Bowling-WM in Unterföhring:Ölmuster und stilles Wasser

Lesezeit: 4 min

Ein Maskottchen ohne Hose, kein Alkohol, aber großer Sport: In Unterföhring läuft noch bis Samstag die Bowling-WM der Herren. Auch Exoten sind dabei.

Florian Fuchs

Tendenziell sieht das aus wie ein PR-Gau: Maskottchen Kebowlino hat keine Hose. Das hatten ja schon die Fußballer vergeigt bei der Weltmeisterschaft 2006, Löwe Goleo, der war unten rum auch unbekleidet. Kewbolino allerdings ist rund, rot und knuffig, hat riesige weiße Augen und ein breites Zahnpasta-Grinsen. Mit dem Designer müsste man zwar trotzdem noch ein paar Takte sprechen, Kewbolino hat nicht nur orange Füße und Arme, auch die Augenbrauen leuchten in knalliger Farbe, ansonsten aber wird doch recht schnell klar: Der Stoffball ist eine Bowlingkugel. Und welche Bowlingkugel trägt schon Hosen. Es läuft also alles in geordneten Bahnen bei der ersten Bowling-Weltmeisterschaft in Deutschland seit 50 Jahren.

Das Überraschungsteam bei der Trio-Wertung der Bowling-WM: Die Mexikaner rissen die Zuschauer von den Sitzen. (Foto: Claus Schunk)

Das Maskottchen ist deshalb auch eher ein Randaspekt im Dream-Bowl Palace in Unterföhring, dem größten und modernsten Bowling-Center Europas, das erst seit Dezember 2009 geöffnet hat. 52 Bahnen sind hier nebeneinander aufgereiht, das sind Dimensionen, die man sonst nur aus Asien oder Las Vegas kennt. Zur Weltmeisterschaft haben 66 Nationen gemeldet, Ägypten allerdings musste doch noch absagen, die Teams der Dominikanischen Republik und der Mongolei sind nicht eingetroffen.

Dafür sind die Bahamas vertreten und Gibraltar ebenfalls, das zählt schon auch mal als Nation. Die Veranstalter haben aus Stahlrohren Tribünen aufgebaut, 800 Besucher passen in die Halle, 500 Sitzplätze gibt es und seit Start der WM vor einer Woche ist es auch immer gut voll. Bei den Finals des Trio-Wettbewerbs - Mannschaften mit drei Spielern treten gegeneinander an - am Mittwochabend gibt es unter Fans und Spielern hauptsächlich ein Thema: Es ist nicht Maskottchen Kewbolino, es ist das Ölmuster.

Der Laie ist da schnell verwirrt. Ölmuster? Die Halle ist im Dubai-Stil eingerichtet. An den Seitenwänden sind Scheichs aufgemalt mit Falken auf dem Arm, Kamelen am Zügel und Ferraris auf dem Parkplatz. Aber Ölmuster? "Keine Ahnung, kann ich nichts damit anfangen", sagt Michael. Er hat zwar auch schon mal gebowlt, aber das war anderes Niveau als hier bei der Weltmeisterschaft. Wenn Michael bowlt, dann trinkt er ein Helles, und wer verliert, der gibt einen Schnaps aus. Deshalb hat er sich auch schnell in den ersten Stock des Dream-Bowl Palace verzogen, da oben gibt es Bier, unten dagegen, wo gespielt wird, herrscht striktes Rauch- und Alkoholverbot. "Stilles Wasser", sagt der Barkeeper unten, "das ist hier der Renner."

Auf das mit dem Bier und dem Schnaps ist Gisela Göbel nicht so gut zu sprechen. Göbel ist Pressereferentin der Deutschen Bowling Union, und ein Theken-Image will sie sich ihrem Sport nicht andichten lassen. Aber jetzt ist erst einmal Helmut Amstätter gefragt, der Nationaltrainer der Österreicher. Der Mann ist schon viel herumgekommen, er hat Turniere gespielt auf dem ganzen Erdball - und er weiß, was ein Ölmuster ist. "Die Topographie der Bahn", sagt er, bevor er merkt, dass er ein wenig konkreter werden sollte.

Vor jedem Turnier wird ein spezieller Untergrund für die Bahn ausgesucht, und dieses Ölmuster wird dann von Maschinen aufgetragen. Ein Muster ist schneller, das andere ist griffiger, und das hier in Unterföhring, das ist "einfach sauschwer" zu spielen. Die Österreicher kommen überhaupt nicht damit zurecht, sie haben noch gar nichts gerissen bei dieser WM, dabei haben sie sich vorher extra von einem Bowling-Profi aus den USA beim Training helfen lassen. "Ist halt doch eher eine Wintersportnation", scherzt Göbel und grinst schelmisch.

Chinese Taipei, die taiwanische Mannschaft, kämpft mit ähnlichen Problemen. Asiaten sind neben den US-Profis eigentlich die Könige des Bowlingsports, Taiwan steht immerhin im Halbfinale, gegen Mexiko sieht es jetzt aber nicht gut aus. Vor allem Wu wird nicht so recht warm mit dem Untergrund.

Er befolgt einen exakten Bewegungsablauf, der linke Fuß zuerst, fünf Schritte, dann das rechte Knie beugen, den Ball aufsetzen, mit dem linken Bein rutscht er elegant über den Boden, die rechte Wurfhand pendelt aus, der Ball schießt in einem rechten Bogen auf die Pins zu. Nach dem sechsten Frame jedoch, da liegen die anderen schon bei weit über 100 Punkten, krebst Wu immer noch bei 84 herum. "Da kann ich auch noch mitschussern", murmelt einer auf der Tribüne.

Die Zuschauer halten sich allgemein eher zurück, gedämpfte Kommentare sind die gängige Ausdrucksform. Hier gibt es keine Schlachtgesänge wie im Fußballstadion oder exzessives Partyvolk wie beim Dartsport, das immer im Sportfernsehen übertragen wird. Die Schweden haben die vergangenen Tage Party gemacht in der Halle, aber vor dem Wurf eines Spielers ist es generell still, der Konzentration wegen. Fallen alle zehn Pins, ist also ein Strike geschafft, hört man mal ein "Yeah" von den Rängen oder mal kurzen Jubel, große Emotionen sind dabei.

"Bei Turnieren in den USA ist es lauter", weiß der deutsche Nationalspieler Michael Holzapfel. Da sind die Tribünen um die Bahnen herum gebaut und stehen nicht nur frontal hinter den Spielflächen wie in Unterföhring. "Da spielen die Amis auch mehr auf Show", sagt Holzapfel, man kann das in Videos auf YouTube im Internet sehen, "dann tänzeln sie mal zur Seite oder feuern mit den Armen das Publikum an."

Richtig laut in der Unterföhringer Halle wird es am Mittwochabend nur einmal, als dem Mexikaner Franco ein unglaublicher Wurf gelingt. Drei Pins stehens noch, zwei halblinks, einer ganz rechts außen. Franco wirft, der Ball trifft den vorderen linken Pin, der schleudert gegen den rechts außen und der schießt gegen die Bande und zurück in die Mitte und haut den dritten um. Jetzt stehen sogar ein paar Fans, "fantastic", brüllt ein kanadischer Spieler, der schon lange ausgeschieden ist, und selbst die Gegner aus Taiwan klatschen den Mexikaner ab.

Es sind diese Würfe, wegen denen auch Franz Hergenröder gekommen ist. Er hat selbst 20 Jahre in einem Verein gespielt und schaut den Profis gerne zu, die im Schnitt 220 bis 230 von 300 möglichen Punkten werfen. Er würde sich wünschen, dass die Spielstände auf mehr Monitoren in der Halle übertragen würden und ein bisschen mehr Stimmung hätte er auch gerne. Bei nationalen Turnieren zum Beispiel, wo es kein Alkoholverbot gibt, da "herrscht ein richtiger Lärmpegel, das ist schon toll".

Am Mittwochabend bleibt es ruhig, das Finale ist auch nicht so spannend, das Überraschungsteam aus Mexiko ist den Profis aus den USA klar unterlegen. Aber die nächsten Tage, bei den Team- und den Mastersfinals, den Höhepunkten der WM, da sind sich alle sicher, wird es bestimmt noch einmal richtig laut. Und da wollen dann auch die Österreicher noch einmal angreifen. Trotz des Ölmusters.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bowling-WM in Unterföhring
:Viele Bahnen, schwere Bälle

Über 60 Nationen, 52 Bahnen, die größte Bowling-Halle Europas - in Unterföhring läuft zur Zeit die Bowling-WM der Herren. Favoriten sind die USA. In Bildern.

Florian Fuchs
Jetzt entdecken

Gutscheine: