Szenario:Die Bohnensuppe der Callas

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Maria Callas kennt man als hungernde Opernsängerin. Ein neuer Bildband zeigt die "Göttliche" nun in ungewohnter Rolle: Die Callas soll auch eine Naschkatze gewesen sein.

Elisabeth Bauschmid

Signor Bruno Tosi ist Schriftsteller, PR-Manager, Musikkritiker und - das vor allem - Verehrer der Callas. Als solcher ist er auch Gründer und Präsident der Maria-Callas-Gesellschaft sowie Verwalter des Nachlasses der vor 30 Jahren (am 16. September) verstorbenen großen Sängerin.

Zwei Bücher über die Callas hat er geschrieben, über die "keusche Diva" und die "junge Callas". Weitere böten sich an, eines über die einsame Callas vielleicht, über die schwierige, die kapriziöse, die tragische. Sein neues Buch aber stellt die "divina in cucina" vor. Und das überrascht nun wirklich. Wenn wir die große Maria Callas überhaupt mit Essen in Verbindung bringen, dann doch nicht als Koch-, sondern allenfalls als Hungerkünstlerin.

30 Kilo (nach anderer Lesart sogar 40) musste sie auf Geheiß des Regisseurs Luchino Visconti abspecken, weil man für die Violetta in "La Traviata" eher ausgezehrt wirken und nicht zwei Zentner auf die Bühne bringen sollte. Fortan kasteite sie sich, doch Signor Tosi schwört dennoch, dass die Callas eine "golosa" gewesen sei, eine, die gerne naschte von Nachbars Teller, und eine passionierte Köchin.

Diktat für den Butler

Das zu glauben fällt schwer, auch wenn es in Tosis üppig gestaltetem Bildband, den er bei sehr magerem Publikumszuspruch in den Fünf Höfen vorstellte, zwei oder drei Fotos gibt, die die Göttliche tatsächlich in der Küche zeigen: mit Volantschürzchen, ein Mehlsieb in der Hand oder einen Wasserkessel (nicht von Alessi). Aber die Küche wirkt wie nie benutzt, genauso leer wie auf den Fotos üppiger Diners mit den damals Großen und Berühmten ihr Teller.

Ersatzweise sammelte die auf Dauerdiät Gesetzte mit Leidenschaft Rezepte, schnitt sie aus Frauenzeitschriften aus, diktierte sie ihrem treuen Butler, ließ sich von den Chefs der angesagten Restaurants deren Geheimnisse verraten. Man kann also mit ihrer und Tosis Hilfe nachkochen, was in "Harrys Bar" in Venedig, im "Maxim" in Paris, in den "12 Apostoli" in Verona oder im "Savini" in Mailand serviert wurde.

Es sind einfache, unaufwändige Rezepte, absolut bärlauch- und mangofrei zudem. Wahre Callas-Verehrer aber werden solidarisch hungern mit der Divina, sich wie sie die Jakobsmuscheln im Teigmantel ebenso versagen wie die dicke toskanische Bohnensuppe und kalorienbombige Desserts, mit denen sie angeblich sowohl ihren Gatten Giovanni Battista Meninghini als auch ihren Liebhaber Aristoteles Onassis verwöhnte.

Sie werden es beim virtuellen Genuss des Lesens belassen, sich ganz auf die Buch-Beilage kaprizieren: Arien mit der Callas auf CD, als Nachspeise.

© SZ vom 15.09.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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