Spielberater Nickl im Gespräch:"Ein geiler Job"

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Spielerberater Berthold Nickl über das Image seines Berufsstands, Philosophie im Sport und die Gründe, wieso er seinen Traumjob gefunden hat.

Ralf Tögel

Berthold Nickl sitzt in einem Café in Memmingen. Tiefenentspannt, so sagt er selbst. Ständig klingelt sein Telefon, er muss sich um das verschwundene Gepäckstück eines Klienten kümmern, einen verletzten Kicker beruhigen, Termine koordinieren. Nichts kann ihm die Laune verderben, der 38-Jährige ist in seinem Element. Nickl ist Spielerberater, arbeitet seit fünf Jahren in einer großen Vermittlungsagentur für Fußballer. Im Gespräch mit Ralf Tögel erklärt er, warum das sein Traumjob ist.

Berthold Nickl: "Fußball macht auch bessere Menschen." (Foto: Robert Haas)

SZ: Sie wirken gut gelaunt, wie gehen die Geschäfte?

Nickl: Meine Laune hängt nicht wirklich vom momentanen wirtschaftlichen Erfolg ab. Es ist, wie in jedem anderen Beruf auch: Einsatz und Ergebnis hängen meist unmittelbar voneinander ab.

SZ: Gratuliere zu Ihrem Beruf.

Nickl: Na klar, es gibt die landläufige Meinung, Spielerberater kaufen Fußballer ein, verkaufen sie wieder und stopfen sich dabei die Taschen voll. Wenn das möglich wäre, dann hätte ich deutlich mehr Kollegen.

SZ: Wie sieht die Realität aus?

Nickl: Wir arbeiten als Unternehmen in drei großen Geschäftsbereichen. Dem Vermittlungsgeschäft, das betrifft vor allem Spieler in der 1. und 2. Bundesliga, dem Abwickeln internationaler Transfers und drittens der Entwicklung und Förderung junger Talente.

SZ: Letzteres ist Ihr Fachgebiet - ein umkämpfter Markt?

Nickl: Wie jeder attraktive Markt ist auch der Wettbewerb um Talente groß.

SZ: Wie wird man erfolgreich?

Nickl: Ein gutes Netzwerk ist alles. Es gibt 36 Lizenzklubs, also 36 Manager, dazu Trainer und Vereinsrepräsentanten, etwa zehn bundesweit agierende Agenturen und 30 bis 40 Spielerberater. Das ist ein überschaubarer Markt, da kannst du dir nichts erlauben. Der ganze Fußball in Deutschland ist ein Dorf mit weniger als 1000 Einwohnern. In einem Dorf kennt man sich. Sich in diesem Fußballdorf jahrelang Vertrauen aufzubauen, das ist letztlich die Geschäftsgrundlage.

SZ: Wie darf man sich die Arbeit eines Spielerberaters vorstellen, was machen Sie eigentlich den ganzen Tag?

Nickl: Die Arbeit ist einerseits wahnsinnig vielfältig und bunt, andererseits ist sie unberechenbar und voller Überraschungen. Die Pflege des Netzwerks steht täglich auf dem Plan. Die Moderation von Förderprozessen, Sichtungsaufgaben im regionalen und nationalen Fussballgeschehen, die Betreuung verletzter Spieler und Rehabilitanten, Pressearbeit. Aber auch die Vor- und Nachbereitung von sportlichen Ereignissen gemeinsam mit Spielern. Eine reguläre Arbeitswoche hat 60 bis 80 Arbeitsstunden.

SZ: Bereiche, die eigentlich den Verein angehen.

Nickl: Wir mischen uns da nicht ein, bieten aber Unterstützung an, wenn gewollt.

SZ: Also eine Zusammenarbeit mit den Vereinen?

Nickl: Natürlich. Der sportliche Erfolg ist nur im Miteinander möglich. Auch wenn wir natürlich - gerade bei Vertragsgesprächen - klar die Interessen des Spielers vertreten.

SZ: Sie versuchen also, möglichst viel für den Klienten rauszuholen.

Nickl: Wir vertreten die Interessen unserer Klienten, bereiten den Abschluss von Verträgen vor, bringen Spieler und Vereine zusammen und wickeln Transfers ab. Dabei ist aber das pekuniär attraktivste Angebot nicht immer das für die Entwicklung des Spielers geeignetste. Wir sind eine Agentur, die vom DFB dafür lizenziert wurde, Spieler bei Vertragsverhandlungen zu vertreten.

SZ: Wie generieren Sie Ihr Klientel?

Nickl: Wir haben ein eigenes Scouting-System, beobachten die Bundesliga der U19 und U17 sowie die U15-Regionalliga. Inzwischen passiert es aber immer öfter, dass ich einfach angesprochen und auf Spieler hingewiesen werde.

SZ: Und Ihnen ein neues Supertalent angeboten wird.

Nickl: Genau, alle spielen wie Messi, Ronaldo oder Schweinsteiger: Fußball kennt eben keine Objektivität, außer in der Tabelle. Wir schauen uns die Spieler an, ich informiere mich. Wieder ist das Netzwerk das Wichtigste. Wenn wir von einem Spieler überzeugt sind, dann sprechen wir mit den Eltern und Spielern und bieten unsere Dienste an.

SZ: Das Verhältnis Spielerberater und Verein ist doch eher ein belastetes.

Nickl: Die Vereine schätzen gute Agenturen und umgekehrt. Aber Sie haben Recht, jeder Klub hat schon schlechte Erfahrungen gemacht.

SZ: Worunter Ihre Arbeit leidet.

Nickl: Da ist in den letzten Jahren ein immenser Schaden angerichtet worden. Jeder x-Beliebige kann sich eine Visitenkarte drucken, auf der Spielerberater steht. Oft wird mit unrealistischen Versprechungen und wenig fundiertem Halbwissen agiert. Leider finden gerade solche Hasardeure immer - wenn auch meist nur kurz - ihre Zielgruppe im Spielerkreis.

SZ: Die, sagen wir mal, intellektuell unbeweglichen? Ein Klischee sagt, dass das für die meisten Fußballer zutrifft.

Nickl: Gegenfrage: Sind alle Journalisten manipulativ? Fußball ist ein über alle Gesellschaftsschichten hinausreichendes Phänomen. Die Faszination liegt darin, dass der Einser-Abiturient und der Sonderschüler zusammen erfolgreich sein können. Du brauchst sogar unterschiedliche Typen: den nachdenklichen Strategen und den unreflektierten Draufgänger.

SZ: Was tun Sie gegen die schwarzen Schafe Ihrer Zunft?

Nickl: Transparent, anständig und kompetent arbeiten. Und den persönlichen Kontakt suchen und pflegen, um sich so Vertrauen zu verdienen.

SZ: Das funktioniert in der öffentlichen Wahrnehmung nur bedingt.

Nickl:Da halte ich es mit Augustinus (Theologe und Philosoph der christlichen Spätantike, d. Red.): Ändere, was änderbar ist, ertrage, was nicht zu ändern ist, und lerne das eine vom anderen zu unterscheiden.

SZ: Sie sind mittlerweile seit fünf Jahren dabei, macht es Ihnen noch Spaß?

Nickl: Es ist ein geiler Job, ich möchte nichts anderes machen.

SZ: Weil man reich wird?

Nickl: Sie können noch zehnmal fragen, ich werde über Geld nicht reden. Nur so viel: Ich bin fest angestellt.

SZ: Warum dann?

Nickl: Das Faszinosum meiner Arbeit ist es, Menschen zu begleiten, die sich entwickeln wollen. Ich bin kein Lehrer, der den Kasper machen muss, um jemanden zu erreichen. Oder ein Streetworker, der nur schauen kann, dass seine Leute saubere Kanülen nehmen. Allen Kollegen in diesen Berufsfeldern gilt mein tief empfundener Respekt. Meine Klientel will, das ist der große Vorteil. Und für mich die Antriebsfeder.

SZ: Sagen Sie jetzt aber nicht, dass Sie keine Rückschläge erleben.

Nickl: Natürlich. Es gehört dazu, dass man ab und zu feststellt, dass man einer Fehleinschätzung erlegen ist. Dann ist es besser, der Junge macht etwas anderes.

SZ: Und Sie sind der Gutmensch, der es dem Jugendlichen schonend beibringt und damit auf Rendite verzichtet.

Nickl: Aus einem einfachen Grund: Wer nur die Wirtschaftlichkeit verfolgt, der wird scheitern. Du kannst dem Getreide nicht beim Wachsen helfen.

SZ: Sie werden schon wieder philosophisch.

Nickl: Fußball hat zutiefst mit Philosophie zu tun. Der Homo ludens (lat. der spielende Mensch, d. Red.) wurde bereits von den Philosophen der Antike beschrieben. Außerdem habe ich Philosophie und Sozialpädagogik studiert - und ein bisschen Theologie. Und dieser Drang zum Transfer ist ein Faible von mir.

SZ: Daher die Hingabe bei der Arbeit mit Jugendlichen?

Nickl: Mich fasziniert die Entwicklung des Individuums. Welche Kraftanstrengungen die vielgescholtenen jungen Menschen auf sich nehmen, um besser zu werden. Auch Jugendliche und junge Erwachsene, die auf diesem Weg ihr Ziel, Fußballprofi zu werden, nicht erreichen, gewinnen durch diesen Entwicklungsprozess.

SZ: Sie meinen Tugenden wie Disziplin?

Nickl: Der Drill-Gedanke und das Proklamieren von Sekundärtugenden greift da zu kurz. Mit Fußball kann man lernen, strukturiert ein Ziel zu erreichen. Man braucht eine Mischung aus Leidenschaft und Disziplin, aus Intellekt und Intuition. Fußball macht auf diese Weise auch bessere Menschen.

SZ: Wie bitte? Ist das Ihr Ernst?

Nickl: Aber sicher. Der Fußball hat eine Plattform besetzt: den Kindheitswunsch zu verwirklichen, der in den meisten Jungen wach ist. Die, die das nicht schaffen, profitieren trotzdem. Fußball hat einen biografischen Mehrwert.

SZ: Eine Frage muss noch sein: Wie gut spielen Sie Fußball?

Nickl: Oh Gott, ich habe zwei linke Füße und zehn große Zehen und mich bislang darauf beschränkt, zur Belustigung Dritter zu kicken. So wird's auch bleiben. Aber ich habe nirgends auf der Welt so viele faszinierende Originale kennengelernt wie auf und neben den Fussballplätzen. Deshalb kann ich meine Verurteilung zur sportlichen Passivität verschmerzen.

© SZ vom 09.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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