Restaurant Sarfati:Genuss ohne Schnörkel

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Das Sarfati im Westend verzichtet auf Firlefanz - in der Einrichtung wie in der Küche. (Foto: Haas)

Vitello Tonnato, Oktopus mit Zitronen-Aioli und Mousse au Chocolat mit Himbeeremulsion: In der Vinothek des Mailänder Stefano Sarfati im Westend kann man nicht nur ausgezeichnet italienische Köstlichkeiten schlemmen - man fühlt sich auch sofort wohl.

Von Helene Töttchen

Dieser Text ist leider veraltet, das Restaurant gibt es inzwischen nicht mehr.

Es ist nicht so, dass sich Bruno Munari sonderlich beliebt gemacht hätte bei den Möbeldesignern seiner Zeit. Für seinen Fotoessay "Seeking comfort in an uncomfortable chair" ließ sich der Mailänder Künstler 1944 gleich dutzendfach in einem sehr modernen, aber sehr unbequemen Sessel mit gequältem Gesicht ablichten. Es gehe beim Design darum, schrieb er sinngemäß dazu, sich nie Moden hinzugeben. Im Detail liege die Stärke, nicht im Firlefanz.

Es gibt viele Restaurants, in denen Firlefanz dazugehört, geradezu danach verlangt wird. Die riesige Pfeffermühle, die Ekstase, wenn die neue Lieferung Burrata eintrifft, der Parmesanlaib zum öffentlichen Oh-Ah-Nudelwenden. In der Vinothek des Mailänder Stefano Sarfati im Westend findet man nichts davon, und wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass das Kunstposter mit den Sesseln von Bruno Munari genau hier hängt.

Vorher servierten Müller&Söhne in der ehemaligen Bäckerei italienische Küche, seit Februar bewirtschaftet Sarfati das Lokal. Die alte Theke ist geblieben, ein wenig italienisches Design ist hinzugekommen, neu sind aber vor allem die vielen Weinregale. Das Sarfati ist Weinhandel, Bar und Restaurant zugleich.

In Rom hatte Sarfati bereits eine Enoteca, in Mailand eine Weinbar. Auch in München gibt es nur "Vini Naturali" im Ausschank und im Verkauf, also nur reinen Wein ohne Schwefelzusatz und andere Hilfsstoffe, der ausschließlich mit Naturhefen gärt und nicht aus industriell bewirtschafteten Weinbergen stammt. Es finden sich neben Weinen von Cristiano Guttarolo, der seinen Primitivo in Apulien in Amphoren reifen lässt, auch Gewächse von außerhalb Italiens im Angebot, etwa von Pierre Frick, dem Ökopuristen aus dem Elsass oder vom biologisch-dynamischen Weingut Trossen aus der Mittelmosel.

Auf der Speisekarte gibt es nicht alles, aber alles ohne Firlefanz. Sie wird ständig umgeschrieben und umfasst meist drei Vorspeisen (8 bis 12 Euro), vier Pasta- oder Risottogerichte (12 bis 13 Euro), zwei bis drei Mal Fisch oder Fleisch (18 bis 21 Euro), ein bis drei Desserts (5 bis 6 Euro). Als ständige Posten auf der Karte gibt es vier Klassiker, darunter Vitello Tonnato oder Rinderfilet Cipriani (8 bis 12 Euro). Mittags halbiert sich das Angebot sogar noch, was sicher nicht jeden immer etwas finden lässt, dafür gibt es dann das üppig portionierte Zwei-Gang-Menü für erstaunliche 12 Euro.

Wir waren mittags wie abends da, dreimal insgesamt, und jedes Mal gab es Posten auf der Karte, die uns wirklich überrascht haben, was durchaus von der Experimentierfreude des neuen Kochs zeugt. Der stammt aus Berlin, könnte nach Meinung einer italienischen Freundin aber - was seine Küche angeht - durchaus als Landsmann wie sein Vorgänger durchgehen, wenn auch als einer, der gerne kreativ im gesamten mediterranen Raum wildert.

Einmal aßen wir abends nebst anderen Dingen vorweg ein Carpaccio aus Oktopus mit Zitronen-Aioli (8 Euro), was uns sehr zusprach. Der Polpo war butterweich, wie man ihn selten bekommt, bei der gitterförmig verteilten Aioli bestimmte die Zitrone das frische Aroma und nicht zuvörderst der Knoblauch. Danach gab es Taglioni mit Bottarga (14 Euro), Pasta mit getrocknetem Fischrogen, wie er auf Sardinien verbreitet ist. Die Soße war sämig und würzig, die hausgemachten Nudeln hatten ordentlich Biss, hätten aber durchaus mehr Resthitze vertragen, was durch die Weinbegleitung schnell in Vergessenheit geriet.

Einen Lusignolo (4 Euro) hatte die Bedienung empfohlen, der Rosato aus den Abruzzen war fast rot und schwer und passte hervorragend zum salzigen Charakter der Bottarga. Die halbgefrorene Cassata Siciliana (6 Euro) zum Abschluss war frisch gemacht, Früchte und Pinienkerne knackig, das Eis sämig. Den duftigen französischen Muscat, der als nette Geste aufs Haus ging, tranken wir gern, am liebsten zur Mousse au Chocolat mit Himbeeremulsion (6 Euro), die eine überraschend feine Zitronennote hatte.

Ein anderes Mal setzten wir uns in die Mittagssonne, die da noch glühte, und freuten uns beim Mittagsmenü (12 Euro) über einen Gazpacho, der duftete vor frischen Kräutern. Als sehr willkommene Abwandlung des andalusischen Vorbilds schmeckte diese kalte Gemüsesuppe besonders fruchtig durch die Beigabe von frischem Orangensaft. Der Sommersalat mit Ziegenkäse war gekrönt von Beeren und Kräutern. Der Kollege ließ vom zarten und reichlichen Lämmchen probieren und war selbst wiederum sehr angetan von den Linguine mit würziger Polposoße. Der empfohlene fruchtig schwere Masieri (3,50 Euro) aus dem Veneto bot beiden auch als Weißwein gut Paroli.

Ein Besuch im Sarfati ist ein Genuss, es gibt keine große Oper, dafür aber Detailliebe, die sich in überraschenden Kombinationen mit sorgfältig abgestimmten Weinen und einem sehr zuvorkommenden Service zeigt. Ein komfortables Restaurant, in dem man sich sofort wohlfühlt, eben weil es ohne Moden auskommt. Im Westend gibt es, wie überall in München, sicher keinen Mangel an italienischen Restaurants. Das Sarfati aber schließt eine Lücke, von der man vorher gar nicht glaubte, dass es sie gab.

© SZ vom 19.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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