Starnberg:Landpartie mit Schiff

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Zentimetergenau passiert der teure Spezialtransport mit der MS Schondorf die Engstellen auf dem Weg nach Tutzing

Sylvia Böhm-Haimerl

StarnbergDen Sekt hat Walter Stürzl, Chef der Bayerischen Seenschifffahrt, schon kalt gestellt. Doch der Korken soll erst knallen, wenn die MS Schondorf vom Ammersee in ihrem neuen Heimathafen in Starnberg angekommen ist. Dort wird sie als MS Berg ihren neuen Job antreten. Das rund 40 Tonnen schwere Schiff wird an diesem frühlingshaften Samstag gerade zu Wasser gelassen, und zwar in Tutzing. Weil für den Schwertransport das Führerhaus abmontiert werden musste, kann sie nicht gesteuert werden und wird nach Starnberg geschleppt. Ihre Vorgängerin, die "MS Berg" wartet schon am Landesteg. Es wird ihre letzte Fahrt sein, bevor sie als namenloses Arbeitsschiff in den Vorruhestand geht. Ihren Namenszug hatte man bereits abmontiert - Stürzl ließ die Buchstaben wieder anbringen. "Das konnte ich der Berg nicht antun", sagt er. Es ist sein letzter Dienst an dem Schiff, das ersetzt wird, weil es nicht mehr durch den TÜV kommt. Zwar wurde auch die Schondorf schon 1961 gebaut, aber im Gegensatz zur Berg kann sie laut Stürzl noch rund 20 Jahre Dienst tun. Weil sie am Ammersee entbehrlich war, tritt sie nun die beschwerliche Reise über Land zum Starnberger See an. Der Sondertransport ist eine logistische Meisterleistung. Vier Monate Vorarbeiten waren laut Susanne Münster vom Landratsamt notwendig, um die Route zu planen, mit allen zuständigen Gemeinden und Behörden zu verhandeln und Genehmigungen einzuholen. Ursprünglich sollte das Schiff schon im Februar überführt werden, doch die Kälte hatte den Planern einen Strich durch die Rechnung gemacht - der Starnberger Hafen war zugefroren. Nun allerdings klappt alles. Oberleitungen werden angehoben, um den sechs Meter hohen Transport durchzubringen, Straßen und Kreuzungen gesperrt, Verkehrsschilder abgebaut und die Schaulustigen entlang der Route in Schach gehalten. Trotz des Ausflugswetters halten sich die Autofahrer an das Parkverbot. Der 129 Tonnen schwere und 36,5 Meter lange Lastzug ist äußerst pünktlich und kann in Pöcking sogar eine kleine Verschnaufpause einlegen, bevor er die Kurve zur Bahnbrücke Possenhofen nimmt. Es ist die größte Engstelle auf der Route. Zentimetergenau geht es zwischen einem Balkon auf der einen und einer Betonmauer an der anderen Seite vorbei. "Super, optimal", lobt Susanne Münster, und durch die Zuschauerreihen geht ein Raunen. "Das war haarscharf", meint ein Hobbyfotograf. Transportleiter Friedhelm Biermann bleibt gelassen, für ihn ist das Routine. Als letzte Hürde muss noch die Einfahrt in die Tutzinger Schlossstraße gemeistert werden, rückwärts. Polizei und Feuerwehr lassen sich von den Massen an Schaulustigen, die sich mit gezückter Kamera ganz nah ans Geschehen heranwagen, nicht aus der Ruhe bringen. Der zwölfachsige Anhänger nimmt die enge Kurve in wenigen Minuten, er muss nicht einmal rangieren. Wie auf Bestellung läuten die Kirchenglocken, während das Schiff über dicke Stahlplatten zu den beiden Kränen gebracht wird, die es sanft ins Wasser setzen. Tutzings Bürgermeister Stephan Wanner hat Böllerschützen bestellt, um das Schiff willkommen zu heißen. Drei Mal schießen sie Salut, die Seevögel fliegen kreischend auf. "Damit könnten wir die Gänseproblematik auch gleich lösen", kommentiert der Berger Bürgermeister Rupert Monn trocken, bevor er und seine Amtskollegen auf den Transport anstoßen. Auch Stürzl kann in Starnberg bald die Sektkorken knallen lassen. Nur eines könnte Ernüchterung bringen: Die Kosten für den Spezialtransport sind mit 50 000 Euro veranschlagt.

(Foto: N/A)
© SZ vom 05.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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