Revision verworfen:Kriegsverbrecher Scheungraber muss in Haft

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66 Jahre nach der Tat kommt der wegen Kriegsverbrechen verurteilte Josef Scheungraber ins Gefängnis. Der Bundesgerichtshof hat die Revision des 92-Jährigen abgewiesen.

T. Soyer und J. Müller-Meiningen

Der wegen Kriegsverbrechen verurteilte ehemalige Wehrmachtsoffizier Josef Scheungraber muss 66 Jahre nach der Tat ins Gefängnis. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe wies die Revision des in Ottobrunn bei München lebenden Mannes jetzt ab. Damit ist das Urteil des Landgerichts MünchenI vom August 2009 rechtskräftig: Scheungraber ist zu lebenslanger Haft verurteilt wegen zehnfachen Mordes und versuchtem Mord.

Josef Scheungraber bei der Urteilsverkündung 2009. Nun muss er in Haft. (Foto: Robert Haas)

Die Münchner Staatsanwaltschaft will ihn "zügig, aber nicht überstürzt" in den nächsten Wochen zum Strafantritt laden, sagte Barbara Stockinger, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Ein Sprecher der Karlsruher Behörde hat Recherchen des Bayerischen Rundfunks bestätigt, wonach das Münchner Urteil nun rechtskräftig ist.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er im Sommer 1944 als Führer einer Wehrmachtskompanie den Befehl zu einer Racheaktion gegen italienische Zivilisten im toskanischen Falzano di Cortona gegeben hatte. Dabei wurden elf Menschen in ein Haus getrieben, das die Soldaten anschließend sprengten. Nur einer der Zivilisten, der damals 15-jährige Gino Massetti, überlebte.

Scheungraber hatte die Vorwürfe im Prozess bestritten. In seiner Heimatgemeinde Ottobrunn ist er Träger der Bürgermedaille und war zudem Ehrenkommandant der Freiwilligen Feuerwehr. Die Feuerwehr ging schon auf Distanz, seine Kameraden haben bereits vor einem Jahr einen einstimmigen "Vorratsbeschluss" gefasst für den nun eingetretenen Fall, dass das Urteil bestätigt wird.

Wie Kommandant Eduard Klas der SZ sagte, wird Scheungraber nun aus allen Feuerwehrlisten gestrichen und er verliert das mit der Ehrenmitgliedschaft verbundene Ehrenkommandantenamt. Klas hadert damit nicht, für ihn ist der Zusammenhang völlig klar: "Wenn seine Vorgeschichte früher rausgekommen wäre, hätte er ja gar nicht Feuerwehrmitglied werden dürfen."

Ohne Not eine "Ehrenerklärung" für Scheungraber abgegeben

Schwerer tut sich seine Heimatgemeinde Ottobrunn mit dem nun gültigen Urteil. Im Jahr 2005 wurde dem ehemaligen Gemeinderat Scheungraber die Bürgermedaille verliehen - nach dem Urteil des Landgerichts hatte der Gemeinderat die Ehre nur ausgesetzt. Der Ältestenrat der Gemeinde hat am Donnerstagnachmittag einstimmig den Vorschlag an den Gemeinderat formuliert, Scheungraber die Bürgermedaille abzuerkennen.

Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) hat allerdings weiterhin ein Problem, weil er während des Kriegsverbrecherprozesses ohne Not und aus freien Stücken eine öffentliche "Ehrenerklärung" für Scheungraber abgegeben hatte, die nun weder dem Münchner noch dem Karlsruher Urteil standhält. Eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung ließ Loderer bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Abgeschlossen ist der Fall dafür für Gino Massetti, den einzigen Überlebenden des Wehrmachtsmassakers von Falzano di Cortona. Er nahm die Nachricht vom rechtskräftigen Urteil am Donnerstag bewegt auf. "Für mich war der Fall bereits abgeschlossen", sagte er. "Wenn die deutsche Justiz Scheungraber in Ruhe gelassen hätte, wäre es mir auch recht gewesen. Ich habe längst alles verziehen." Er zeigte sich aber zufrieden, dass der Fall nun auch seinen juristischen Abschluss gefunden hat.

Massetti sagte: "Ich bin einfach nur froh, dass jetzt alles vorbei ist. Das endgültige Urteil steht fest. Aber ehrlich gesagt tut es mir auch etwas leid. Scheungraber ist ein alter Mann wie ich. Und ich habe in den vielen Jahren vor allem versucht, das alles zu vergessen."

© SZ vom 12.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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