Stadiondebatte:Beckenbauer droht mit WM-Entzug

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FC-Bayern-Präsident: Ohne Neubau gibt es kein Spiel / Ude schlägt ZHS-Gelände vor

Alfred Dürr und Berthold Neff

(SZ vom 15.Dezember 2000) - Trotz des Stadtratsbeschlusses, das Olympiastadion für 140 Millionen Mark WM-tauglich umzubauen, läuft jetzt alles auf einen Neubau hinaus. Bei einem Spitzengespräch am kommenden Dienstag, zu dem der FC Bayern München eingeladen hat, wird Oberbürgermeister Christian Ude einen Neubau auf dem Gelände der Zentralen Hochschulsportanlage (ZHS) Süd am Olympiapark vorschlagen, das dem Freistaat gehört.

Dieser Standort war bereits früher im Gespräch, war bisher aber vom Freistaat mit Verweis auf die Erfordernisse des Hochschulsports stets abgelehnt worden. Andererseits hatte Ministerpräsident Edmund Stoiber bereits gefordert, die Stadt müsse jetzt alle Optionen und Alternativen in Sachen Stadion prüfen. Eine Aussage, die Ude so interpretiert, dass nun auch das ZHS-Gelände kein Tabu mehr ist.

Der Beschluss des Stadtrats, das Olympiastadion mit 140 Millionen Mark WM-tauglich umzubauen, war am Mittwoch Abend von Franz Beckenbauer scharf kritisiert worden. "Damit werden sie kein einziges Spiel bekommen", wetterte der Chef des WM-Organisationskomitees, Präsident des FC Bayern München und DFB-Vizepräsident kurze Zeit nach der Abstimmung. Um Münchens Chancen als WM-Standort zu wahren, hatte sich der Stadtrat am Mittwoch nach langer und heftiger Debatte dazu durchgerungen, das Olympiastadion mit 140 Millionen Mark nach den Anforderungen des Fußballweltverbands Fifa umzubauen.

SPD und Grüne, ein CSU-Mann und fünf weitere Stadträte stimmten dafür, während die CSU fast geschlossen einen solchen Umbau ablehnte und für einen sofortigen Neubau plädierte. Beckenbauer sagte in einem Interview mit dem Radiosender Gong 96,3 weiter, es gebe 15 andere Städte in Deutschland, die nur auf ein Signal warteten, um ihr Stadion umzubauen. "Wir brauchen München nicht", sagte der gebürtige Giesinger. Die 140 Millionen Mark könne sich die Stadt sparen: "Das ist zum Fenster hinausgeschmissen."

Er habe dies den Verantwortlichen im Rathaus schon mehrmals gesagt, "aber anscheinend glauben sie mir nicht". Mit genau diesem Modell für einen Stadionumbau nach den Vorschriften der Fifa hatte München allerdings seine erfolgreiche WM-Bewerbung bestritten. Zudem soll - in der Messe in Riem - ein internationales Pressezentrum entstehen. Der moderate Umbau hätte das Stadion als Leichtathletik-Arena erhalten. Es würden lediglich die Gegengerade überdacht und im "Bauch" der Haupttribüne einige Verbesserungen vorgenommen.

Die Vereine hatten keinen Zweifel daran gelassen, dass ihnen diese Variante bei weitem nicht genügt, aber auch mit dem "Konsensmodell", das bei einem Spitzentreffen in der Staatskanzlei vereinbart worden war, mochten sie sich nicht anfreunden. Als dann das Architektenteam um Günter Behnisch einräumte, dass dabei unerwartete technische Schwierigkeiten aufgetaucht seien und auch ein 400 Millionen Mark teurer Umbau aus dem Olympiastadion keinen Fußball-Hexenkessel zaubern könne, war dieses Modell vom Tisch.

Mit dem Stadtratsbeschluss zum WM-tauglichen Umbau des Olympiastadions und Udes Vorschlag, das ZHS-Gelände für einen Stadion-Neubau unter die Lupe zu nehmen, kommt wieder viel Bewegung in die verfahrene Situation. Für das ZHS-Gelände als Areal für eine neue Fußballarena sprechen auf den ersten Blick einige bestechende Argumente: Es liegt nahe am Olympiapark, ohne dass der Neubau den Park beeinträchtigen würde. Die Parkharfe des Olympiastadions könnte mitbenutzt werden. Die Verkehrserschließung ist sehr gut bis nahezu optimal.

Der Freistaat als Grundeigentümer ist selbst an einem Neubauprojekt interessiert. Die bisherigen Aktivitäten auf der Hochschulsportanlage könnten ins Olympiastadion verlagert werden - zu einer Bauruine verkäme das Stadion also nicht. Vermutet wird auch, dass der TSV 1860 München lieber weiter im Olympiastadion spielt als in einem neuen "Kaiserpalast" des FC Bayern. Der Freistaat könnte das Grundstück zur Verfügung stellen, die Stadt würde die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Neubau schaffen und der FC Bayern würde dann als Aktiengesellschaft selbst das Stadion errichten.

Bleibt ein großes Problem: Eine "Verlärmung" des angrenzenden Olympiadorfes und der früheren Olympia-Pressestadt sei praktisch nicht bewältigbar, hatte das Planungsreferat bisher immer festgestellt. Mit massiven Anwohnerprotesten ist also zu rechnen. Die Architekten müssten Vorschläge erarbeiten, wie die Anwohner möglichst wenig beeinträchtigt würden, so Ude. Es müsse jetzt Schluss sein mit den ständigen Aussagen, welche Standorte nicht geeignet seien: "Es wird höchste Zeit für positive Aussagen und rasche Entscheidungen."

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