Rot-Grüne Koalition:"Es geht ans Eingemachte"

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Mehr Stimmen, mehr Selbstbewusstsein: Nach der Münchner Stadtratswahl machen die Grünen der SPD die Rechnung auf.

Jan Bielicki und Joachim Käppner

Nach ihrem Wahlerfolg am Sonntag pochen die Grünen auf mehr Einfluss im Rathausbündnis mit den Sozialdemokraten. "Wir werden unsere Forderungen bei den Koalitionsverhandlungen etwas höher schrauben", erklärte der grüne Fraktionschef Siegfried Benker. SPD und Grüne verabredeten am Montag zügige Gespräche: Bis Ende April wollen sie einen neuen Koalitionsvertrag aushandeln.

Die Grünen pochen auf mehr Einfluss im Rathausbündnis mit der SPD. Im Bild: Florian Vogel und Sabine Krieger bei der Wahlparty der Grünen. (Foto: Foto: Robert Haas)

Der Sieger ging den Tag eins nach der Wahl gelassen an und ließ als erstes die Morgenbesprechung ausfallen. Im Kreise der Vertrauten hatte man sich beim Stammgriechen bis tief in die Nacht ohnehin alles gesagt, was zu sagen war.

Den Morgen nutzte Christian Ude, um die Details der Ergebnisse zu studieren, wobei ihm eines besondere Genugtuung bereitete: In Sendling erzielte er 68,9 Prozent - also genau dort, wo eine Bürgerinitiative wider die Moschee behauptet, die Mehrheit der Bevölkerung zu vertreten.

Geht es nun nach dem Oberbürgermeister, von dem die Anspannung der vergangenen Wochen sichtlich abgefallen ist, soll sich im Bündnis wenig ändern. "Der Wille zur Koalition ist da", erklärte Christian Ude am Tag nach seinem Wahltriumph. Und das Bündnis sei "ein wohlaustariertes System".

Nach wie vor habe seine Partei "rund drei Mal mehr Stimmen und Mandate gewonnen als die Grünen", rechnet der Sozialdemokrat Ude vor. Damit, so seine unausgesprochene Botschaft, dürfte auch künftig klar sein, wer im Rathaus Koch sein wird und wer Kellner.

Natürlich teilen die Grünen dieses oberbürgermeisterliche Kalkül keineswegs. Immerhin hat es am Sonntag an ihnen gelegen, dass das rot-grüne Bündnis sogar stärker als noch vor sechs Jahren wurde. Für Spitzengrüne erscheint darum klar, wer die stabilere Stütze der rot-grünen Ratskoalition ist: "Wir haben nun", sagt Fraktionschef Benker, "deutlich mehr Gewicht."

Das wollen die Grünen nutzen. Man werde "ein Forderungspaket zusammenstellen", erklärt Benker, und in der Fraktion stellen sie bereits zusammen, was das Päckchen enthalten könnte. Das wird wohl in erster Linie das Verlangen sein, dem Umweltschutz einen noch höheren Rang einzuräumen, aber auch dem Nahverkehr und der Sozialpolitik.

Es werde "ans Eingemachte gehen", prophezeiht der grüne Bürgermeister Hep Monatzeder. Gleichzeitig warnt er seine Partei: Man solle sich bei den Koalitionsverhandlungen "nicht daran messen lassen, wer jetzt was durchgesetzt hat oder nicht", sondern daran, ob "ein Ergebnis herauskommt, das sich gut darstellen lässt".

Auch die SPD gibt sich betont offen, über grüne Wünsche zu sprechen. Ude: "Mehr Umweltschutz ist keine Marotte einer kleinen Partei." Die SPD sei sogar "dankbar für jede Anregung", erklärte der sozialdemokratische Fraktionschef Helmut Schmid, "wir erheben gar nicht den Anspruch, alles besser zu wissen." Es werde daher in den Koalitionsgesprächen "kein Kräftemessen und kein Streitpotential" geben.

Ganz so harmonisch wird es an den Verhandlungstischen freilich nicht zugehen. Zwar brauchten die Spitzen von SPD und Grünen am Montag nicht lange, um einen Fahrplan für ihre Gespräche aufzustellen. Doch wenn die Fachleute beider Parteien nach den Osterferien in Arbeitskreisen zusammenkommen, werden noch genug strittige Punkte übrig bleiben.

Wie viele Überwachungskameras es in Bussen und Bahnen oder auf öffentlichen Plätzen geben soll, die Zusammenarbeit zwischen städtischen Sozialämtern und bundesstaatlichen Arbeitsämtern - darüber gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten. Dabei geht es um mehr als nur um Details: nämlich um Geld.

Die Grünen wollen eine satte Aufstockung der Etats erreichen, aus denen die Stadt den Klimaschutz fördert, indem sie beispielsweise Zuschüsse für den Einbau stärkerer Wärmedämmung oder sparsamerer Heiztechnik bezahlt.

"Da", erklärt Benker, "muss richtig Geld her." Allerdings ist kaum damit zu rechnen, dass sich die Koalitionäre hier allzu sehr zerzausen werden. Die gute Wirtschaftslage hat etliche hundert Millionen Euro in die Stadtkasse fließen lassen.

Ein weiterer Streitpunkt: Die SPD befürwortet die von den Grünen im Wahlkampf und vor allem in der Region bekämpften Pläne, am Flughafen eine dritte Startbahn zu bauen. Der SZ sagte Ude, dass diese Frage "nicht Teil der Koalitionsverhandlungen" sei - die Grünen können dagegen stimmen, die Mehrheiten sind Ude aber sicher: "Die Grünen waren schon gegen den Flughafen und dann gegen das zweite Terminal" - sprich: Was hat es ihnen genutzt?

Die grüne Basis wird bei ihrer Stadtversammlung am Donnerstag vermeiden müssen, im Überschwang des Wahlerfolgs den Verhandlungsauftrag für Vorstand und Fraktion an allzu enge Vorgaben zu ketten - besonders in einer Frage, über die sich die Grünen selber nicht einig sind: der zweiten S-Bahn-Stammstrecke.

Große Teile der Partei lehnen den dafür nötigen Tunnel ab, den die SPD - aber auch der grüne Bürgermeister Monatzeder - für dringend nötig halten. Streitfälle wie diese wollen Rot und Grün in Spitzenrunden bis spätestens Ende April beilegen. Dann erst wird wohl auch geklärt, ob die Grünen mehr städtisches Spitzenpersonal stellen dürfen.

So könnte das älteste rot-grüne Bündnis Deutschlands dem nächsten Wahljahr 2014 zustreben - und neuen Rekorden. Rot-Grün werde dann, hier wird's dem OB geradezu epochal zumute, "fast ein Vierteljahrhundert regiert haben".

© SZ vom 04.03.2008/ngh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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