Schöner arbeiten:Wohlfühlbüro mit Sauna, Service und Stil

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In München stehen 1,5 Millionen Quadratmeter Bürofläche leer. Doch es geht auch anders: Ein findiger Unternehmer sorgt mit Sauna, Service und Stil für Vollbelegung und führt sogar eine Warteliste.

Katharina Böhringer

Mediterrane Wärme glaubt der Besucher förmlich zu spüren, wenn er den Fuß in das Gebäude setzt. Terrakottafarbene Wände tauchen die Eingangshalle in mildes Licht, an den Wänden fangen bunte Kunstwerke den Blick und ein paar Stufen weiter lockt eine lederbecouchte Lounge den Eintretenden tiefer in den Raum. In der Ecke wartet ein Flügel auf seinen Pianisten, der Espresso fließt aus besten Maschinen, gut gelaunte Menschen flirren an Pflanzenwäldern vorbei und überhaupt riecht es hier überall nach Urlaub.

Einen Espresso mit Kunden oder einfach so zwischendurch können die Mieter an der Bar genießen. (Foto: Foto: Stockwerk)

Dabei befindet man sich mitten im Gröbenzeller Industriegebiet, ein paar Autominuten vor München. Doch schon durch sein orangefarbenes futuristisches Entree sticht der Büro-Bau in der Industriestraße 29-31 aus der tristen Umgebung hervor. Graues Linoleum, grellweiß verputzte Wände und den Muff der Siebziger Jahre wie ihn die meisten Arbeitsburgen ausstrahlen, sucht man hier vergebens.

"Das Konzept lässt sich als Büro-WG beschreiben", erklärt Christian Stock sein Erfolgsobjekt. Alle Mieter nutzen verschiedene Angebote gemeinsam. Dadurch haben alle mehr Komfort, die Preise sind dennoch erschwinglich. So gibt es gemeinsame Toiletten- und Meetingräume, eine Bar-Lounge, ein Bistro, aber auch ein Wellness-Center mit Sauna, Sanarium, Solarium und Whirlpool, sowie ein Fitnessstudio. Daneben stehen beispielsweise für Kunden drei Hotelzimmer zur Verfügung - und das alles für einen Flächen-Mietpreis von zehn Euro pro Quadratmeter. Hinzu kommen zwar noch die Mehrwertsteuer, Nebenkosten und Beteiligung an den Gemeinschaftsräumen, doch liegt der Preis damit laut einer Erhebung von Engel und Völkers durchaus im Münchner Durchschnitt von 13,30 Euro (der Höchstmietpreis liegt bei 28 Euro). "Ich kann meinen Mietern eben einen guten Brutto-/Netto-Mietpreis bieten", preist Stock sein Ein-Mann-Unternehmen.

Rund 1,5 Millionen Quadratmeter Büroflächen werden in München nicht genutzt. In Prozent bedeutet das für München-Stadt eine Leerstandsquote von 10,4 Prozent, für München-Umland von 17,7 Prozent. Damit liegt die Stadt bundesweit hinter Frankfurt und Düsseldorf an dritter Stelle. Dennoch wird in der Metropole eifrig weitergebaut. Dadurch entstehen attraktivere Immobilien, weshalb sich der Leerstand vor allem bei diesen sogenannten A-Immobilien aktuell reduziert, gerade ältere Gebäude verwaisen jedoch zunehmend. Somit liegt Stock mit seinem Projekt am Zahn der Zeit: Er hat ein bestehendes Gebäude umgebaut und aufgerüstet, somit Anreize für Mieter geschaffen, ohne das Überangebot jedoch noch zu vergrößern.

Tatsächlich steckt hinter dem Luxus-Komplex eine clevere, wenn auch nicht neue Idee: Stock bietet alles aus einer Hand. Angefangen hat der 39-Jährige vor zehn Jahren mit einem Facility-Management-Unternehmen, also einer Gebäudereinigungs- und Hausmeisterfirma. Deshalb kann er auch Putz- und Instandsetzungsdienste selbst ausführen. Das spart nochmals Kosten. Außerdem war die Immobilie als alte Industriehalle relativ günstig. Durch intelligente Baulösungen stimmten auch hier Preis und Leistung. "Das Bürogebäude ist im Prinzip meine Form des gelebten Facility-Management", so Stock. Für die Mieter bedeutet das vor allem maximale Freiheit und Wohlfühlflair am Arbeitsplatz.

Lounge-Atmosphäre im Erdgeschoss. (Foto: Foto: privat)

Orgel mit 1500 Pfeifen im Bistro

"Das ist ein tolles Ambiente hier und vor allem eine tolle Truppe", beschreibt Gerhard Forster, Geschäftsführer der Firma Supratec die Vorzüge des etwas anderen Büros, "viele veranstalten sogar private Partys hier und zwei Mal im Jahr gibt es vom Vermieter tolle Vernissagen." Es sind die Details, die dieses Unternehmen so besonders machen: Stühle in Meetingräumen sind allesamt komfortabel, jeder Sitzplatz ist mit einer Milchglaslampe ausgestattet, die Hängeleuchten über der Bar schillern in buntem Spiegelglas, überall stehen Bronze-Statuen, alles ist perfekt aufeinander abgestimmt. Die Kunst sollte ursprünglich potenzielle Mieter ins Haus locken. Heute sind die Kunst-Events eine gern genutzte Möglichkeit der Zusammenkunft und des Austauschs. Auch manches Kundengespräch wird dort in lockerer Atmosphäre geführt. Die Werke bleiben im Anschluss stehen und hängen.

Nicht zuletzt dürfte das Gröbenzeller Unikum wohl das einzige Bürogebäude in ganz Deutschland sein, welches eine voll funktionsfähige Orgel beherbergt. "Das ist ein privater Spleen", klärt Stock auf. So ist das Bistro mit 1500 Orgelpfeifen gespickt, die nur auf das erste Konzert im Februar warten. Und auch hier will Stock neue Wege gehen. Während Organisten in Kirchen nur gottgefällige Klänge gen Himmel senden dürften, seien in Stocks Residenz auch experimentelle Stücke und "freakiger Jazz" geplant.

Jeder darf alles nutzen - aber jeder muss sich auch an gewisse Regeln halten. Die oberste lautet für Stock ganz klar: "Anstand". "Wie in jeder WG stellen sich hier, in dem Moment, wo viele einen Raum teilen, Probleme", räumt Stock ein. Doch meist ließen sich Konfrontationen durch faires Verhalten vermeiden. Die meisten halten sich daran, wer nicht, fliegt. "Manche sind uneinsichtig, wenn ich sie darauf hinweise, dass die Bar nicht das verlängerte Büro ist, andere qualmen alles voll", bemängelt Stock. Ansonsten herrscht eitel Sonnenschein in der Industriestraße. Alle Mieter sind per Du, die Getränke nimmt sich jeder nach Vorbestellung auf Vertrauensbasis aus dem Kühlschrank und die meisten feiern ihre Silvesterparty am liebsten im Bürozentrum. Dennoch: Zwei Unternehmen werden das Bürozentrum wohl wieder verlassen müssen - ihnen fehlte schlichtweg die WG-Tauglichkeit.

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