Streit um Dachwerbung:Der Stern dreht sich weiter

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Einerseits hätte die Regierung von Oberbayern den Stern nicht gegen den Willen der Stadt genehmigen dürfen, andererseits war es auch rechtswidrig, dass man im Rathaus dem Autokonzern die Genehmigung versagt hatte. Das Rennen ist wieder offen, und der Stern dreht sich erstmal weiter...

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Gewonnen - und doch verloren. So wird wahrscheinlich die vorläufige Bilanz der Stadt in ihrem Rechtsstreit gegen den Mercedesstern auf dem Hochhaus der Münchner Daimler-Chrysler-Niederlassung aussehen. Zwar hatte zu Redaktionsschluss das Verwaltungsgericht noch keine Entscheidung gefällt.

Aber die Tendenz war unverkennbar: Einerseits hätte die Regierung von Oberbayern den Stern nicht gegen den Willen der Stadt baurechtlich genehmigen dürfen, andererseits war es auch rechtswidrig, dass man im Rathaus dem Autokonzern die Genehmigung versagt hatte. Das Rennen ist also wieder offen, und der Stern dreht sich erstmal weiter...

Am allerwenigsten ging es in der mündlichen Verhandlung um die angeblich im Vordergrund stehende Frage, ob der Stern die Stadt-Silhouette aus Kuppeln, Kirchen und Türmen verschandelt. In den Brennpunkt rückte vielmehr folgende Formulierung im zuständigen Bebauungsplan: "Bei der Errichtung von Flachdächern sind nur technisch notwendige Dachaufbauten zulässig."

Die Stadt hatte den Stern abgelehnt, weil er als reine Werbeanlage eben technisch nicht notwendig und folglich nicht erlaubt sei. Diesem Gedankengang konnten die Richter der 8. Kammer aber nicht folgen. Es sei völlig unklar, was überhaupt "technisch notwendig" bedeuten solle.

Liftanlagen könne man zum Beispiel mit so genannten Aufzugsüberfahrten gestalten, also mit einem Häuschen auf dem Dach, oder als "Stempelaufzug" ohne Dachaufbau. Der Bauherr könne entscheiden, wie er es machen wolle: Was "technisch notwendig" sei, hänge dann bestenfalls von dieser Entscheidung ab. "Und ist es dann wurscht, wie dieses technisch angeblich notwendige Häuschen aussieht?" fragte die Vorsitzende Richterin Marion Pauli-Gerz.

Stadt-Anwalt Otto Gaßner versicherte immer wieder, dass es 30 Jahre Verwaltungspraxis sei, Dach-Werbeanlagen zu verhindern. Mercedes-Anwalt Peter Gauweiler stellte acht Beweisanträge, dass diese Behauptung falsch sei - sprach von Willkür.

Weiterer Kernpunkt der Verhandlung: Was ist überhaupt unter "Dachaufbauten" zu verstehen? Üblicherweise seien im Baurecht damit etwa Treppenhäuser, besagte Lifthäuschen, Lichtkuppeln, Gauben oder Solaranlagen gemeint, nicht aber Werbeanlagen. "Wenn ich von eingefahrenen Definitionen abweiche, muss ich dieses deutlich machen", sagte die Vorsitzende. "Wenn die Stadt Werbeanlagen nicht auf den Dächern haben will, muss sie es eben in die Pläne hineinschreiben."

Oberlandesanwalt Peter Samberger setzte noch eins drauf: "Und wäre das Dach nicht flach, sondern ganz leicht geneigt, wäre ohnehin alles erlaubt." Unter dem Strich, meinte das Gericht, sei der Bebauungsplan zu ungenau.

Und als striktes Verbot sei die von der Stadt gewählte Form unhaltbar, weil es an Abwägungen fehle. Denn die Umgebung sei von dominierenden Aufbauten, wie der großen Antenne auf dem Munich-City-Tower, geprägt. "Es geht schließlich nicht um den Altstadtkern, sondern um eine Gegend, deren Dachlandschaft nicht gerade von üppiger Schönheit geprägt ist", meinte Pauli-Gerz.

Die Stadt sei über das Ziel hinausgeschossen. Dennoch hätte die Regierung von Oberbayern angesichts der von der Stadt über das fragliche Areal verhängten Veränderungssperre den Stern nicht genehmigen dürfen. Dazu fehle ihr, wie es in der Verwaltungsfachsprache heißt, die "Normverwerfungskompetenz".

Vorausgesetzt, das Gericht bleibt bei seiner Linie, würde die Stadt mit ihrer Klage gegen ihre Aufsichtsbehörde zwar formal gewinnen: Der Bescheid der Regierung würde aufgehoben. Das Verfahren wäre dann wieder auf dem alten Stand, dass Daimler-Chrysler Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid der Stadt eingelegt hat.

Da aber diese Ablehnung gleichfalls rechtswidrig war, wie das Gericht in der Verhandlung deutlich gemacht hat, wird die Stadt wohl kaum weiterhin auf der sofortigen Entfernung des Mercedessterns bestehen können. "Auf den Stadtrat kommt ein hartes Stück Arbeit zu", wie Richterin Elisabeth Zollner-Niedt sagte.

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