Stadtmagazin "Treffpunkt 55 plus":Für das beste Alter

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Klassiktipps statt Rockkonzerte: Das Münchner Stadtmagazin will eine Art "In München" für Ältere sein.

Vielleicht sind nicht alle Leser so fit wie die umwerfend hübsche Grauhaarige vom Titelbild: Sonnengebräunt, mit rot bemalten Lippen und blütenweißem Hemd sitzt sie an einem superleichten Laptop. Aber schließlich sind auf Zeitschriften für Jüngere auch stets die attraktivsten Exemplare der Zielgruppe abgebildet; und bei Treffpunkt 55 plus ist das nicht anders.

"Münchens Stadtmagazin für das beste Alter" ist der Untertitel des Heftes, das seit drei Jahren vierteljährlich erscheint. Ute Vidal, eine der Herausgeberinnen, räumt ein: "Mit der Bebilderung ist es oft schwierig." Schließlich spricht das Gratisorgan rund 100.000 Leser im S-Bahn-Bereich an; und die sind sehr unterschiedlich strukturiert: Die einen sind beispielsweise eher in Turnschuhen unterwegs, die anderen in Gesundheitssandalen.

Das spiegelt sich in den Themen wider: Neben Artikeln über Bergwandern und Online-Banking, Weine und Fremdsprachen stehen Texte über Osteoporose und betreutes Wohnen. "Aber auch die neuen Medien sind ein großes Thema", sagt Ostler. "Wie digitalisiere ich meine alten Super-8-Filme?" Allgemein aber gelte als Leitfaden für das Blatt: "Wir wollen eine Art ,In München' für Ältere sein, mit Tipps für Klassik- statt für Rockkonzerte."

Das gefühlte Alter ist jünger

Die durch Anzeigen finanzierte Zeitschrift, zu deren Werbekunden Banken, Reiseveranstalter, Sanitätshäuser, aber auch Computerschulen zählen, liegt unter anderem in Apotheken und Bibliotheken aus, man findet sie bei Ärzten und in der Stadtinformation. Bevor das Heft vor drei Jahren auf den Markt kam, gingen die Herausgeberinnen Ute Vidal und Carola Ostler auf den Marienplatz, um den Arbeitstitel Stadtmagazin 60 plus zu testen.

Ein Herr, den sie nach seiner Meinung fragten, sagte erschreckt "Seh' ich etwa aus wie 60?" zu den beiden. "Er war sicher schon 60 - aber identifizieren wollte er sich mit dem Alter nicht. "Das gefühlte Alter unserer Leser ist ohnehin oft zehn Jahre jünger." Also setzten sie die Altersbezeichnung für ihr Magazin niedriger an - eben bei 55 plus.

Die Herausgeberinnen, die sich auch schreibenderweise einbringen, trennen noch einige Jahre von dieser Zielgruppe: Carola Ostler ist 43, Ute Vidal 47. Der Großteil der Redaktion dagegen, bestehend aus sechs freien Mitarbeitern, liegt grob im Alter der Leser. Lediglich zu Konferenzen trifft man sich in der Redaktion in Gröbenzell; üblicherweise werden die Artikel von zu Hause geschrieben und per Email eingeschickt.

Große Schrift, klare Sprache

Vielleicht liegt es an den günstigen laufenden Kosten, dass das Blatt seit zwei Jahren schwarze Zahlen schreibt; sicher aber auch am erblühenden Markt für Senioren. Kein Wunder, dass die Marktforschung längst schneidige Titel für die ältere Generation ersonnen hat: "Best Ager" heißen sie da, "Master Consumer" oder "Woopie" - letzteres ein Kürzel für "Well off older people".

In der Sprache der Redaktion dagegen haben Anglizismen nichts verloren; die Leser schätzen sie ebenso wenig wie flapsige Wendungen und umständliche Einstiege. "Wir bemühen uns um eine klare, schnörkellose Sprache", sagt Ostler. Außerdem achtet man auf gute Lesbarkeit: Mit einer großzügigen Schriftgröße von elf Punkt und einem üppigen Zeilenabstand.

Die Geschichten sollen "berühren und nachvollziehbar sein". Man versuche stets, "mit Respekt und Sensibilität auf die Bedürfnisse und Lebensumstände der Senioren einzugehen". Wobei sich die Zielgruppe zuweilen uneins ist, in welcher Art die Themen behandelt werden sollten. Nach der Titelgeschichte "Erotik im Alter" meldete sich eine 74-Jährige telefonisch bei Carola Ostler. Der Artikel habe ihr zwar gefallen - jedoch hätten "natürlich die Bilder von hübschen jungen Männern" gefehlt.

© SZ vom 10.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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