Reute Reusn aus Breitenberg:Dialekt aus der Neuen Welt

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Hans Kratzer

Die 2100 Einwohner zählende Gemeinde Breitenberg gehört nicht gerade zu den bayerischen Zentralgebieten. Die im Landkreis Passau gelegene Region wurde erst im 17. Jahrhundert planmäßig besiedelt.

Deshalb bezeichnen die Menschen Breitenberg bisweilen noch heute als "neue Welt". Doch das ist nicht die einzige sprachliche Überraschung, auf die man dort stößt. Das Volk gebraucht Lautungen, die sonst in Bayern nirgendwo zu hören sind, höchstens hie und da in Österreich. Dieses Phänomen betrifft nicht nur Breitenberg, sondern auch die benachbarten Orte Neureichenau, Thalberg, Germannsdorf, Untergriesbach und Wegscheid.

Eine gute Kennerin dieser Ortsdialekte ist Rosemarie Spannbauer-Pollmann vom Sprachatlas für Niederbayern. Sie hat bei ihren Befragungen festgestellt, dass die Breitenberger den Frühling "laßin" nennen. Das ist ein Ausdruck, der auf die länger werdenden Tage verweist (Wörterbucheintrag: Längßing).

Allerdings gerät dieses Wort mehr und mehr in Vergessenheit und wird von dem Begriff "Auswärts" verdrängt. Das mittelhochdeutsche ä hingegen wird in Breitenberg und Umgebung als e-u ausgesprochen: re-usn (Rose), khe-oun (Korn), e-ustan (Ostern), de-ud (tot), De-orf (Dorf) und re-ut (rot) - der Strich zwischen den Vokalen ist eingefügt, damit der Diphthong eu nicht als oi gesprochen wird.

In dem Dorf Altreichenau sagen die Menschen gre-os zu groß und Fle-ong zu Fliege. Auch im oberösterreichischen Mühlviertel entwickelte sich der Diphthong e-u aus dem mittelhochdeutschen ä. Teilweise wird dazwischen auch noch ein -o- (ein so genannter Sprossvokal) eingefügt, so dass die Aussprache einem Triphthong (wie in kheoun) gleicht.

Auffallend ist auch die Besonderheit in Wörtern, die das mittelhochdeutsche iu enthielten. "Heuer" wird in Breitenberg noch vereinzelt als he-or ausgesprochen, "Teufel" klingt hier wie de-ofö. Ein schönes Beispiel für die Veränderung des ä in e-u liefert auch das wunderbare alte Volkslied "d'Kramer Annamirl z'Hausstoa".

Dort heißt es: "Sieben Kinder und koa Breod, is an Annamirl sei Deod." Auch dem Dialektologen Bernhard Stör ist aufgefallen, dass im Unteren Bayerischen Wald das "ie" markant umkippt, wenn es auf das althochdeutsche "io" zurückgeht. Die Menschen sagen noch heute: "Der fliogt" (der fliegt) und "achzge diof" (achtzig Zentimeter tief) und "der ziogt" (der zieht).

Doch dieses Phänomen wird wohl bald verschwinden. Die Kleinräumigkeit der Dialekte löst sich infolge der Mobilität und des Medieneinflusses auf, es folgt eine zunehmende Nivellierung der Alltagssprache. Rosemarie Spannbauer-Pollmann schließt aber nicht aus, dass sich in der Passauer Gegend andere Lautungen herausbilden, etwa roid und broid.

Bei Marianne Reischl, die in der Breitenberger Sprechprobe im Internet zu hören ist, besteht diese Gefahr jedoch noch lange nicht.

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