Schwabinger Ehrenpreis:... und da Barny spuit auf die ganze Nacht

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Die "Spider Murphy Gang" erhält den Schwabinger Ehren-Kunstpreis - ein Rückblick auf 25 Jahre Bayern-Rock'n'Roll.

Michael Sailer

"Jetzt werden wir berühmt", tönte Schlagzeuger Franz Trojan 1979, als das erste Album seiner Spider Murphy Gang erschien. Ein Irrtum: Jenseits der Clubs rund um die bayerischen US-Army-Truppenübungsplätze, wo die Band spielte, fand die Platte mit englisch gesungenen Rock 'n' Roll-Standards kaum Gehör - bei einer Do-it-yourself-3000er Auflage ohne Vertrieb kein Wunder.

Gitarrist Barny Murphy ist Fernmeldetechniker, Pianist Michael Busse studiert Philosophie, Bassist/Sänger Günther Sigl, der 1971 seinen todsicher-todlangweiligen Bankjob geschmissen hat, schlägt sich als "Jeansträger" im Levis-Depot durch - bis in Memo Rheins "Memoland" in der Siegesstraße 1978 ausgerechnet im Fasching eine Band ausfällt.

Für drei Tage und 800 Mark springt die 1977 gegründete Band ein. "Rocking Peanuts mit der Spider Murphy Gang" steht auf Plakaten; im Club wirft der Impresario tatsächlich drei Zentner Erdnüsse unter die Leute, aber für Mundpropaganda sorgt vor allem der authentische, ungewohnt harte Rock 'n' Roll der Gang, die nun jeden Sonntag den Laden vollmacht.

Von BR-Radiomoderator und Memoland-Zufallsgast Georg Kostya für seine Sendung "Rockhouse" engagiert, muss Günther für den Titelsong seinen ersten bairischen Text schreiben. "Hob i mi do plogt", klagt der Franke, dem das Isar-Idiom nicht leicht von der Zunge geht, noch Jahre später.

Das "Rockhouse" wird zur Institution, und plötzlich kennt von Giesing bis ins Hasenbergl jeder, der sich für Rock interessiert, die Spider Murphy Gang. "Konkurrenz gab's kaum", erinnert sich Sigl, "nur Liedermacher wie Michl oder Ambros."

Der nächste Zufall wird der entscheidende. Der rheinische Produzent Harald Steinhauer, bei einem Besuch im Memoland von der Dynamik des Quartetts angetan, von Günther Sigls fränkophilem Knödel-Englisch hingegen weniger, gibt den Tipp, sich auf bairisches Textgut zu verlegen, und beschafft einen Plattenvertrag.

Die LP "Rock 'n' Roll Schuah", in zwei Wochen so eilig produziert, dass Drummer Franz beim Cover-Shooting nicht mal die Bierflasche aus der Hand nehmen kann, erscheint 1980 und erntet Wohlwollen - außer in Münchens Rock-'n'-Roll-Zentrale "Rigan-Club", dessen Wirt, Alt-Rocker Richard Rigan, die wenig schmeichelhafte Ballade "Der Elvis von Schwabing" besingt. Das "Rock 'n' Roll Rendezvous" wird zum Radio-Favoriten und sorgt für die sensationelle Zahl von 50000 verkauften LPs.

Doch war das nur ein Vorgeschmack. Bei den Aufnahmen zur zweiten LP "Dolce Vita" kommt es 1981 zu einem folgenschweren Streit: Günther Sigl besteht darauf, "Skandal im Sperrbezirk" als Single auszukoppeln, Produzent Steinhauer ist dagegen, weil der Text hochdeutsch ist. Das ist Günthers Argument: auch im Norden verstanden zu werden. Die Single erscheint - aber kaum einer will sie hören. Beim Bayerischen Rundfunk ist der Song tabu, denn im Text geht es um "Nutten" und ein Sperrbezirks-Vergehen, zudem wird eine Telefonnummer genannt.

Erst die nachgeschobene "Schickeria" bricht den Sendebann, und plötzlich beginnt ein Boom, der die Gang aus dem Dunstkreis von Zither-Manä und Rembremerdeng direkt in den Pop-Himmel katapultiert. Am 1.Februar '82 fegt der "Skandal" Abbas "One Of Us" von Platz eins der Charts. Als sich der Staub gelegt hat, sind 750.000 Singles verkauft. Das Album wird zum kommerziellen Startschuss für die "Neue deutsche Welle", mit der die Band eigentlich nichts zu tun hat.

Der Rest sei nur kurz skizziert: "Tutti Frutti" wirft 1982 die Hits "Ich schau dich an" und "Wo bist du" ab. Mit Michael Verhoevens etwas lauem Kinofilm "Die Spider Murphy Gang" beginnt der Stern gemütlich, aber stetig zu sinken. Die erste Tournee einer West-Band durch die DDR erregt die Medien, aber das 1984er Album "Scharf wia Peperoni" floppt, und weitere Platten finden nur noch eingeschworene Käufer - doch niemand hat den Eindruck, dass das die Band ernsthaft sorgt.

Nach wie vor kann sie auf ihre Live-Qualitäten bauen, und Günther Sigls in bestem Weiß-Ferdl-Duktus vorgetragene Bühnensprüche ("Da hinten hab i oan gsehn, der is scho schier ausgflippt!") versetzen immer noch jedes Bierzelt in kollektive Ho-Ho-Laune. 2002 feierte ein ausverkaufter Circus Krone den 25. Gang-Geburtstag.

Dass die Jury des "Schwabinger Kunstpreises" so lange gebraucht hat, der Band einen Ehrenpreis zu verleihen, hat seine guten Seiten: Obwohl die Gang in den Charts keine Bedrohung für Bohlen und Co. mehr darstellt, kann immer noch jedes Kind ihre Hits mitsingen - und auch 2003 tönt aus dem Radio "Sommer in der Stadt".

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