Sperrbezirksverordnung:Schichtbetrieb im Sexgeschäft

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Der Vorschlag des grünen Bürgermeisters Hep Monatzeder, die Sperrbezirksverordnung zu lockern, wird quer durch alle Parteien befürwortet. Den Prostituierten würde es die Arbeit erleichtern.

Von Monika Maier-Albang

In der U-Bahn würde Katharina nicht auffallen. Dezent geschminkt, schickes Top mit nicht zu offenherzigem Ausschnitt. Strass-Kreuz auf brauner Haut. Dass sie seit 20 Jahren "im Geschäft" ist, sieht man ihr nicht an. So wie man auch die Vorstellung vom Schmuddelsex am Straßenrand schnell über den Haufen wirft nach einem Gespräch mit Katharina.

Verheiratet ist die forsche 40-Jährige, und sie steht auf dem Standpunkt, dass sie halt einem etwas ausgefalleneren Job nachgeht als andere Frauen. "Dienstleistung" nennt sie ihre Arbeit. Und alles, was sie will, ist, "dabei in Ruhe gelassen zu werden".

Für eine Lockerung der Sperrbezirksverordnung hat sich Anfang der Woche der grüne Bürgermeister Hep Monatzeder ausgesprochen - und er findet Unterstützung quer durch alle Parteien, wenn auch in der CSU sehr verhalten.

Nach Monatzeders Vorstellung sollen Prostituierte ihre Kunden künftig auch in Hotels und Wohnungen innerhalb des Sperrbezirks besuchen dürfen. Außerdem sollen sie in einigen der so genannten Toleranzzonen - darunter fallen etwa Teile der Zamdorfer Straße, der Landsberger Straße, der Hansastraße, der Friedenstraße, der Schäftlarnstraße oder der Freisinger Landstraße - das Geschäft nicht nur anbahnen, sondern tatsächlich ausüben dürfen.

Dies käme in weiten Teilen einer Legalisierung dessen gleich, was faktisch ohnehin passiert, sagt Simone Ortner von Mimikry, der "evangelischen Beratungsstelle für anschaffende Mädchen und Frauen". Mit dem Unterschied allerdings, dass die Prostituierten bislang vom Wohlwollen einzelner Polizisten abhängig sind. Und da gibt es immer wieder Stimmungsschwankungen.

Wenn das Auto wackelt

Katharina arbeitet, unter anderem Namen, in einer solchen "Toleranzzone": Sie ist eine von rund 40 Frauen, die an der Ingolstädter Straße im Schichtbetrieb stehen. Jede hat ihren Jeep oder Van mit getönten Scheiben dabei. Die Autos parken auf einem hinter Bäumen und Sträuchern verborgenen Schotterplatz. Wer wolle, könnte natürlich durchs Grün hindurch etwas erahnen, "wenn das Auto wackelt", sagt Katharina lachend.

Aber die Frauen hätten selbst kein Interesse an Spannern; und wenn Halbwüchsige sich die Ferien damit zu vertreiben suchten, ein paar Blicke zu erhaschen, würden sie verscheucht mit einem deftigen "Schleichts eich!". Das Ausübungsverbot hier mit "Jugendschutz" zu rechtfertigen sei also "unsinnig", argumentiert Katharina.

Alle Frauen an der Ingolstädter Straße arbeiten bewusst ohne Zuhälter oder Vermieter, denen sie Geld abgeben müssten. "Ich bin hier mein eigener Chef", sagt Katharina. Für sie sei es undenkbar, zu einem Freier ins Auto zu steigen. Damit wäre zwar dem Gesetz Genüge getan, die Frau aber hätte nicht die Sicherheit, die der Parkplatz mit den wachsamen Kolleginnen bietet.

Andererseits komme das Angebot an der Straße auch vielen Freiern entgegen, die es "flott, flott", günstig und anonym haben wollen. "Und es ist doch besser, die Männer kommen zu uns, als dass sie mit Osteuropäerinnen rumbumsen, die das nicht freiwillig tun."

Kunden, die zu Katharina an den Straßenstrich kommen, müssen allerdings damit rechnen, von einer Zivilstreife abgefangen zu werden. Danach. Oder in flagranti, wenn die Beamten die Autotür öffnen. Beides schadet dem Geschäft.

Für die Prostituierten bedeutet eine Anzeige obendrein eine Ordnungswidrigkeit und 250 Euro Strafe. Hart erarbeitetes Geld, wenn man pro "Stich" 30 Euro aufwärts bekommt - je nachdem, was die Kunden wollen. Und angesichts einer wachsenden Konkurrenz von "Massage-Salons" und "Hausfrauen", die ihre Dienstleistung mitten in der Stadt offerieren.

Die, meint Katharina, kontrolliere niemand. Wenn aber bei ihnen eine Frau drei Mal innerhalb eines Jahres erwischt wird, gilt sie wegen "beharrlichen Zuwiderhandelns" als vorbestraft und kann mit Berufsverbot belegt werden.

"Die Kontrolle der Anbahnungszonen hat bei uns aber keine Priorität", sagt Peter Schillinger, Leiter des für Prostitution zuständigen Kommissariats 132. "Wir haben kein Interesse, die Damen zu schikanieren." Seit Januar gab es je zwölf Kontrollen in der Freisinger Landstraße und in der Ingolstädter Straße, denen aber nur zwei Anzeigen folgten.

Von einer Auflockerung der Sperrbezirksverordnung hält man bei der Polizei dagegen wenig. "Die Regelung hat sich sicherheitspolitisch bewährt", sagt Schillinger. Würden die Sitten wieder lockerer, sei ein Anstieg der szenetypischen Kriminalität zu befürchten - zum Beispiel, dass Freier bestohlen werden und der Drogenkonsum zunimmt. "Wenn wir das Anschaffen legalisieren, könnte es so attraktiv werden, dass die Verteilungskämpfe der Achtziger wieder aufflammen, als sogar Wohnmobile brannten."

Früher, räumt Katharina ein, sei es tatsächlich rauer zugegangen an der Ingolstädter Straße. In ihren ersten Arbeitsjahren war der Beischlaf im Camper so lukrativ, dass sich bis zu 200 Prostituierte auf dem Platz drängten, was zu Verteilungskämpfen führte.

Auch lockte das Ambiente offenbar mehr gewalttätige Freier an, die ihrerseits von den Damen auch mal Schläge einsteckten. Dass sich die Zustände von damals wiederholen könnten, befürchtet Katharina allerdings nicht. "Wir sind keine jungen Wilden mehr."

Nun hoffen die Frauen von der Ingolstädter wenigstens auf eine "Probezeit", in der eine Legalisierung getestet werden könnte. Zu den praktischen Wohnmobilen, aus denen sie Anfang der 80er-Jahre vom damaligen Kreisverwaltungsreferenten Peter Gauweiler vertrieben wurden, führt kein Weg zurück, das wissen sie.

Damals begann das Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei. Mal fuhren die Prostituierten mit ihren Freiern raus nach Oberschleißheim, mal lenkten sie ihre Jeeps auf die Panzerwiese, weil dorthin die Dienst-BMWs der Beamten nicht folgen konnten. Dabei habe man im Prinzip gar nichts gegen Polizeipräsenz am Straßenstrich , sagt Katharina. Als Schutz seien die Beamten gern gesehen. Im Streifenwagen, hin und wieder, und nur von Weitem. "Das hält durchgeknallte Freier ab."

Für eine Lockerung der Sperrbezirksverordnung wäre ein Beschluss des Stadtrats nötig. Eine Umsetzung liegt dann in der Hand der Regierung von Oberbayern, wobei das Innenministerium sicher auch ein Wort mitreden dürfte - beide Behörden argumentieren im Normalfall im Einklang mit der Polizei.

Äußern will sich die Regierung von Oberbayern zum Vorstoß des grünen Bürgermeisters momentan allerdings nicht, sagt Sprecherin Stefanie Weber: "Wir greifen dem Stadtrat da nicht vor."

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