1. Bundesliga Kegeln:Unter der Säbener Straße

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Wenig Zuschauer, kaum Nachwuchs: Der Kegel-Erstligist Alt-München bietet ein Kontrastprogramm zum großen FC Bayern.

Florian Haas

Rückblende, Samstag. 69 000 Zuschauer sehen eine bekannte Münchner Fußballelf. Gleichzeitig beobachten neben dem Trainingsareal jener Fußballer zehn Zuschauer eine etwas weniger bekannte Münchner Kegelmannschaft. Gewiss: Kegeln ist nicht Fußball, Kugel nicht gleich Kugel, Bundesliga nicht gleich Bundesliga. Dennoch: Wer sich im Münchner Erstliga-Universum gegen den ausverkaufte Arena-Planeten und für den fast menschenleeren Kegelbahntrabanten im Keller an der Säbener Straße entscheidet, der wird - überrascht.

Der Kegel-Erstligist Alt-München bietet ein Kontrastprogramm zum großen FC Bayern. (Foto: ddp)

Freie Parkplätze! Keine Ordner! Kein Eintritt! Top-Blick, nette Bedienung, Sitzplatzgarantie. Mehr Sportler als Fans, kaum Frauen. Ein Gartenzwerg. Ja, doch: Auf einem der 30 Wirtshausholztische vor einer der gut ein Dutzend Kegelbahnen steht eine fast nackte und von Ästhetik ganz befreite Gartenzwergdame zwischen zwei Weißbiergläsern. Es ist der Tisch, von dem aus Spieler der zweiten Mannschaft des SKK Alt-München das Wurfwerk der Kollegen auf den äußeren Bahnen akustisch begleiten. Wenn einer acht oder neun Kegel abfegt, hallt es laut "Hasta la vista" und "Holz, Holz, Holz". In der Mitte ist es leise. Spieler in Trainingsanzügen begrüßen einander ernst, rücken konzentriert Schweißbänder zurecht, trocknen sorgfältig Kugeln, greifen zu weißbierfernen Isoton-Getränken. Die elektrischen Anzeigen am Ende der im Kunstlicht glänzenden blauen Bahnen werden über Laptops aktiviert. Dann, plötzlich, ohne Show, ohne Pfiff, einfach so, beginnt der dritte Spieltag in der Bundesliga zwischen dem SKK Alt-München und VKC Eppelheim.

Das einzige Großstadtteam der Zehnerliga trifft nach dem Auftaktsieg gegen Mutterstadt und der Folgepleite in Walldorf auf den Titelkandidaten aus Baden. Der SKK wurde vorige Saison Sechster, will auch diesmal nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Das dürfte machbar sein, sagt Trainer Hans Engelhart. Er sagt auch, dass man junge Spieler benötige.

Tatsächlich wirkt das Spiel wie ein Generationenduell: Der Sportkegelklub hat Alter und Routine, Eppelheim Jugend und Athletik. Für den SKK starten auf Parallelbahnen Michael Altmann und Werner Stössel. Altmann räumt maschinengleich die Kegel ab. Bei seinen 200 Würfen schafft er mehr als 1000 Holz, das ist gut. Stössel - derzeit beruflich stark gefordert, wie ein tabakschnupfender Zuschauer weiß - packt mit seiner knallorangen Kugel trotz Dauerunterstützung eines treuen Fans ("Auf geht's, Werner") nur 949 Holz. Auch Dietmar Gäbelein, Lothar Simbürger, Mario Listes, Mario Cekovic und Steffen Engel können ihre Duelle nur teilweise offen gestalten, einzig Gäbelein und Altmann knacken die 1000 Holz, beim Gast schaffen das vier von sechs Spielern. Eppelheim siegt ungefährdet mit 6073:5819, Der SKK ist nun Drittletzter.

Es läuft noch nicht in der Saison. Engelhart sagt: "Uns fehlt die Kompaktheit. 1000 Holz schaffst du nur, wenn du topfit bist. Und man muss im Kopf frei sein. Das Wichtigste ist Konzentration."

Zweimal die Woche ist Training; zudem absolviert jeder Alt-Athlet Kraft- und Ausdauertraining. Anders kann man in der Liga nicht bestehen. Sagt der Trainer. Sieht jeder. Kegeln ist anstrengend. Echter Sport. Nach 100 Würfen in die Vollen und 100 Abräumwürfen, nach den gut 90-minütigen Zweikämpfen ist jeder Spieler erschöpft und verschwitzt. Insgesamt dauert der Spieltag fast fünf Stunden. Der SKK ist der konstant stärkste der gut 50 Münchner Kegelklubs. Seit 20 Jahren spielt er fast durchgehend in der höchsten Klasse - obwohl Sponsoren rar sind, Nachwuchs fehlt, Reisekosten eine fünfstellige Summe ergeben, der Dachverband MKV Gebühren für die Bahnnutzung verlangt und Heimspiele kein Geld einbringen. Dass es eine Konkurrenzliga gibt, in der jeder Spieler 120 Würfe schiebt, gefällt dem Weltverband, der das kürzere System propagiert, nicht aber traditionsbewussten Anhängern.

Weil auch die unterklassigen Klubs samstags spielen, fehlen mögliche Zuschauer. Ernst Pichler, seit 25 Jahren SKK-Manager, hofft auf eine Verlegung der Bundesligaspiele auf Sonntag. Auch Alfred Altmann, seit 29 Jahren MKV-Vorsitzender, sieht hier Handlungsbedarf - zumal das attraktivere Bowling die Jugend anziehe, es weniger Quereinsteiger gebe als früher, Fußballer im reifen Alter nicht mehr so oft wie früher zum Kegelsport wechselten.

Die Bundesliga ist zu Ende. In Fröttmaning. An der Säbener Straße. Ein Plakat verweist auf verbleibende Vorrundenheimspiele: Am 13. November kommt Weida, am 4. Dezember Mörfelden. Unten auf dem Plakat steht: "Wir freuen uns auf zahlreichen Besuch."

© SZ vom 29.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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