Würmtal:Zäher Streit ums Stromnetz

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Eon Bayern wirft den Gemeinden Gauting, Krailling und Planegg Verfahrensfehler vor, Rechtsanwälte des Regionalwerks schalten ihrerseits die Bundesnetzagentur ein. Eine gerichtliche Auseinandersetzung ums Stromnetz wird immer wahrscheinlicher

Michael Berzl

Das Geschäft mit den Stromverträgen läuft wie geschmiert beim Regionalwerk Würmtal. Vor einer Woche hat der 500. Kunde seinen Vertrag unterschrieben, verkündet der Geschäftsführer Heinz-Leo Geurtsen in Gauting. Das klingt nach einer Erfolgsstory, doch dieses Geschäft ist eher ein Nebenprodukt des Unternehmens in kommunaler Hand. Das eigentliche Projekt, die Übernahme des Stromnetzes von Eon Bayern, kommt bei weitem nicht so reibungslos voran. Aus ersten Briefwechseln können die Kontrahenten deuten, dass sie sich auf gerichtliche Auseinandersetzungen einstellen müssen. Eon Bayern wirft den Gemeinden Gauting, Krailling und Planegg Verfahrensfehler vor; deren Rechtsanwälte wollen nun die Bundesnetzagentur einschalten.

Der Energieversorger Eon gibt seine Anlagen nur ungern her. Dieses Umspannwerk steht in Starnberg; auch dort hat sich das Regionalwerk schon vorgestellt. Foto: Treybal (Foto: Georgine Treybal)

Die Regionalleitung von Eon Bayern unterstellt den Würmtalgemeinden, die als Partner die Stadtwerke München dazugeholt haben, bei der Neuvergabe von Konzessionsverträgen an das eigenen Regionalwerk gegen die Spielregeln verstoßen zu haben, so dass Mitbewerber gar keine echte Chance hatten. Ein Konzessionsvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Gemeinden und Energieversorgern über die Nutzung von Grund und Boden in kommunaler Hand für Leitungen und andere Anlagen. Auf rund zehn Seiten ist darin zum Beispiel der Ablauf geregelt, wenn neue Anschlüsse verlegt werden. Für dieses Wegerecht, das bisher Eon Bayern hat, erhalten die Kommunen eine Menge Geld; bei einer Größenordnung wie im Würmtal kann das zusammen fast eine Million Euro im Jahr ausmachen. Vor allem aber sehen die Eon-Leute in dem Nutzungsrecht eine wichtige Voraussetzung für die Netzübernahme.

Das ist etwas komisch gelaufen", sagt Christian Nagel von der Eon-Geschäftsleitung zum Vergabeverfahren. Seinem Eindruck nach stand das Ergebnis schon von Anfang an fest, dass nämlich das Regionalwerk den Zuschlag erhalten soll. Von einer "Feigenblattaktion" spricht sein Kollege Peter Streitle, der in dem Konzern den Bereich Kommunen und Kooperationen leitet. "Wir haben schon damit gerechnet, dass das eine Show ist." Daher verlangt der Energieversorger einen Nachweis, dass das Verfahren wie vorgeschrieben "transparent und diskriminierungsfrei" gelaufen ist. Entsprechende Aufforderungen liegen nun bei der Kanzlei Becker-Büttner-Held (BBH) in München, die sich auf die Beratung von Energie- und Infrastrukturunternehmen spezialisiert hat und auch die drei Würmtalgemeinden bei der geplanten Netzübernahme von Beginn an begleitet.

Bei BBH, einer nach eigenenen Angaben bundesweit führenden Energierechtskanzlei, ist man von dem Vorgehen der Gegenseite nicht überrascht. "Das ist die bundesweit übliche Behinderungs- und Verzögerungsstrategie von Eon, um die Netzübernahmen, die vom Gesetzgeber eigentlich gewünscht sind, zu behindern", sagte Rechtsanwalt Matthias Albrecht am Donnerstag der SZ. Damit werde lediglich eine "Drohkulisse" aufgebaut. Der Jurist ist der Überzeugung, dass das Konzessionsverfahren völlig in Ordnung war und will entsprechend reagieren. Wie die Reaktion der Sozietät aus Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern aussehen kann, kennen die Eon-Chefs Nagel und Streitle schon. Wegen ähnlich gelagerter Streitfälle in Olching im Landkreis Fürstenfeldbruck und in Gmund am Tegernsee sind ihnen 120-seitige Schriftsätze ins Haus geflattert.

Während nun die juristische Auseinandersetzung um die geplante Netzübernahme beginnt, fließt der Strom aus der Steckdose, als gäbe es keine Widerstände. Eon Bayern bezahlt weiter seine Konzessionsabgabe, obwohl der Konzern die Konzession an den neuen Konkurrenten verloren hat. Theoretisch zumindest, denn in der Praxis wirkt sich das noch nicht aus. Seit Monaten herrscht so ein vertragsloser Zustand, beklagte der Eon-Chef Nagel. Er habe aber auch schon von einem Beispiel gehört, wo ein Versorgungsunternehmen in einem ähnlich gelagerten Fall nicht mehr bezahlt. Eventuell müsse man auch diese Variante prüfen lassen.

So wird es wohl noch eine Weile dauern, bis die eigentlichen Verhandlungen über den Verkauf des Leitungsnetzes beginnen. Streitpunkte sind dabei üblicherweise der Wert und der Aufwand für die Abtrennung vom restlichen Netz. Etwa zwei Dutzend Mal ist so etwas in Bayern schon ausverhandelt worden. Oft kann das ganz unkompliziert gehen, wenn zum Beispiel Stadtwerke ihr Versorgungsgebiet arrondieren wollen. So kompliziert wie im Würmtal war es aber laut Nagel noch nie. Dass alles so lange dauert, werfen sich die Kontrahenten gegenseitig vor. "Das wird wahnsinnig in die Länge gezogen, aber nicht durch uns", sagt Nagel, während widerum die BBH-Anwälte Eon Verzögerungstaktik unterstellen.

© SZ vom 27.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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