Trauerhilfe Denk:Herzliches Beileid plus Versicherung

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Wie ein Beerdigungsinstitut Hinterbliebenen eine Police aufdrängt.

Bernd Kastner

Rudolph Moshammer und Franz Josef Strauß verbindet nicht viel. Doch ihr letzter Weg wurde vom selben Bestattungsinstitut organisiert. Die Trauerhilfe Denk, größtes Unternehmen dieser Art in Bayern mit Sitz und 13 Filialen in München, hat viele Prominente und zahllose Normalbürger seit ihrer Gründung 1844 beerdigt. Diskret, wie sich das gehört.

Nun ist es unruhig geworden in diesem stillen Gewerbe. Kunden und Mitarbeiter von Denk sind erbost über die Geschäftspraktiken der neuen Eigentümer. Vor zwei Jahren verkaufte Karl Denk das Familienunternehmen mangels Nachfolger an die Berliner Ahorn-Grieneisen AG. Deutschlands größter Bestatter wiederum gehört zur Ideal-Versicherung. Und Versicherungen sind es nun, die für Empörung sorgen.

Neuerdings bietet Ideal einen Ruhestätten-Schutzbrief an. Damit lassen sich Schäden an der Grabstätte durch Vandalismus und Naturereignisse, vom Hagel bis zum Erdbeben, versichern. Vertrieben wird dieser Schutzbrief über die Denk-Filialen, er kostet, je nach Versicherungssumme, zwischen 33 und 66 Euro im Jahr, oder bei einem Zehn-Jahresvertrag bis zu 500 Euro.

"Emotionale Entlastung"

Das Anbieten von Versicherungen über Bestattungsfirmen ist nichts Neues. Beim Ruhestätten-Schutzbrief aber ist nicht nur das Produkt neu, sondern auch der Werbefeldzug. In einem groß angelegten Mailing wurden in den vergangenen Wochen mehrere zehntausend "Bestandskunden" aus der Denk-Datei angeschrieben. Wer nicht reagiert, darf in diesen Tagen auch noch mit einem Anruf rechnen - in der Regel von einer "studentischen Aushilfe" in einem Call-Center.

Die neue Versicherung hat, so preist die Geschäftsführung das Produkt gegenüber Mitarbeitern an, Vorteile für alle: Der Kunde profitiere von der "finanziellen und emotionalen Entlastung"; für die Firma sei der Schutzbrief "Türöffner-Produkt zur Gewinnung neuer Vorsorge-Kunden"; und dem Mitarbeiter winke bei Vertragsabschluss eine "zusätzliche attraktive Vergütung als wichtiger Gehaltsbestandteil".

"Nutzen Sie die Chance!" appelliert die Denk-Geschäftsleitung in einem Rundbrief. Die Mitarbeiter sollen selbstständig tätig werden, das Produkt auch im Trauergespräch, wenn es um die Planung der Beerdigung geht, "aktiv" anbieten. "Aktiv" haben die Chefs in Großbuchstaben geschrieben.

Gegen die Berufsehre

Diese Praxis aber stößt offenbar Kunden und Mitarbeitern ab - und den ehemaligen Firmenchef. "Die Versicherung ist überflüssig wie ein Kropf", wettert Karl Denk und berichtet, dass ihn wütende Mitarbeiter und Kunden kontaktiert hätten. Von "übler Geschäftemacherei" sei dabei die Rede. Ein Mitarbeiter nennt die Aktion "pietätlos": "Das geht gegen meine Berufsehre als Bestatter." So dächten viele Mitarbeiter, aber nur die wenigsten wagten ihre Kritik zu äußern.

Auch Rolf Lichtner, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Bestatter, hält die Versicherung für unnötig, weil für solche Schäden der Friedhofsträger aufkomme. Dem widerspricht man zwar bei der Stadt München, dort heißt es: Der Grabbesitzer müsse solche Schäden zahlen. Doch Denk bleibt dabei: "Wie oft kommt so ein Schaden denn vor?"

Unabhängig vom Sinn des Schutzbriefes steht der Vertriebsweg in der Kritik. Ex-Chef Denk nennt es "äußerst unseriös", eine Versicherung im Trauergespräch kurz nach dem Tod eines geliebten Menschen anzubieten: "Ich weiß doch, wie empfänglich ein Angehöriger in dieser Situation reagiert."

"Unzumutbare Belästigung"

Auch für Markus Saller von der Verbraucherzentrale Bayern ist die Praxis "pietätlos": "So etwas macht man zeitversetzt." Dies zeige einmal mehr, dass die unter Druck befindliche Versicherungsbranche alles versuche, Marktlücken zu erschließen. Es sei zwar erlaubt, Personen unaufgefordert einen Werbebrief zuzusenden, "nicht zulässig" seien jedoch Anrufe ohne vorherige Einwilligung. Bayerns oberster Datenschützer für den nichtöffentlichen Bereich, Günther Dorn, nennt das "unzumutbare Belästigung".

Auf heftige Kritik stößt bei Karl Denk, was die Mitarbeiter laut internem "Telefonleitfaden", der der SZ vorliegt, zu den Kunden sagen sollen: "Was mir aufgefallen ist, Sie haben bei der Bestattung letztes Jahr gar keinen Ruhestätten-Schutzbrief in Auftrag gegeben. Das ist sehr ungewöhnlich. (. . .) Unsere Kunden machen das fast alle."

Der Leitfaden sei intern verteilt worden, bestätigt ein Mitarbeiter. Es werde suggeriert, der versicherungslose Angerufene sei eine absolute Ausnahme, dabei gab es den Schutzbrief im vergangenen Jahr noch gar nicht. Er wurde erst im Mai 2005 eingeführt.

Für pietätvolle Telefonate geschult

"Das ist ein Fehler", räumt Denk-Geschäftsführer Manfred Riedel ein und sagt, er kenne diesen Leitfaden gar nicht. An der Aktion gebe es aber nichts auszusetzen: "Wir verhalten uns korrekt." Alle Mitarbeiter, auch die Studenten, seien in einem "absolut pietätvollen Umgang" geschult. Nach 8000 Telefonaten habe es nur 20 Beschwerden gegeben.

Und überhaupt: Die vielen Unwetter der jüngsten Zeit zeigten doch, wie sinnvoll eine Grabstätten-Versicherung sei. Wenn man das Anbieten von Policen im Trauergespräch ablehne, müsse man die ganze Branche in Frage stellen, weil nach dem Tod viele Entscheidungen zu treffen seien.

Die Stimmung unter den gut 300 Beschäftigten sei "gut", so Riedel, es habe lediglich eine langjährige und sehr gute Mitarbeiterin wegen der Versicherungen gekündigt. "Es gibt ein paar Mitarbeiter, die fühlen sich nicht mehr wohl, weil sie die alten Privilegien unter Denk nicht mehr haben."

Nach der Übernahme der Trauerhilfe habe man sie "kaufmännisch neu strukturiert", sagt Riedel, unter der Ägide der Familie Denk habe es "erheblich an Professionalität gefehlt".

Wer von den prominenten Kunden einen Anruf eines Studenten bekommen hat, ist nicht bekannt. Sicher aber sei, heißt es, dass die Familie Strauß nicht unter den rund 30.000 Kontaktierten sei. Der Tod des Ministerpräsidenten liege zu lange zurück.

© SZ vom 18.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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