Stock-Car-Grandprix:Ein falsches Signal?

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Ein Autorennen mitten in München erhitzt die Gemüter: Es passt nicht in die Klimaschutz-Debatte.

Katja Riedel

Ein Ring legt sich in frischem Schwarz um das ehemals heilige Grün im Olympiastadion, überdeckt die Tartanbahn, auf der Leichtathleten um Rekorde rannten und Fußballer sich locker einliefen, bis der Fußball in die Allianz-Arena zog und das Olympiastadion zum Schauplatz ganz anderer Ereignisse wurde. Aus 2500 Tonnen Kies und 1000 Tonnen Teer haben Baumaschinen innerhalb von fünf Tagen eine Fahrbahn gezaubert. Eine Rennpiste für einen einzigen Tag, den Tag, an dem künstliche Pferdestärken die Muskelkraft einstiger Sportereignisse inmitten des Ovals ersetzen werden.

200 Motoren von Rennwagen bis zu 650 PS werden dort am kommenden Samstag aufheulen, wenn sich Motorsportler aus neun Nationen zum ersten Stock-Car-Grandprix einfinden. Stock-Car ist ein Sport, bei dem Männer und Frauen nicht nur um die Wette fahren, sondern einander mit ihren Fahrzeugen möglichst schnell von der Strecke zu drängeln versuchen - die sportliche Variante des Autoscooter, ein Sport, der in den 1970er Jahren aus den USA gekommen ist und hierzulande bisher eher in ländlichen Regionen und mit wenig Aufsehen betrieben wird. Der Grandprix im Olympiastadion ist das erste Stock-Car-Großereignis in Europa, schreiben die Veranstalter auf ihrer Internetseite.

"Welch schöner Sport das ist"

Gefahren wird in ehemaligen hochmotorisierten Straßenfahrzeugen, die ausgeschlachtet und auf die Rennbedürfnisse umgerüstet werden. Für Peter Erl, einen der Geschäftsführer der eigens gegründeten Stock-Car-GP GmbH, geht mit dem Großereignis im Olympiastadion ein Traum in Erfüllung. Seit 35 Jahren fährt der Bauunternehmer und stellvertretende Landrat des Kreises Deggendorf Stock-Car, sein Sohn hat es gar zur deutschen Vizemeisterschaft gebracht, und sein Anliegen formuliert Erl klar:

"Wir fünf Gesellschafter betreiben Stock-Car als Hobby und wollen kein Geld verdienen, sondern den Münchnern zeigen, welch schöner Sport das ist." 15 000 Zuschauer müssten kommen, damit die 340 000 Euro wieder in die Kasse fließen, die die fünf Initiatoren aus Niederbayern in das Motorsportereignis gesteckt haben, 7000 Karten sind bislang verkauft worden.

Was für Erl und seine Mitstreiter die Erfüllung eines Lebenstraum ist, scheint so gar nicht in die Klimaschutz-Debatte der vergangenen Monate zu passen - und noch weniger zu den Bemühungen der Landeshauptstadt, ihre Bürger für einen schonenderen Umgang mit Energieressourcen zu motivieren, Spritsparen und Fahrverbote für ältere Kraftfahrzeuge inklusive. All das sind Bemühungen, die sich nur schwer damit vereinbaren lassen, dass im Olympiastadion einen Tag lang öffentlichkeitswirksam und hochtourig Kilometer um Kilometer im Kreis gefahren wird.

An einem Veranstaltungsort, der als Teil der Olympiapark GmbH komplett in städtischer Hand liegt. Alleiniger Gesellschafter ist die Stadt München, Aufsichtsratsvorsitzender Oberbürgermeister Christian Ude. Eine Stellungnahme Udes war auf Anfrage nicht zu bekommen, auch der zweite Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne) ließ sich aus Krankheitsgründen entschuldigen.

"Verbunden mit der CO2-Debatte in dieser Zeit habe ich die dezidierte Meinung, dass diese Veranstaltung ein falsches Signal setzt", sagt Stadtrat Boris Schwartz (Grüne), der selbst im Aufsichtsrat der Olympiapark GmbH sitzt. Eine Wiederholung, auf die die Veranstalter laut Presseberichten hoffen, kann sich Schwartz deshalb nicht vorstellen, dafür wolle sich seine Fraktion stark machen.

"Unsere Aufgabe ist es, das Gelände hier wirtschaftlich zu betreiben", sagt Tobias Kohler, Pressesprecher der Olympiapark GmbH, "und das tun wir, mit jeder Veranstaltung, die behördlich genehmigt wird." Fragen nach dem Sinn einer Veranstaltung, nach einem möglichen umweltpädagogischen Effekt, die stelle man sich nicht. "Anderenfalls müsste der Aufsichtsrat uns bestimmte Auflagen machen", sagt Kohler.

Im Rekordfrühling

Veranstalter Peter Erl fühlt sich und seinen Sport jetzt zu Unrecht kritisiert. Als er und seine Sportkameraden vor rund anderthalb Jahren ihre Pläne eröffneten, da seien die Betreiber des Olympiastadions gleich begeistert gewesen, "man hat uns mit offenen Armen aufgenommen", erzählt Erl. Schnell war der Vertrag unterzeichnet, auch die behördlichen Genehmigungen beim Kreisverwaltungsreferat eingeholt. Die Frage, ob es sinnvoll ist, inmitten einer der grünen Lungen der Stadt mit hochmotorisierten Rennwagen die Runden zu drehen, die wurde in diesem Verfahren nicht überprüft, wie Christoph Habl, Sprecher des KVR, bestätigt.

Bei Formel-Eins-Rennen entstünden doch viel mehr Abgase, wer Kritik an seiner Veranstaltung übe, der dürfe auch nicht zum Wandern mit dem Auto in die Berge fahren, und überhaupt seien ja nicht alle Stock-Cars so hoch motorisiert, viele hätten gerade einmal 180 PS, wehrt sich Veranstalter Erl. Außerdem seien alle Fahrzeuge mit Katalysator und Filtern ausgestattet. Peter Erl hofft nun, dass auf seinen Grand-Prix kein negatives Licht fällt. Fast sicher kann Erl damit rechnen, dass an dem Tag, an dem die Ur-Quattros von Rennsportlegende Walter Röhrl und all die anderen Rennwagen die Startlinie passieren werden, die Sonne mit voller Kraft scheint, in diesem Rekordfrühling zwischen Wärmewinter und wahrscheinlichem Tropensommer.

© SZ vom 2.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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