Trotz Amok-Läufen:Killer-Spiele unterm Tannenbaum

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"Ab 18" ist keine Hürde: Trotz der jüngsten Vorfälle in den Schulen sind Gewalt-Games gefragt wie nie. Eindrücke aus einem Spielwarenladen.

Susi Wimmer

"Black Hawk Down'" verspricht Action pur: "Moderne Kriegsführung hautnah", "über 25 realistisch nachempfundene Waffen", "befehlige Einsatzgruppen und stelle dich den unerschrockenen KI Gegnern".

Was gibt's zu Weihnachten? Was zum Spielen? (Foto: Foto: dpa)

Das Titelbild vom heldenhaften Soldaten, der aus seiner rot-speienden Maschinenpistole tödliche Salven abfeuert, gibt die nötige martialische Note. Freitagnachmittag im Spielwarenladen.

Der Verkäufer bei den "elektronischen Spielwaren" sieht sich einem Dauerfeuer an Fragen ausgesetzt: Weihnachten steht vor der Tür, Eltern, Kinder und Jugendliche sind auf der Jagd nach Videospielen.

Teilweise mit illegalen Mitteln. Immer öfter kommt es vor, dass Minderjährige Erwachsene ansprechen, und sie bitten, altersbeschränkte Videospiele für sie zu kaufen. Wer sich darauf einlässt, hat mit Bußgeld bis zu 1000 Euro zu rechnen.

Mehrmals in der Woche fischt Ilona Engelhardt zwischen den Obletter-Regalen "Zwerge heraus, die Erwachsene ansprechen". Die Großen sollen dann Schieß- oder Actionspiele kaufen, die weit über der Altersgrenze der kleinen Interessenten liegen. Die Kinder, die die Filialleiterin erwischt, fliegen sofort raus, "da sind wir gnadenlos".

"Die Eltern merken nicht, wie sie ihren Kindern schaden"

"Kein Wunder, bei den Erfahrungen, die Ilona Engelhardt gemacht hat: Zweimal wurde sie angezeigt, weil sie angeblich Minderjährigen Spiele verkauft habe, die für diese verboten sind. "Im ersten Fall hatte eine Oma dem elfjährigen Enkel ein Spiel für 16-Jährige gekauft", erzählt sie.

Zu Hause dann behauptete die Oma, der Bub habe sich das selbst gekauft: "Wutentbrannt stand die Mutter bei mir im Laden, aber ich hatte drei Zeugen." Schließlich "gestand" die Oma, entschuldigt hat sich die Mutter bis heute nicht.

In einem anderen Fall flog ein Schüler vormittags aus dem Laden, weil er einen Erwachsenen gebeten hatte, ein Brutalo-Video zu kaufen. Abends kamen die Eltern - mit dem Video. Der Junge hatte offenbar vor dem Geschäft ein Opfer gefunden und das Spiel doch bekommen. Die Eltern, die das Obletter-Logo auf der Schachtel sahen, regten sich fürchterlich auf.

Was unterstellen sie meinem Sohn", brüllten sie, als Ilona Engelhardt ihre Version erzählte. "Unser Sohn lügt nicht." Solche Sätze hört die Filialleiterin immer wieder. Andere Eltern sagen etwa auf den Hinweis, ein ab 16 Jahren freigegebenes Spiel sei für einen Zehnjährigen nicht geeignet: "Das müssen sie schon uns überlassen." Oder: "Mein Bub ist so schlau, der kann das schon."

"Die merken gar nicht, wie sie ihrem Kind schaden." Ilona Engelhadt redet sich in Rage: über Kinder, die Realität und Fiktion überhaupt nicht mehr unterscheiden könnten, abstumpften und jegliche Sensibilität oder Mitleidsfähigkeit verlören.

"Es macht einfach Spaß"

Warum verkauft Obletter überhaupt solche Spiele? Kriegs- und Schießspiele sind ab 18 Jahren frei zu haben und gehören längst zu dem, was die Kunden massenhaft wünschen. Nur besonders brutale Spiele stehen auf dem amtlichen Index und sind hier nicht zu beziehen. Die Indizierungsschwelle ist freilich sehr hoch, nicht einmal das berüchtigte Spiel "Counter Strike" ist betroffen.

"Es macht einfach Spaß", erzählt Phillipp. Der 14-Jährige steht vor den Video-Games und bevorzugt Renn- und Schießspiele. "Weil: Da kann man Sachen machen, die man in der Wirklichkeit nicht machen kann."

Was die Gesetze und Prüfstellen anbelange, gebe es europaweit kein vergleichbar dichtes Netz, sagt Armin Anstett vom Jugendamt. "Die Frage ist nur: Über welche Wege gelangen die Spiele in welche Hände?" Er lobt sogar die "gute Kooperation" des Handels beim Jugendschutz.

Anstett berät auch Eltern, die jetzt, nach dem Amoklauf eines Schülers öfter bei ihm anrufen, weil sie diverse unschöne Videospiele im Zimmer des Sprösslings gefunden haben.

"Generell", sagt Anstett, "sind Eltern und auch Schulen gefordert: Gemeinsam Filme anschauen, darüber sprechen, damit das Gesehene verarbeitet werden kann." Werden die Kinder aber damit allein gelassen, "erleben sie sich selbst als Helden in der virtuellen Welt, blenden die Realität aus, verarmen sozial."

"Day of Defeat Source" - "wählen sie zwischen Scharf- und Maschinengewehrschützen": Manuel hält im Spielwarenladen "Field Commander" für Play Station Portable in den Händen. "Das Ziel: Die Verteidigung der Welt vor einer skrupellosen Terrorgruppe, spezialisiert auf die Destabilisierung der Weltsicherheit und die totale Weltherrschaft", verspricht der Hersteller.

"Bei den Online-Games kann ich mir schon vorstellen, dass einer abdreht", sagt er. Ihm könne das nicht passieren: "Hier geht's darum, Einheiten zu kommandieren. Das ist was anderes."

© SZ vom 9.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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