Sportfreunde Stiller:Das Ende der Unverbindlichkeit

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"Burli", Olympiahalle, Friedens-Einsatz gegen die Sicherheitskonferenz: Die "Sportfreunde Stiller" haben Großes vor.

Interview: Jochen Temsch

Die Sportfreunde Stiller in der Champions League: Ende März erscheint ihr neues Album "Burli" mit gewohnt melodiösem, deutsch betextetem Gitarren-Pop. Ihre zum Teil bereits ausverkaufte Tournee beenden sie am 26. Mai in der Olympiahalle: ziemlich sensationell für den Gitarristen und Sänger Peter S. Brugger, Schlagzeuger Florian Weber und den Bassisten Rüdiger Linhof - drei nette Münchner von nebenan, die sich ihr Publikum ohne großes PR-Tamtam mit künstlerischer Integrität erspielt haben.

Kommenden Freitag treten die Sportfreunde beim Planet-Peace-Festival gegen die Sicherheitskonferenz im Backstage auf. Unter anderem mit Crash Tokio, Monostars , Sorgente und Zoe. (Friedenheimer Brücke 7, 19 Uhr.)

SZ: Wie geht's dem "Burli"? Linhof: Er ist gesund und kräftig, ab und zu ekelhaft und widerspenstig.

SZ: Wie der Albumtitel? Linhof: Ja, der Titel ist eigentlich schon voll hart. Er ist aus Ratlosigkeit entstanden. Wir haben das Album intern immer "unser Kleiner" genannt. So haben wir es dann eben auch getauft.

SZ: In Internet-Foren wird bereits kontrovers darüber debattiert. Schlimm, wenn Euch jemand nicht leiden kann? Linhof: Man kann uns schon auch blöd finden. Aber wir haben erst mal lernen müssen, damit zu leben. Beim vorherigen Album "Die gute Seite" hatten wir das erste Mal so richtig schlechte Kritiken. Das tat weh. Jetzt sind wir da durch und können Kritik als gute und produktive Sache ansehen.

SZ: Seid Ihr vielleicht so nett, dass es manche schon wieder seicht finden? Linhof: Jeder kann seicht sein. Und cool. Es kommt darauf an, ein gutes Verhältnis zwischen beidem zu haben.

SZ: Es bleibt also beim bewährten Sportfreunde-Konzept? Linhof: Wir klingen härter, kräftiger, dynamischer. "Die gute Seite" hat leise nicht gut geklungen, man musste sie laut hören. "Burli" kann man auch leise hören. Außerdem haben wir uns intensiver mit den Texten beschäftigt.

SZ: Seid Ihr nachdenklicher geworden? Linhof: Ja. Da spielt das vergangene Jahr eine Rolle. Wir hatten es nicht leicht, dieses Album zu machen. Es gab sehr großen Druck von der Plattenfirma. Wir haben uns dadurch auf uns und was uns wichtig ist besonnen. Zum anderen ist die politische Situation so extrem.

SZ: Inwiefern? Linhof: Man merkt mehr und mehr, dass Kriege ein Alltagsmittel werden. Dass es ein Krisenmanagement gibt, das nur noch auf einer Kriegslogik aufbaut. Da bekommt man so einen Drang, eigene Lösungswege zu entwerfen.

SZ: Zum Beispiel? Linhof: Das Geld, das man jetzt in die Truppen im Irak investiert, könnte man auch in die medizinische Versorgung von Drittwelt-Ländern stecken, in Schulbildung und alles Mögliche. Stattdessen wird ein ganz anderer Kreislauf in Gang gesetzt - eine Logik, die ich einfach schrecklich finde und verachte.

SZ: Deshalb auch der Auftritt bei Planet Peace? Linhof: Ja. Es wird in letzter Zeit immer schwerer, sich unverbindlich zu verhalten. Ich freue mich darauf, dass wir vielleicht eine Gegendynamik mit entwickeln helfen können. München ist sowieso keine Stadt, die für ihre kritische Haltung bekannt ist. Zumindest im Mainstream gibt es keine besondere Protesthaltung.

SZ: Wie nicht-mainstreamig, also independent seid Ihr eigentlich noch? Linhof: Ich sehe den Begriff "Independent" nicht als Markenzeichen. Ich sehe bei Indie-Bands ein besonderes Herz, eine besondere Leidenschaft, eine Authentizität, einen Individualismus. Ich fände schön, wenn auch der Mainstream nicht durch Unverbindlichkeit gekennzeichnet wäre, sondern durch eine kritische Gesellschaft.

SZ: Also gibt es keinen Widerspruch zwischen erfolgreich und independent sein? Linhof: Es geht um die Frage glaubhaft oder nicht glaubhaft - aber was heißt schon wieder glaubhaft? Kritik am Erfolg ist oft Nachgetrete von Leuten, die keinen Erfolg haben und deshalb wenigstens die Moral für sich beanspruchen wollen. Das finde ich heuchlerisch. Wenn man viele Leute anspricht, stößt man auf viel Widerspruch. Man muss halt schauen, dass man in der Summe der Entscheidungen doch noch einen guten Weg findet. Mit der Musik, an die ich glaube, will ich möglichst viele Leute erreichen.

SZ: Wird die Olympiahalle voll? Linhof: Auf jeden Fall wird es ein super schöner Abend. Wenn nur 200 Leute kommen, bauen wir eben einen kleinen Club in die Halle.

SZ: Bleibt Ihr da wirklich so cool? Linhof: Es ist schon Wahnsinn, dass wir in solchen Maßstäben denken und in der Olympiahalle spielen können. Aber ich sehe mich jetzt nicht als einen total erfolgreichen Typen. Wir sind immer noch die gleichen peinlichen Nerds. Eine Tour, auf der man fünf Wochen lang einem wilden Chaos und verspulten Zeug ausgesetzt ist, verändert mich nicht als Mensch. Lange Zeit war für uns ein Erfolg, dass überhaupt Leute zu Konzerten gekommen sind.

SZ: Wie erklärt Ihr Euch, was mit Euch passiert ist? Linhof: Es gibt Leute, die uns hören wollen, die unterstützen uns, das ermutigt andere Bands, und so schiebt sich das immer mehr gegenseitig an. Musik ist nicht nur ein Produkt, sondern Kunst. Und Kunst ist dafür da, einen lebendigen Geist in der Gesellschaft zu schaffen.

SZ: Ist das auch eine Zauberformel zur Rettung der Plattenfirmen? Linhof: Natürlich könnte es sie retten. Aber sie denken nicht so. Eine Band besteht aus der Hoffnung auf Erfolg. Eine Plattenfirma besteht aus guten Quartalszahlen. Große Plattenfirmen sind zu unkreativ und zu feige, neue Konzepte für Produktion und Vertrieb zu entwickeln. Daran werden sei zugrunde gehen.

SZ: Es heißt, Eure Fans lieben Euch so sehr, dass Sie Eure CDs lieber kaufen als brennen - stimmt das? Linhof: Das weiß ich nicht. Aber manchmal kommt einer zu mir und will ein Autogramm auf einen Rohling. Ich tue dem Typen dann den Gefallen, denke aber: "So ein Idiot." Mich freut es ja, dass jemand unsere Musik hört, aber ich finde es schade, dass die Bereitschaft abnimmt, dafür zu bezahlen. Wenn sich jemand unsere CD brennt, dafür aber wenigstens Campus, Cosmic Casino oder Tomte kauft - okay. Ich habe mir früher auch Tapes mitgeschnitten. Aber ich kann doch auch mal was in Kultur investieren. Man muss nicht bei jedem Club versuchen, gratis durchs Toilettenfenster einzusteigen.

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