Zum Tod von Steffen Kuchenreuther:Cineast für München

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Filmball-Gastgeber Steffen Kuchenreuther, hier mit Ehefrau Soo Leng, vor zwei Jahren: Einen Tag nach dem 40. Deutschen Filmball ist Kuchenreuther verstorben. (Foto: Getty Images for Krug Mediapool)

Mit 18 Jahren übernimmt Steffen Kuchenreuther sein erstes Filmtheater in Schwabing. Es ist der Beginn einer außergewöhnlichen Münchner Kino-Karriere, die mit dem 40. Filmball, seinem Fest, endet. Am Tag danach erliegt der 65-Jährige einem Krebsleiden.

Von Philipp Crone und Christian Mayer

Am Mittwochnachmittag war Steffen Kuchenreuther noch zwei Stunden lang in der Falk's Bar im Bayerischen Hof und hat gearbeitet. Dafür, dass auch der 40. Filmball ein Erfolg wird. Der 65-Jährige saß, sichtlich gezeichnet von seiner Krebserkrankung, mit den Kollegen der Spitzenorganisation Deutscher Film (Spio) zusammen. Sie haben über die richtige Tischordnung beratschlagt, so wie es Kuchenreuther all die Jahre immer getan hat.

Schon Wochen vor jedem Ball war der Kinobetreiber angespannt, um die richtige Kombination der Gäste hinzubekommen. Kuchenreuther hatte bereits 30 Kilogramm abgenommen in den vergangenen Monaten, und wenn er sich in den letzten Tagen auf Terminen zu sehr anstrengte, dann klingelte das Handy, seine Frau Soo-Leng war dran und ermahnte ihn, sich zu schonen. "Aber ich will unbedingt zum Bayerischen Filmpreis und zum Deutschen Filmball", sagte er.

Noch einmal wollte er vor allem seinen Ball erleben, den Deutschen Filmball. Vor 35 Jahren war er zum ersten Mal Gast, bestaunte die "Traumwelt" der feiernden Branche, bevor er zuletzt 17 Bälle als Gastgeber eröffnete. Immer wieder musste er die Veranstaltung auch verteidigen gegen Stimmen, die den Ball in die Hauptstadt verlegen wollten, oder gegen die Kritik, dass kaum mehr internationale Stars kommen würden. Doch der Schwabinger Kinobetreiber hielt stand. Jedes Mal war er "unglaublich nervös" vor dem Ball, doch es ging immer gut. Die Ansprache, der Eröffnungstanz, die Sitzordnung, das Fest ist jedes Jahr gelungen. "Für mich ist es dann geschafft, wenn der Ministerpräsident nach Hause geht", hat Kuchenreuther am Mittwoch gesagt. "Und wenn er erst um vier Uhr geht, dann ist das erst recht gut."

Kuchenreuther konnte an diesem Samstag gar nicht erst kommen, und als am Samstagabend die Nachricht kam, dass er auch nicht zum Ball erscheinen würde, waren viele Gäste sehr betroffen. Am Sonntagnachmittag ist Steffen Kuchenreuther seiner schweren Krankheit erlegen.

Die Münchner kennen Kuchenreuther vor allem als Unternehmer und umtriebigen Kinobetreiber, der von früh auf eine Faszination für den Film entwickelte. Schon die Eltern des gebürtigen Erlangers hatten ein Kino. In München studierte er Betriebswirtschaft und übernahm 1965, da war er erst 18, gemeinsam mit seinem Bruder Thomas das Leopold-Kino in Schwabing. 1966 kam das Savoy in Pasing dazu, ein Jahr später das ABC in der Herzogstraße. Die zwei Brüder mischten die Szene richtig auf, als sie 1971 auch noch das Eldorado in der Sonnenstraße und das Kino Münchner Freiheit in ihr Portfolio aufnahmen. Es waren goldene Jahre für Kinobetreiber, und die Kuchenreuthers setzten auf die Cineasten: Bis heute ist das Programm im erst kürzlich renovierten ABC dem Arthouse-Film gewidmet.

Auch als Produzenten waren die Kuchenreuthers tätig: 1991 erhielt ihre Ingeborg-Bachmann-Verfilmung "Malina", mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle, den Deutschen und den Bayerischen Filmpreis. Auch mit Herbert Achternbusch gab es ein Zusammenspiel: Der Film "Hades", eine Münchner Groteske über einen Bestattungsunternehmer aus dem Jahr 1995, war ebenfalls eine Kuchenreuther-Produktion.

Als Aufsichtsratsmitglied des Münchner Filmfests oder als Jurymitglied für den Bayerischen Filmpreis war der Unternehmer bestens vernetzt. "In all diesen Funktionen hat er das Ansehen der Filmmetropole München nachhaltig gestärkt", betonte Oberbürgermeister Christian Ude bereits 2011, als er Kuchenreuther mit der Medaille "München leuchtet" in Gold auszeichnete. Für viele seiner Kollegen bleibt er wegen seiner heiteren Unaufgeregtheit, die in dieser Branche eher selten anzutreffen ist, in Erinnerung. Er fühlte sich dafür zuständig, glamouröse Auftritte zu ermöglichen, ohne sich selbst ins Rampenlicht zu stellen: Glänzen sollten die anderen, je heller, desto besser fürs Geschäft.

40. Deutscher Filmball
:Tanz, Sternchen, tanz!

Wo die Filmbranche tanzt und turtelt : Beim 40. Deutschen Filmball in München treffen Nachwuchsschauspieler auf Altbekannte wie Senta Berger, Iris Berben oder Veronica Ferres. Aber nicht nur hübsche Damen in zauberhaften Kleidern sorgen für Überraschungen.

Für Constantin-Vorstand Martin Moszkowicz ist klar: Ohne die Beharrlichkeit des langjährigen Spio-Chefs wäre der Deutsche Filmball schon längst nicht mehr in München, sondern nach Berlin abgewandert; Avancen und Begehrlichkeiten diesbezüglich gab es in der Vergangenheit mehrmals. Und genauso oft hat Kuchenreuther dann auf den besonderen Münchner Charme verwiesen und auf die Bedeutung der bayerischen Filmbranche.

Dieter Kosslick, Chef der Berlinale, ist wie viele andere in der Filmbranche traurig: "Ich kannte Steffen mehr als 30 Jahre. Wir waren auch sehr unterschiedlich, er eher konservativ, ich links. Aber wir haben uns immer wunderbar verstanden, wenn es um die Sache des Films ging. Er war einer dieser Menschen, die Brücken bauen konnten zwischen den Menschen. Und er war ein großer Freund." Für Schauspielerin Iris Berben war er einer der Großen des deutschen Films. "Er ist ein Mensch, der eine Spur hinterlässt, und das ist in unserer Branche das Beste, was man sagen kann."

© SZ vom 21.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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