Russenmafia-Prozess:Teilgeständnis in Stadelheim

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Zur Neuauflage des Prozesses gegen Alexander Bor weisen Maschinenpistolen den Weg zum umfunktionierten "Gerichtssaal" in der Justizvollzugsanstalt. Eindrücke vom Verhandlungsbeginn in Stadelheim.

Stephan Handel

(SZ vom 17.6.2003) — Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen hat am Montag in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim der Prozess gegen Alexander Bor begonnen, der unter anderem beschuldigt wird, 1991 als Mitglied der Russen-Mafia einen Konkurrenten ermordet zu haben. Zu Beginn der Verhandlung gestand Bor in einer Erklärung, die seine Anwälte verlasen, einen Teil der Vorwürfe.

Die Gefängnismauer an der Stadelheimer Straße hat schon von außen etwas Beeindruckendes, Unheimliches, Hoffnungsloses. Wer jedoch hinein will in die Justizvollzugsanstalt, der muss noch einmal tiefer hinunter, in eine Art polizeiüberwachtes Souterrain, und dort geht es dann erst richtig los: Abgeben die Handys, öffnen die Taschen zur Durchsuchung, aushändigen Personal- und Presseausweis, sie werden kopiert, die Personalien eingetragen in eine Liste, danach der Gang durch den Metall-Detektor, und wehe, er piepst.

Schon hier fünf Polizisten, drüben sitzen noch ein paar vor krächzenden Funkgeräten, und dann geht es die Treppe hinauf. Auf jeder Etage mindestens einer mit einer Maschinenpistole, er weist den Weg mit dem Lauf der Waffe, das ist dann wirklich besorgniserregend.

Konferenzraum als Gerichtssaal

Auf der zweiten Etage, im Konferenzraum, der Gerichtssaal ist für die nächste Zeit, steht Polizeisprecher Wolfgang Wenger und weist mit einer großen Geste in den Saal: "Das ist die Öffentlichkeit." Komisch nur, dass die meisten Mitglieder dieser Öffentlichkeit Funkknöpfe im Ohr haben und dicke Beulen unterm Sakko in Höhe der Achselhöhle.

Vornedran sitzen ein paar Journalisten und schauen routiniert. Zwischen den Zivil-Polizisten hinten sitzt Dimitri Todorov, der Deutschlands erster Geiselgangster war, 22 Jahre im Gefängnis saß und jetzt mal sehen möchte, "wie so ein Prozess heute abläuft".

Der Angeklagte ist auch schon da und hat sich so gekleidet, dass ihn auch ganz bestimmt niemand für etwas anderes als einen Mafioso halten kann: ein dunkler Nadelstreifen-Anzug, ein schwarzer Rollkragen-Pulli trotz der Hitze, schwarze Halb-Stiefel, eine dicke Uhr am Handgelenk. Alexander Bors Haarschnitt war früher sicher besser, der dünne Vollbart unter sehr blauen Augen gibt ihm etwas Verwegenes.

Der Vorsitzende Richter verliest den bisherigen Verfahrensgang einschließlich der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, das erste Urteil aus dem Jahr 2001 aufzuheben, weswegen das ganze Ballyhoo überhaupt erst notwendig geworden ist.

Der Staatsanwalt trägt die Anklage vor: Erstens, Bor soll 1991 mit einer unbekannten Zahl von Mittätern den Mafia-Konkurrenten Efim Laskin ermordet haben, auf dem Parkplatz des Ungererbades. Zweitens, Bor soll 1992 in Berlin eine Frau, die ihm angeblich Geld gestohlen hatte, so misshandelt haben, dass die Gepeinigte schließlich keinen anderen Ausweg mehr sah, als aus dem Fenster im zweiten Stock zu springen.

Nur ein Teilgeständnis

Verteidiger Martin Amelung verliest eine Erklärung: Sein Mandant räumt die Vorwürfe in diesem zweiten Fall ein, keine Angaben zum ersten Fall. Verhandlungspause schon nach 20 Minuten. Der Vorsitzende: "Um die Spannung zu erhöhen und um hier mal zu lüften."

Im Erdgeschoss Entgegennahme von Handys und Ausweisen. Im Straßencafé gegenüber sitzen jetzt die Verteidiger und essen Pfannkuchensuppe. Bei der Rückkehr: Telefone abgeben, Taschen durchsuchen, Pässe kopieren, Metalldetektor. Allerdings ein bisschen lässiger als beim ersten Mal, man kennt sich.

Am Anklagetisch mittlerweile eine andere Staatsanwältin, was nicht weiter seltsam ist: Sie werden regelmäßig ausgetauscht, seit angeblich ein Kopfgeld ausgesetzt wurde auf den Ankläger im ersten Prozess. Vernehmung des ermittelnden Polizeibeamten, der von fünf Beknopften hereingeführt wird und unter dem Tisch nervös mit den Füßen zittert.

Es kommt nichts groß Neues heraus, weil das ganze Verfahren ja sowieso nur wegen eines Formfehlers neu aufgerollt werden muss. Dann ist der Vormittag auch schon vorbei, Kontrollkarte abgeben, Ausweise zurückbekommen, Handy einschalten, die schwere Tür öffnen, ins Freie treten. Die Gefängnismauer ist bedrückend, unheimlich. Aber von außen immer noch besser als von innen.

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