SZ-Adventskalender:Weniger Angst vor dem Alltag

Lesezeit: 4 min

Eine Schrankwand, eine Waschmaschine, etwas zum Anziehen: Mit den Spenden der SZ-Leser haben sich in Not geratene Familien im vergangenen Jahr Wünsche erfüllt, die sie sich sonst nicht leisten könnten.

Mit ihren Spenden für die 61. Hilfsaktion des "Adventskalenders für gute Werke der Süddeutschen Zeitung" unterstützten die SZ-Leser Tausende bedürftige Menschen in München und der Region. Bevor am Samstag in einer Woche die 62. Spendenaktion startet, fragt die SZ bei vier von ihnen nach: Was haben die Spenden bewirkt, wie hat sich das Leben verändert? Wie groß die Dankbarkeit für die unerwartete, anonyme Hilfe ist, zeigen viele Briefe. Zwei Leser erzählen, warum sie sich für die neu gegründete Stiftung der SZ-Leser engagieren.

Über die Unterstützung freuen sich Susanne E. und ihre beiden Töchter. Sie konnten sich eine Schrankwand und einen Esstisch mit Stühlen kaufen. (Foto: Robert Haas)

Diese Tage an der Sonne, sie waren das reine Glück. Ruth A. erzählt noch jetzt voller Begeisterung vom Sommerurlaub, dem ersten, den sie sich seit vielen Jahren wieder leisten konnten. Nach Italien sind sie gefahren, Vater, Mutter, Sohn. Nach Bibione, in eine kleine, günstige Pension, wo man sie mit ihrem behinderten Jungen freundlich aufgenommen hat. "Sogar das Essen haben sie für Sven püriert", sagt Ruth A.. Als sie nach zehn Tagen wieder abreisen mussten, da habe sie zwar Tränen in den Augen gehabt, aber auch eine schöne Erinnerung im Herzen.

Ruth A.s 15-jähriger Sohn Sven ist von Geburt an blind und halbseitig gelähmt. Um sich um ihn kümmern zu können, hatte Ruth A. ihre Arbeit aufgegeben; ihr Mann ist Lkw-Fahrer. Von seinem Einkommen können sie mehr schlecht als recht leben, zumal die Eheleute den jüngeren Bruder von Sebastian A. mitversorgen.

Vor rund einem Jahr hatte Sven schwere Krampfanfälle. Sie habe Todesängste um ihren Sohn ausgestanden, erzählt Ruth A., die Sorge um Sven habe sie damals "völlig aus der Bahn geworfen". Die Mutter bekam selbst Asthma und Panikattacken. Aber so leicht, sagt Ruth A., "lasse ich mich nicht unterkriegen".

Der Urlaub in Bibione, den die Familie mit Hilfe des SZ-Adventskalenders finanzieren konnte, habe ihr "total gut getan", sagt Ruth A. "Das Geld war eine große Hilfe." Und natürlich hatte auch Sven seinen Spaß. Die Elektroautos, mit denen man durch den Ort fahren konnte, hatten es ihm besonders angetan. Im knietiefen Wasser hat er geplanscht. "Er erzählt noch jetzt die ganze Zeit von Italien. Und fragt, wann wir wieder hinfahren."

Susanne E., 40, freut sich: "Im Moment läuft es ganz gut." Die alleinerziehende Mutter von drei Kindern klingt ziemlich erleichtert. Sie hat nach der Scheidung schwierige Jahre hinter sich, wie viele Alleinerziehende, über die der SZ-Adventskalender im letzten Jahr berichtete: Ihr Ex-Mann zahlte keinen Unterhalt, mit drei Kindern aber ist es nicht leicht, Arbeit zu finden, denn viele Betriebe befürchten Ausfallzeiten wegen kranker Kinder.

Statt eines Ein-Euro-Jobs hat sie jetzt einen festen Arbeitsvertrag in einer Kinderbetreuungseinrichtung. "Das ist ein erster Schritt", sagt sie. Denn das Einkommen reiche nicht, um Miete und Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. So erhält Susanne E. noch aufzahlend Hartz-IV-Leistungen, obwohl auch die Ausbildungsvergütung des Sohnes angerechnet wird.

Für Susanne E. waren die Spenden der SZ-Leser eine große Hilfe. Endlich konnte sie in dem zuvor nur karg möblierten Wohnzimmer eine fehlende Schrankwand ergänzen sowie Esstisch und Stühle kaufen: "Jetzt sieht es gleich ein bisschen ordentlicher aus", sagt Susanne E., obwohl es auch vorher nicht unordentlich war, ganz im Gegenteil. Aber vieles lagerte noch in Umzugskisten.

Für den Sohn und die beiden kleinen Töchter gab es zu Weihnachten "etwas zum Anziehen" und Spiele. "Es läuft wirklich ganz gut", sagt Susanne E., die noch vor einem Jahr unsicher in die Zukunft blickte. Die Festanstellung sei auch ein "großer Schritt vorwärts für das Selbstbewusstsein". Ja, sie sei optimistischer, sagt sie. "Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels." Und deshalb ist sie überzeugt, dass sie es schaffen wird, ganz aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

"Es geht ihr unverändert", sagt die zuständige Mitarbeiterin des Sozialbürgerhauses über Ariane R.. Und das ist eine gute Nachricht. Die 67-Jährige ist schwer krank, seit Jahrzehnten leidet sie an Multipler Sklerose, und jeder in ihrem Umfeld ist froh, wenn es keine Verschlechterung gibt.

Ariane R., die an Multipler Sklerose erkrankt ist, kann sich mit der Spende eine Waschmaschine leisten. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ariane R. lebt allein in einer Siedlung mit wenig einladenden Wohnblocks in Hadern, Pflegekräfte und private Helfer unterstützen die bis auf drei Finger gelähmte Frau. Unverändert ist auch die Kraft, mit der die gelernte Einzelhandelskauffrau ihr Schicksal meistert, ohne zu klagen. Langes Lamentieren über ihre Krankheit wird man bei ihr nicht hören.

Lieber spricht Ariane R. lebhaft und schlagfertig über Dinge, die ihr gefallen, ein guter Film im Fernsehen zum Beispiel ("Aber wie oft?"; kommentiert sie trocken). Oder Dinge, die ihr nicht gefallen, zum Beispiel tristes Novemberlicht. "Heute ist ein blöder Tag. Ich mag das nicht, wenn alles Grau in Grau ist. Und Sie?"

Als letztes Jahr das Lebensmittelpaket des Adventskalenders bei ihr eintraf, war das "ein toller Tag". Und erst recht die Benachrichtigung über die Spende. "So viel, das hätte ich nie gedacht", sagt Ariane R., die ihren heute 40-jährigen Sohn nach dem Scheitern der Ehe allein großgezogen hat. Ärzte rieten wegen ihrer Krankheit dringend von einer Schwangerschaft ab, aber sie wollte unbedingt ein Kind.

Herausforderungen scheut sie nicht, und sie will sich auch nicht gehenlassen. Ariane R., die früher in einem großen Münchner Sportgeschäft Verkäuferin war, liebt schöne Kleider. Ihre finanziellen Mittel lassen so gut wie keine Neuanschaffung zu, aber sie pflegt die alten Stücke. Das Geld vom Adventskalender ist für eine neue Waschmaschine gedacht. Sie hat es beiseite gelegt. Noch hat ihre 15 Jahre alte Maschine den Geist nicht aufgegeben. "Aber wenn ich sie rumpeln höre, macht mir das keine Angst mehr. Weil ich weiß, das Geld für die Neue ist schon da."

Maria K. sagt, dass es wundervolle Tage waren. Eine Woche verbrachte sie mit ihren drei Söhnen in Italien, Sonne, Strand, Meer. Was für viele Familien Urlaubs-Alltag ist, erlebte die Familie zum ersten Mal, dank der Spenden der SZ-Leser. Maria K., 43, kämpft seit Jahren nur für ihre Familie und kommt mit wenig Geld aus.

Ihr Mann hatte 2005 einen Herzstillstand erlitten, seither ist er schwerbehindert, kann nicht mehr sprechen, kaum gehen. Jahrelang musste immer jemand bei Hans K. sein, er durfte keine Minute allein sein, jedes Verschlucken konnte lebensgefährlich sein. Vor einem Jahr ist er ins betreute Wohnen gezogen, es ging nicht mehr anders. Jedes zweite Wochenende kommt er nach Hause. Wann immer die Familie will, kann sie ihn besuchen.

Dank der Adventskalender-Spende konnte die Familie auch ein paar Raten für das so dringend nötige Auto bezahlen. Ohne Fahrzeug hätte Maria K. ihren Söhnen, 13, elf und acht Jahre alt, ihre Hobbys nicht ermöglichen können: Fußball und Musik. Martin, der Älteste, spielt Kornett, eine Art Trompete, und nun ist einer seiner größten Wünsche in Erfüllung gegangen: Ein eigenes Instrument.

Mehr Informationen zum SZ-Adventskalender gibt es hier.

© SZ vom 20.11.2010/mai/loe/goe/beka - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: