Streit um Gerichtsurteil:Hausverbot im eigenen Heim

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Ein Mieter darf wegen eines Streits mit der Nachbarin sechs Wochen nicht in seine Wohnung.

Ekkehard Müller-Jentsch

Immer wenn sich die beiden Mieter, nennen wir sie Herr Mayer und Frau Huber, im Treppenhaus begegneten, gab es Zoff: Sie stritten seit geraumer Zeit um ein Kellerabteil und fanden schon lange kein freundliches Wort mehr für einander. Eines Tages kam es dabei auch zu Handgreiflichkeiten. Das hatte böse Folgen für Herrn Mayer. Denn seine Nachbarin beantragte bei Gericht sofort Gewaltschutz. Ohne auch nur nachzufragen, verbot prompt ein Amtsrichter dem Mann, sich seiner Nachbarin auf weniger als zehn Meter zu nähern. Was der Richter dabei nicht bedacht hatte: Damit durfte Herr Mayer tatsächlich weder das Haus noch seine eigene Wohnung betreten. Sechs Wochen ließ der Richter den Mann so schmoren - erst dann hob er die Verfügung wieder auf. Das Oberlandesgericht München rügte diesen Vorgang nun durch einen Grundsatzbeschluss.

Zwist am Zaun: Nachbarschaftsstreitigkeiten enden immer öfter vor Gericht. (Foto: ag.ddp)

Die Frau hatte ihren Nachbarn angezeigt, sie am Weitergehen gehindert sowie "gepackt und in die Ecke gedrückt" zu haben. Und er habe sie sogar schon im Keller eingesperrt. Ohne den solchermaßen Angeschuldigten zu befragen, verfügte der Richter eines kleineren Amtsgerichts daraufhin den Bannkreis und verbot dem Mann zugleich, mit seiner Nachbarin Kontakt aufzunehmen.

Das war am 17. Dezember 2009. Natürlich protestierte Mayer sofort und beantragte bei Gericht, den Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe so schnell wie möglich in einer mündlichen Verhandlung zu überprüfen. Denn in Wirklichkeit habe er im Auftrag des Hausherrn das Schloss eines Kellerraums gewechselt, den seine Nachbarin unberechtigt besetzt hielt. Es habe deswegen "körperlichen Kontakt" gegeben, weil die Frau ihn wegschubsen wollte und er sie daraufhin beiseite geschoben habe. Der Richter sah jedoch keinen Grund zur Eile und setzte erst für den 3. Februar 2010 die Verhandlung an. Bei diesem Termin zog die Frau, die inzwischen ausgezogen war, dann ihren Antrag zurück.

Der 4.OLG-Senat bestätigt jetzt dem Betroffenen, dass die trödelnde Vorgehensweise des Amtsrichters rechtswidrig war. Der hatte sich im Vorfeld rechtfertigen wollen, dass er dem Mann doch nicht das Betreten seiner Wohnung verboten habe. Das sei aber falsch, stellten dazu die Münchner Richter fest: Da nämlich die Frau im Erdgeschoss wohnte und der Mann direkt über ihr, hätte er sowohl beim Betreten des Treppenhauses den Bannkreis verletzt, wie auch beim Aufenthalt in seiner Wohnung. Zudem habe der Betroffene keine Chance gehabt, seine Nachbarin umzustimmen, da ihm obendrein jegliche Kontaktaufnahme zu ihr untersagt war.

Gerade bei einem so schwerwiegenden Grundrechtseingriff habe jeder Bürger das Recht auf ein faires und zügiges Verfahren, sagt der Senat. Selbst unter Berücksichtigung der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels seien sechs Wochen einfach eine zu lange Zeit von der Anordnung bis zur mündlichen Verhandlung. Wirkungsvoller Rechtsschutz müsse "zeitnah umgesetzt" werden (Az.:4UF 254/10). Mit diesem OLG-Beschluss in der Tasche kann sich der Mann nun überlegen, ob er Schadensersatz von seiner Nachbarin fordern will oder im Rahmen der Amtshaftung vom Freistaat.

© SZ vom 11.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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