Studenten in München:Hochkultur zum Nulltarif

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In München gibt es ein kulturelles Programm, das für Studierende attraktiv ist - aber auf den ersten Blick kaum erschwinglich. Doch inzwischen bieten fast alle Theater und Orchester spezielle Angebote für junge Akademiker an

Von Jennifer Gaschler

Tausende Erstsemester müssen sich gerade in München zurechtfinden - und stellen dabei fest: Die Stadt ist für sie vor allem teuer. Das gilt auf den ersten Blick auch für das Kulturangebot, das München eigentlich so attraktiv für auswärtige Studenten macht. Wer sich aber ein bisschen bei den Angeboten von Theatern und Orchestern umsieht, wird durchaus erschwingliche Angebote finden.

So wie Alexandra Ranner, die an der TUM Wirtschaftswissenschaften studiert. 600 Euro zahlt die 25-Jährige für ihre WG in Bogenhausen. Finanzieren kann sie das nur durch einen Nebenjob in einer IT-Beratungsfirma, der zumindest die Mietkosten deckt. Auf Kultur will und muss sie aber nicht verzichten: "Selbst die großen Theater wie die Kammerspiele oder das Residenztheater kann ich mir mit den Studententickets für acht Euro leisten. Spontan an der Abendkasse hat man oft Glück und bekommt erstaunlich gute Plätze." 615 Euro kosten Studentenwohnungen warm im Schnitt in München, 280 Euro ein Zimmer im Wohnheim. Das erfordert eine genaue Kalkulation der Finanzen. 2012 ergab eine Datenerhebung des Studentenwerks, dass Studierende in München durchschnittlich 79 Euro monatlich für Freizeit, Kultur und Sport ausgegeben werden.

Anstehen für ein exklusives Konzerterlebnis: Die Süddeutsche Zeitung hatte Studierende zu einer Generalprobe eingeladen. 1200 waren dabei. (Foto: Peter Meisel/BR)

Das ist nicht viel, und dennoch sind die jungen Akademiker ein wichtiges Zielpublikum der Kulturinstitutionen, eine Investition in die Zukunft sozusagen - was sich manchmal in extrem günstigen Preisen niederschlägt. "Die internationale Orchesterkultur ist immer begleitet von der Frage: Ist ein klassisches Musikpublikum am Aussterben?", sagt etwa Nikolaus Pont, Manager des BR-Symphonieorchesters. Besucher klassischer Konzerte seien in München tatsächlich ja oft älter. Und dennoch müsse man mit dem Vorurteil, klassische Musik sei etwas "schwer zu Genießendes", das Vorwissen, aber auch entsprechende Finanzkraft erfordere, aufräumen. Seit einigen Jahren organisieren deshalb die BR-Symphoniker immer zum Beginn des Wintersemesters eine Generalprobe, die nur für Schüler und Studenten geöffnet wird. Die Resonanz darauf gibt Pont recht: Mehr 1200 Studenten, darunter Alexandra Ranner, hörten am Mittwoch in der Philharmonie zu, als das Orchester unter Chefdirigent Mariss Jansons die 9. Symphonie von Gustav Mahler probte - eine schönes, aber sehr schweres Werk. Und dennoch war die Konzentration im sehr jungen Publikum höher als in manchem Abo-Konzert. Ein solches Exklusiv-Angebot bleibt zwar die Ausnahme, "aber auch sonst gibt es für alle unsere Konzerte Studentenkarten zum Preis von acht Euro", sagt Pont - und gibt Studenten den entscheidenden Tipp, um günstig am Münchner Kulturleben teilzunehmen: Man muss am besten gleich am Tag des Vorverkaufsbeginns Tickets buchen. Günstig Kultur zu genießen erfordert daher vor allem eins: gründliche Recherche. Von Institution zu Institution sind die Bedingungen verschieden, mal ist langfristiges Vorausplanen, mal aber auch Spontanität gefragt. Studentenkarten sind beim Residenztheater etwa nur persönlich an der Tages- oder Abendkasse erhältlich, bei den Kammerspielen auch online. Dort gibt es auch die "Kammerflat", mit der Studenten für nur 80 Euro ein Jahr lang fast alle Veranstaltungen besuchen können.

Auch die Staatsoper bietet Studenten einiges: "Oper soll ja schließlich nichts Elitäres sein, wir verstehen uns als Volksmarke", sagt Matthias Schloderer, Marketingleiter der Staatsoper. Deshalb gebt es zahlreiche Initiativen, etwa das Angebot "Junges Publikum": Einen Tag nach Vorverkaufsstart und an der Abendkasse können Schüler und Studenten unter 30 für zehn Euro Karten erhalten. "Darunter sind einige unserer besten Plätze. Das ist deutschlandweit auch eines der günstigsten Angebote für Studierende", sagt Schloderer. Stehplätze erhalten Studenten für die Hälfte des Preises, für 25 Euro können sie sich einen Monat lang einen Stehplatz sichern.

Aber auch für den ganz schmalen Geldbeutel finden sich Angebote, bei den Philharmonikern etwa sind alle Generalproben für Schüler und Studenten unter 28 Jahren kostenlos. An der Musikhochschule kann man den jungen Musikern gratis bei ihren Prüfkonzerten lauschen.

Studentin Alexandra Ranner liegen aber eher die Inszenierungen der Studenten-Theatergruppe: "Dort wird oft genau das behandelt, was mich in meinem Uni-Alltag betrifft", sagt sie und erzählt begeistert von der "English Drama Group". An den Universitäten ist tatsächlich viel geboten, mehrere Chöre und Orchester haben sich etabliert, wie das Universitätsorchester der LMU, der "TUMChor", das "StOrch"-Orchester oder das "Sinfonietta". An der Studiobühne können Studenten der Theaterwissenschaft selbst inszenieren. Seit zwei Jahren gibt es "teatRom.25", eine Theatergruppe der Romanistik und Italianistik. "Das ist nicht nur für die Zuschauenden schön, auch für uns Studenten lohnt es sich, die literarischen Texte, die wir im Studium behandeln, mal praktisch auf die Bühne zu bringen", sagt Claudia Kiessl, die gemeinsam mit ihrer Freundin Valerie Kiendl die Gruppe gründete. Für mehr Orientierung bieten viele Theater inzwischen einen Newsletter für Studenten an, das Residenztheater informiert sogar per Whatsapp. Eine erste Anlaufstelle ist auch das Kulturbüro des Studentenwerks, das auch Veranstaltungsbesuche organisiert. So geht es etwa beim "culture-clubbing" am Donnerstag, 27. Oktober, gemeinsam ins Literaturhaus geht, um dann anschließend in der "Roten Sonne" zu tanzen. Ingo Wachendorfer, Pressesprecher des Studentenwerks, sagt: "Wir wollen damit an die Hochkultur heranführen. Denn das Überangebot kann einen Erstsemesterstudierenden echt verwirren."

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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