Streit um historisch belastetete Straßennamen:Vom rechten Weg

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"Der jüdische Geist hat etwas Ätzendes", hat Bischof Meiser gesagt. Deshalb wird nun die Meiserstraße in München umbenannt. Die Bundeswehr fand lange nichts daran, ihre Kasernen nach Nazi-Generälen zu taufen.

Joachim Käppner

"Gedenket, wenn Ihr von unseren Schwächen sprecht, / Auch der finsteren Zeit, / Der Ihr entronnen seid. / Gedenket unserer / Mit Nachsicht". So hat es Bertolt Brecht geschrieben, und doch sind das Gedenken und vor allem der Streit darüber von Nachsicht oft weit entfernt. In München hat der Stadtrat am Mittwoch die, wie es im schönsten Verwaltungsdeutsch heißt, Entnennung der Meiserstraße beschlossen, nach langer und bitterer Debatte.

Hans Meiser (1881 - 1956) war während der NS-Zeit evangelischer Landesbischof von Bayern und einer der wenigen Kirchenoberen, die den Konflikt mit dem Regime nicht scheuten - wenn es seiner Kirche diente. Doch der Mann Gottes war überzeugter Antisemit, er hetzte gegen den "jüdischen Geist", der etwas "Zersetzendes, Ätzendes" habe. Meiser half zwar jüdischen Verfolgten, aber meist nur getauften; ein Eintreten gegen die Judenverfolgung lehnte er ab. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hält ihn daher als Namensgeber einer Münchner Straße für unwürdig - die Landeskirche aber, deren Hauptsitz ebendort liegt, verteidigt Meiser wie einen Heiligen. Der heutige Bischof, Johannes Friedrich, bezichtigt den Stadtrat gar eines Kniefalls vor der Political Correctness.

Die rechte Erinnerung

In vielen deutschen Städten gibt es solche Konflikte um die rechte Erinnerung, derzeit häufiger im Osten, wo noch viele Gebäude oder Straßen die Namen nun umstrittener sozialistischer Helden tragen. Die Bundeswehr fand lange Zeit nichts daran, ihre Kasernen und Schiffe nach Wehrmachtsgenerälen zu taufen, selbst wenn diese überzeugte Nazis gewesen sind wie der berüchtigte Gebirgsjägergeneral Eduard Dietl, der in Narvik 1940 eine alliierte Übermacht schlug und den Adolf Hitler als den ersten Offizier rühmte, "der in meine Gedankenwelt eingedrungen war".

Erst 1997 tilgte das Verteidigungsministerium den Namen Dietls, der zuvor als "Vorbild soldatischen Handelns" gegolten hatte; die Stadt Füssen benannte unwillig ihre Dietlstraße um. Und noch immer sind Kasernen nach Wehrmachtsheroen wie dem "Wüstenfuchs" Generalfeldmarschall Erwin Rommel oder dem Jagdflieger Hans-Joachim Marseille getauft, den die NS-Propaganda wegen seiner 158 Luftsiege zum "Stern von Afrika" erklärte.

Wenn nun Straßen neue Namen tragen sollen, geht das oft auf jene Geschichtsinitiativen zurück, die seit den achtziger Jahren entstanden sind und mehr darüber wissen wollen, wer in ihrer Stadt was während des Dritten Reiches getan hatte. Johannes Hürter, Historiker am Institut für Zeitgeschichte in München, hält die Diskussionen über die Straßennamen für "sehr begrüßenswert", denn: "Sie folgen den Erkenntnissen der Geschichtswissenschaft." Und die spreche heute eben viel konkreter über die Taten einzelner Personen als früher:

"Die Täter bekommen Namen. Das NS-Regime ruhte auf vielen Schultern vieler Helfer und eben nicht nur auf denen fanatischer Nazis."

Nach dem Zweiten Weltkrieg sei es vielfach weder möglich noch erwünscht gewesen, die Vergangenheit der nationalkonservativen Eliten, seien es Generäle oder Bischöfe, im Detail zu erforschen: "Mit diesen Männern musste man die Bundesrepublik aufbauen."

Bischof Friedrich hat mit einer Klage gegen die Umbenennung der Straße gedroht. Folgenreicher könnte eine Frage sein, die er stellt: "Und was ist mit Ludwig Thoma, Richard Wagner, Heinrich von Treitschke?" Antisemiten allesamt. Nach jedem von ihnen ist eine Straße in München benannt.

© SZ vom 19.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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