Trauerfeier für Moshammer:Tausende begleiten den Mann ohne Familie

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Der Mann, der keine Familienangehörigen besaß, war zumindest auf seinem letzten Weg bestimmt nicht einsam: Tausende Menschen haben sich am Samstag zu Ehren Rudolph Moshammers bei Minustemperaturen an der Maximilianstraße versammelten, um nach dem Trauergottesdienst einen Blick auf die Wagenkolonne mit dem Sarg zu werfen.

Von Violetta Simon

Bis der Trauerzug mit Rudolph Moshammers Sarg hier vorbeikommt, werden etwa zwei Stunden vergehen. Schon jetzt passt zwischen die Absperrgitter vor dem Geschäft "Carnaval de Venice" in der Maximilanstraße und den vielen Schaulustigen kein Blatt Papier mehr. Zwei überdimensionale Gestecke mit weißen Lilien säumen den Eingang zum Laden, die Blumengestecke und Briefe der vergangenen Tage sind verschwunden.

Die Polizei versucht, die Straße für den Verkehr frei zu halten. Plötzlich laufen die Leute von der gegenüber liegenden Seite durcheinander, überqueren die Straße: Einer der Sicherheitsleute hat angefangen, Sterbebildchen vor dem Laden zu verteilen. Nun wollen alle welche.

Auch Manfred Weiers war pünktlich und hat noch einen Platz auf dem Bürgersteig bekommen. In der einen Hand hat er einen Strauß roter Nelken und weißer Lilien. "Die hat er so gemocht", sagt der Giesinger. In der anderen Hand hält er einen aufgeklappte Leitzordner, in den vier große Fotos in einer Klarsichthülle befestigt sind. Über die Schulter fragt er den Fotografen hinter ihm: "Gut so? Etwas höher?" Klick, und wieder ist der Mann mit den Devotionalen Moshammers Ruhm ein kleines Stück näher gekommen.

Schon ist er weitergezogen und gibt einer Journalistin Auskunft: Ja, er kennt Moshammer seit 1990, nicht näher, aber von Veranstaltungen - Galas, Premieren, Circus Krone. Die erste Autogrammkarte habe ihm Mosi 1990 direkt vor seinem Geschäft gegeben. Während er spricht, streift sein Blick suchend über die Maximilianstraße zu den anderen Reportern, Kameraleuten und Fotografen. Er hat noch viel zu erzählen.

Inzwischen haben sich die geladenen Gäste zur Trauerfeier in der Allerheiligen-Hofkirche der Münchner Residenz versammelt. Die meisten sind in einem der Reisebusse gekommen, unter ihnen bekannte Gesichter wie Roberto Blanko mit Frau Mireille, Patrick Lindner, Ottfried Fischer, Karl-Heinz Wildmoser senior, die Jacob Sisters.

Auch hier ist großräumig abgesperrt, für nicht geladene Zuschauer wird die Trauerfeier im Brunnenhof übertragen. Vor dem Durchgang hat sich eine Schlange gebildet, viele wollen sich ins Kondolenzbuch eintragen. Auf der großen Leinwand spricht Pfarrer Christian Stalter, ununterbrochen strömen Menschen hinein.

Als das Requiem von Mozart die Kirche über die Lautsprecher verlässt, ist es im Brunnenhof ganz ruhig. Für einen Moment sind Trauernde und Schaulustige nicht mehr zu unterscheiden, süffisante Blicke und zur Schau getragene Unbeteiligtheit weicht einer kurzen, oft unfreiwilligen Ergriffenheit. Im nächsten Augenblick lösen sich die ersten aus der Menge, man will schließlich noch einen Blick auf das Portal der Kirche werfen, in dem nun bald der Sarg mit der Trauergemeinde erscheinen müsste.

Das Erscheinen der Sicherheitsleute auf den Kirchentreppen bringt Bewegung in die Menschentraube, die Fotografen drängen sich nach vorn. Kurz darauf wird der Mahagonisarg mit den weißen Lilien die Stufen hinuntergetragen, es folgt Chauffeur Andreas K. mit Daisy auf dem Arm. Das Kinn des Mannes liegt schwer auf seiner Brust, so sieht wohl ein gebrochener Mann aus. Der Yorkshire-Terrier trägt eine schwarze Schleife im Hundehaar und versinkt beinahe in seiner Tragetasche.

Mittlerweile haben sich mehrere tausend Menschen zwischen Residenz und Maximilianstraße versammelt, um einen Blick auf den verglasten Leichenwagen zu erhaschen. Als sich der von einem Streifenwagen geführte Trauerzug in Bewegung setzt drängen sich die Leute dicht an die Fahrzeuge. Die Insassen sehen geradeaus, bemüht, die neugiergien Blicke der Passanten zu ignorieren. Nur ein Auto hat die Scheibe herunter gelassen, den Fotografen zuliebe: Daisy sitzt auf dem Schoß des Chauffeurs Andreas K. und blinzelt ein wenig irritiert ins Blitzlichtgewitter.

Je näher der Corso, umringt von einer Menschenmasse, an Moshammers Boutique herankommt, umso enger wird es. Nun endlich stoppt der Zug, es gibt sowieso kein Durchkommen mehr. Die Menge hält inne für eine Schweigeminute, Stille legt sich über die Straße, aber nur kurz: Als es weiter geht, spielen die Schleißheimer Schlosspfeifer auf, Moshammers Lieblingskapelle. Etwas ungewöhnlich vielleicht, aber auf seinen ausdrücklichen Wunsch. Und mit Sicherheit kein bisschen ungewöhnlicher als der Verstorbene selbst es war.

Lebensfreude wollte Mosi damit demonstrieren, und so, begleitet von den Klängen der Marschmusik, setzt sich der Zug erneut in Bewegung, Richtung Ostfriedhof, um den Sarg mit Moshammers sterblichen Überresten zum Mausoleum der Familie zu bringen.

Der Mann, der keine Familie hatte und oft einsam war, befand sich nun inmitten von Tausenden, die ihm nah sein wollten. "Wenn der Mosi jetzt von oben runterschaut", meint ein Herr mit Hut, "das wird ihm sicher gefallen".

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