Stars im Clinch mit Medien:Du sollst dir kein wahres Bildnis machen

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Die Stars wollen ihren Wert steigern und gängeln die Reporter mit Knebelverträgen. Doch das ist ein riskantes Unterfangen - nicht nur für Robbie Williams.

Jochen Temsch

Es hätte nicht viel gefehlt, und Robbie Williams würde wohl das professionell verschmitzte Lausbubenlächeln vergehen. Er hätte zum Auftakt seiner drei Konzerte im Münchner Olympiastadion seinen rituellen Eröffnungsreißer "Let me entertain you" gesungen. Aber dabei hätte er nicht wie sonst in Dutzende Objektive geblickt, sondern auf die kalte Schulter eines Berufsstandes, mit dem der Popstar doch eigentlich in einer Art Symbiose lebt. Die Fotografen hätten ihm einfach den Rücken gekehrt.

Der Bayerische Journalistenverband hat mit Robbie Williams einen "Waffenstillstand" geschlossen (Foto: Foto: ddp)

So drastisch hat sich der Vorsitzende der Fachgruppe Bildjournalisten beim Bayerischen Journalisten-Verband (BJV), Thomas Schumann, den Protest gegen die Gängelung seiner Kollegen vorgestellt. "Wir müssen zeigen: bis hierhin und nicht weiter!", sagte er. Aber in der Zwischenzeit lenkte das Management von Robbie Williams ein. Der BJV nennt das "Waffenstillstand, nicht Friedensvertrag", und sieht von Aktionen ab. Die Nachrichtenagenturen dagegen werden voraussichtlich keine Fotografen in die Münchner Konzerte schicken. Bis zuletzt liefen Gespräche mit Williams-Leuten. "Wir würden gerne berichten", sagt der Sprecher der dpa, Justus Demmer, "aber so können wir nicht arbeiten. Es geht ums Prinzip."

Weiße Flecken statt Konzertbericht

Auslöser des Ärgers sind die seit Jahren üblichen Vereinbarungen, die Fotografen unterschreiben müssen, wenn sie zu einem Konzert zugelassen werden wollen. Für die Berufsverbände sind dies Knebelverträge, Veranstalter sprechen von international üblichen Bedingungen. Diese, oft nur in kompliziertem Juristen-Englisch formulierten, zum Teil erst kurz vor Auftritten vorgelegten Kontrakte schränken die Arbeit der Fotografen, die Nutzungsmöglichkeiten und die Nutzungsdauer ihrer Fotos empfindlich ein. Im Fall von Robbie Williams waren Agenturen zunächst ganz ausgeschlossen. Andere Fotografen sollten unterschreiben, dass sie ihre Bilder nur einmal in einem vorher festgelegten Printmedium veröffentlichen sowie die Negative und das - in Deutschland unveräußerliche - Urheberrecht an das Management abtreten. Daraufhin beschlossen die Agenturen, ganz auf die Berichterstattung zu verzichten, also auch auf Texte.

Branchenvereinigungen wie der Deutsche Journalisten-Verband, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger unterstützen den Boykott. Die Dresdner Neuesten Nachrichten zum Beispiel druckten statt eines Konzertberichts weiße Flecken. Und die Berliner taz bebilderte ihre Rezension am vergangenen Wochenende mit trüben Handy-Fotos.

Nicht hinnehmbare Klausel

Unterdessen strich Williams' Manager David Enthoven einige strittige Punkte aus den Verträgen. Auch Agenturfotografen sind nun zugelassen. Knackpunkt bleibt aber die auf vier, fünf Wochen nach dem Konzert befristete Nutzung der Fotos - freie Fotografen können damit leben, für Agenturen ist die Klausel nicht hinnehmbar, weil sie bei ihren Kunden in der Pflicht stehen.

Ohnehin dürfen sich Fotografen meist nur während der ersten drei Songs ein Bildnis von den vergötterten Stars machen. Dabei werden sie von Security-Leuten überwacht. Manchmal, zum Beispiel bei den Rolling Stones, dürfen sie nur die alten Herren auf der Bühne, nicht aber die älteren Herrschaften im Publikum ablichten. Andere, zum Beispiel Kylie Minogue oder Michael Jackson, lassen sich bisweilen nur aus weiter Entfernung fotografieren. Das mag an der Eitelkeit der Künstler liegen oder daran, dass sie sich beim Auftritt gestört fühlen. Schon 1998, als Williams in München gerade mal eine Großraumdisco füllte, klebten seine Aufpasser den kreischenden Mädchen in der ersten Reihe die Blitze ihrer Ritschratsch-Kameras zu. Inzwischen nehmen sie ihnen die Apparate am Eingang ab.

Journalistenverband: "Freie Berichterstattung in Gefahr"

Bei der Gängelung der professionellen Fotografen geht es vor allem um den Versuch, den grauen Markt der Merchandising-Produkte zu kontrollieren. Der Rohstoff Starporträt soll knapp bleiben, damit ein Robbie Williams nur auf Tassen oder T-Shirts auftaucht, an denen er selbst verdient. Dabei würde eine solche Nutzung von Fotos ohne Einwilligung sowieso gegen deutsches Recht verstoßen. Im angelsächsischen Raum jedoch sind die allgemeinen Persönlichkeitsrechte nicht wie hierzulande in den Gesetzbüchern kodifiziert. Alle möglichen Fälle werden in Verträgen ausgeschlossen - ein Prinzip, das auch bei deutschen Fotografen angewandt wird. "Neo-kolonialistisch" nennt das die Geschäftsführerin des BJV, Frauke Ancker. Sie sieht die freie Berichterstattung in Gefahr.

Der Deutsche Journalisten-Verband kämpft nun schon seit Anfang der neunziger Jahre gegen die ausufernden Knebelverträge. Das Thema wurde wieder aktuell, als Mitte Juli die Rolling Stones auf Deutschlandtour gingen. Nun ist es Robbie Williams. Schon 2003 tourte dieser mit den gleichen, jetzt abgemilderten Verträgen. Die Nachrichtenagenturen verzichteten auch damals auf die Berichterstattung. Mittlerweile wird der neue Aufstand der Entrechteten über die Internationale Journalistenföderation weltweit registriert. Davon angespornt, ignorierten einige Medien die aktuelle Skandinavien-Tour der Guns'n'Roses. Auch hierzulande geht der Kampf ums Bild weiter. Laut der Verbände bleiben die Fotografen offen für Gespräche - und bereit, sich wegzudrehen.

© SZ vom 1.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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