeinsam ein TV-Duell zu schauen. Der Saal ist gut besucht, aber es gibt noch freie Stühle. Gekommen sind auch Politiker aus Stadtrat und Landtag sowie einige Kandidaten für die Kommunalwahl am 2. März und der frühere Bürgermeister Klaus Hahnzog. In seiner Zeit an der Rathaus-Spitze hat er sich gerne engagiert über politische Inhalte gestritten. Bei Josef Schmid vermisst er nun profunde kommunalpolitische Kenntnisse.

Bayerns SPD-Chef Franz Maget gibt sich kurz vor der Sendung als gut gelaunter Conférencier der Veranstaltung: "Der Christian wird unsere erfolgreiche Politik für die Stadt schon deutlich machen." Schärfer wird Maget, wenn es um das umstrittene CSU-Plakat mit den U-Bahn-Schlägern geht: "Es reicht schon, wenn der hessische Ministerpräsident Koch Wahlkampf gegen München macht. Dass die hiesige CSU da mit dabei ist, halte ich für schäbig und unanständig." Die Bürger sollten diese Partei bei der Wahl "deutlich abstrafen".

Selbst die weitgehend sehr sachlich geführte Fernsehdebatte bringt das Publikum immer wieder in Wallung. Höhnisches Gelächter ist die Quittung für bestimmte Aussagen von Schmid ("Ich kann nicht erkennen, wie wir auf den politischen Gegner eindreschen"), tosenden Beifall bekommt Ude, wenn er etwa der CSU vorwirft, diese habe mit ihrem Gewalt-Plakat, auf dem das Opfer eines Verbrechens abgebildet werde, "den Tiefpunkt politischer Kultur erreicht". Oder wenn er den Transrapid erneut mit deutlichen Worten ablehnt und das Loblied auf eine Express-S-Bahn zum Flughafen anstimmt.

Eigentlich ist die Diskussion nach 45 Minuten, inklusive Werbeunterbrechung, viel zu schnell vorbei. Das Licht geht schon wieder an im Saal. Maget greift erneut zum Mikrofon und strahlt: "Es war eine gute Präsentation von Christian. So muss ein Oberbürgermeister sein. Sachlich, ruhig und fair." Da gibt es keinen Widerspruch. Eine weitere Bewertung, wer denn nun wie abgeschnitten hat, erfolgt nicht. Ist ja wohl selbstverständlich, wer der Sieger des Abends ist.

Der überaus populäre Ude stellt für die SPD nicht das Problem dar. Es geht um die künftigen Stimmenverhältnisse im Stadtrat. Wird Rot-Grün-Rosa wieder eine Mehrheit bekommen, oder kann die CSU deutlich zulegen? "Wir müssen kämpfen und dürfen uns nicht ausruhen, das sollte uns allen klar sein", sagt Maget geradezu beschwörend, während man auf den Stargast wartet, der vom Studio zum Oberanger unterwegs ist.

Zunächst fast unbemerkt betritt Christian Ude pünktlich um 21.30 Uhr den Saal. Die ersten applaudieren, der Beifall wird lauter und dauert an. Der Oberbürgermeister strahlt und kalauert eher unfreiwillig: "Liebe Genossen, ich hoffe, ihr habt den Abend genossen." Er drückt kein Triumpfgefühl aus, eher verhaltene Freude. "Ich bin zufrieden mit der Veranstaltung", kommentiert er das TV-Duell.

Der "Kandidat" habe sich sehr bemüht, sachlich zu sein, lobt Ude seinen Gegenspieler. Dazu passe nicht, dass die CSU in Sicherheitsfragen "das Geschäft mit der Angst betreibt". Das werde die SPD nicht zulassen. Ob er sich denn besonders gut gefunden habe in dieser Auseinandersetzung? Ude lächelt nur - und schweigt. Auch das ist eine Antwort.

© SZ vom 11.01.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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