Saisonfinale der Blinden-Bundesliga:Blindes Verständnis auf dem Fußballplatz

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Wenn der Seh-Sinn kompensiert werden muss: Im Olympiapark München findet das Saisonfinale im Blindenfußball statt. Sebastian Schäfer aus Würzburg erklärt, wie Blindenfußball funktioniert, warum Oliver Kahn sein Vorbild ist und wie es dazu kam, dass er nach einem Spiel schon Nationalspieler wurde.

Thomas Moßburger

Seit drei Jahren spielt Sebastian Schäfer, 28, für das Team des Vitalsportvereins (VSV) und Berufsförderungswerks Würzburg, der einzigen bayerischen Mannschaft in der Blindenfußball-Bundesliga. Außerdem ist er Nationalspieler und hat an der Europameisterschaft 2011 teilgenommen. Bereits bei seiner Geburt hatte er wegen einer Netzhauterkrankung nur eine Sehkraft von zehn Prozent. Seitdem sieht er immer schlechter, seit neun Jahren kann Schäfer keinen Sehenden-Sport mehr ausüben. Er hat Jura studiert und absolviert gerade sein Rechtsreferendariat. An diesem Samstag tritt er mit den Würzburgern beim Finalspieltag der Blindenfußball-Bundesliga auf dem Coubertinplatz im Münchner Olympiapark an.

Blindenfußballer Sebastian Schäfer (links) zusammen dem ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und einem Teamkollegen. (Foto: oh)

Herr Schäfer, wie sind Sie zum Blindenfußball gekommen?

Sebastian Schäfer: Wie wahrscheinlich jeder Junge war ich großer Fan des Sehenden-Fußballs und habe angefangen, mit meinen Freunden Fußball zu spielen, mehr schlecht als recht. Die Sehbehinderung wurde dann jedoch immer schlimmer und ich konnte nur noch Fußball im Fernsehen ansehen. Dabei ist mir der aktuelle deutsche Blindenfußball-Meister Blista Marburg aufgefallen, als sie im Mai 2008 in der ZDF-Sendung Sportstudio ihre Meisterschaft gefeiert haben.

Wie verfolgen Sie das Fußballgeschehen?

Wie sehende Fans schaue ich eben fern. Aber die Eindrücke, die man ohne Bilder bekommt, sind am wichtigsten, also Radio oder Zeitungs- und Online-Artikel. Ganz besonders ist das Erlebnis im Stadion. Dort kann man die Atmosphäre spüren, kann die Akustik wahrnehmen und ist ganz nah dran am Geschehen. Der Seh-Sinn spielt überhaupt keine Rolle mehr.

Wie funktioniert der Blindenfußball genau?

Es spielen fünf gegen fünf: vier blinde Feldspieler und ein sehender Torhüter. Gespielt wird auf einem Feld, das so groß ist wie das beim Handball. Wir spielen mit einem Ball, in den Rasseln eingebaut sind, so dass wir ihn hören. An den Seiten des Spielfeldes und hinter den Toren befinden sich sogenannte Guides, die, wie auch der Torwart, über Zurufe den Spielern Orientierung auf dem Platz geben. Auch die Spieler müssen durch Kommunikation versuchen, sich möglichst so zu positionieren, dass sie sich ohne den Seh-Sinn, also im wahrsten Sinne des Wortes "durch blindes Verständnis", über den Platz bewegen und Spielzüge durchführen können.

Sie können sich sicher noch an Ihr erstes Spiel erinnern.

Das Besondere für mich war, endlich wieder spielen zu können. Zuvor habe ich immer mit neidischem Blick auf die geschaut, die auf dem Fußballfeld standen. Bei meinem ersten Spiel haben wir gegen den amtierenden deutschen Meister aus Stuttgart ein Freundschaftsspiel bestritten. Wir waren heillos unterlegen, allerdings habe ich mit dem Schlusspfiff einen Treffer erzielt. Im Anschluss hat mich der Nationaltrainer direkt zur Nationalmannschaft eingeladen. Das war natürlich ein toller Start in den Blindenfußball.

Was macht den Sport für Sie so besonders?

Blindenfußball kommt dem regulären Sehenden-Fußball sehr nahe. Der Spaßfaktor ist hoch und es gibt mir das, was ich die Jahre zuvor vermisst hatte und im Sehenden-Bereich nicht mehr leisten konnte.

Was würden Sie als Blindenfußballer gerne einmal erleben?

Selbstverständlich träumt man davon, gegen die Besten zu spielen. Die Brasilianer sind bei uns das Maß aller Dinge. Und ich würde gerne auch einmal in großen Stadien spielen. Die EM 2007, an der ich leider noch nicht teilnehmen konnte, wurde zum Beispiel im Olympiastadion von Athen ausgetragen. Der letzte Bundesligaspieltag findet nun im Schatten des Olympiastadions neben dem Olympiaturm in München statt. Davon hätte man noch vor ein paar Jahren gar nicht zu träumen gewagt.

Was war bisher Ihr schönstes Erlebnis im Blindenfußball?

Mein erstes Länderspiel. Wir waren zu einem Freundschaftsspiel in England eingeladen. Dann kam das Kommando vom Trainer, dass ich mich bereit machen soll, um auf den Platz zu gehen und ich wusste, dass es nur noch wenige Augenblicke dauert, bis ich mein erstes Länderspiel absolviere. Das ist ein ganz besonderer Moment. Vor allem, wenn man in einer ausverkauften Halle spielt, die 1000 Zuschauer fasst, was für Blindenfußball-Verhältnisse absolut enorm ist. Außerdem ist mir natürlich mein erstes Länderspieltor im vergangenen Jahr bei den World Games in Antalya gegen die Mannschaft aus Thailand in Erinnerung geblieben.

Haben Sie auch ein Lieblingsteam bei den Sehenden-Fußballern?

Als Bayer bin ich natürlich Bayern-Fan. Ich freue mich und leide seit mittlerweile 16 oder 17 Jahren mit der Mannschaft. Da hat man dann auch schon einiges erlebt - von Champions League-Finalniederlagen bis hin zu Meisterschaften.

Und wer ist Ihr Lieblingsspieler?

Oliver Kahn, wegen seiner Einstellung. Er hat immer gezeigt, was einen Profi-Sportler ausmacht: So lange an einem Ziel festzuhalten, bis man es erreicht hat.

Was sind Ihre Ziele für den kommenden Finaltag der Bundesliga?

Wir wollen den fünften Tabellenplatz sichern. Dafür brauchen wir erst einmal einen Sieg gegen Gelsenkirchen. Ich persönlich spekuliere auch noch auf die Torjägerkanone. Das wird wohl eine ziemlich enge Kiste.

Der Finalspieltag findet am 22. September auf dem Coubertinplatz im Olympiapark München statt. Das erste Spiel beginnt um 10 Uhr. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 20.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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