Normalerweise sind es ja eher die jungen Leute, die es ins Internet drängt, auf der Jagd nach den meisten Klicks. Als Musiker, um die Angebetete zu beeindrucken. Als Sportler, der mehr Fußball-Tricks drauf hat als der ganze FC Bayern zusammen, oder als Küchenfee, die aller Welt zeigen will, wie perfekt sie Pasta al dente kochen kann. Manche von ihnen werden Internetstars, weil sich so viele Leute ihr Video anschauen. Und einige wenige verdienen sogar Geld damit, weil Firmen diese Auftritte im Netz mit Werbung flankieren.
Oma Annemarie spielt kein Instrument, hat mit Fußball nichts am Hut und kocht auch nicht. Ein Internetstar ist sie trotzdem. Die 88-Jährige rappt die Leute ins Koma. Mehr als eine Million Mal wurde ihr Video bereits geklickt, die Kommentare ihrer Zuseher sind meist positiv. Wer hätte nicht gerne so eine Großmutter, die für einen solchen Spaß zu haben ist?
Ausgedacht hat sich die Aktion ihr Enkel Sebastian. Er hat dem Antenne-Bayern-Moderator Wolfgang Leikermoser aufgetragen, aus der alten Dame, die im Unterföhringer Seniorenheim lebt, einen Youtube-Star zu machen. Leikermoser bekommt seit Wochen unter dem Motto "Das schafft der Leiki nie" vermeintlich unlösbare Aufgaben von seinen Hörern gestellt. Binnen einer Woche, so die Aufgabenstellung, sollten 100 000 Menschen das Internetvideo mit der alten Dame anklicken, mittlerweile sind es zehnmal so viele.
Oma mag grad keine Interviews geben
Oma Annemarie ist jetzt ein Star - und der Rummel um ihre Person stresst sie dann doch etwas, wie Angela Plank erzählt. Die Seniorin mag im Moment keine Interviews geben, dafür darf Plank Rede und Antwort stehen. Die Heilpraktikerin arbeitet in der sozialen Betreuung des Seniorenzentrums in Unterföhring und hat die 88-Jährige bei den Dreharbeiten zu "Oma rappt dich ins Koma" begleitet.
Einen ganzen Tag lang haben die Aufnahmen für das Video gedauert; Oma Annemarie hat diese Stunden sehr genossen, wie Plank schildert. Die Münchnerin, die seit ein paar Jahren im Altenheim in der Stadtrandgemeinde wohnt, wurde "umgestylt" - von klassischer Dame auf wilde Rapperin in typischen Klamotten, die auch gut und gerne irgendwo in der Bronx leben könnte. Dicke goldene Ketten, schwarze Sonnenbrille, Sweatshirt mit dem Aufdruck "Good Vibes".
Musste Oma Annemarie lange überlegen, ob sie ihrem Enkel den Gefallen tut und sich singend und tanzend ins weltweite Netz traut? Nein, sagt Plank. Die alte Dame sei ja noch gut beieinander, geistig fit und mit viel Humor ausgestattet. "Rappen, das können Sie doch", lautete die Devise - und schon war Oma Annemarie dabei.
Den Songtext habe sie schnell eingeübt, tanzen kann sie schon immer. Text und Musik kommen von Radiomoderator Leikermoser und dem Team seiner Sendung. Die im Video zu sehenden Background-Sängerinnen stammen aus der Redaktion des Senders und singen auch in der betriebseigenen Band.
Ü90-Party im Ismaninger Altenstift
Der Umgang mit der 88-Jährigen sei sehr rücksichtsvoll gewesen, erzählt Plank. Genauso wie der mit weiteren Senioren, diesmal aus dem Ismaninger Altenstift, wo ein paar Szenen einer spontan organisierten Ü90-Party für das Video entstanden sind, wie Angela Plank erzählt. Soll noch einer sagen, Senioren sind nicht spontan.
Dass die Oma-Aktion auf so viel Resonanz im Netz stößt, das habe niemand ahnen können, versichert Cornelia Klotz, die Pressesprecherin des Radiosenders. Und auch Moderator Wolfgang Leikermoser ist regelrecht baff, dass aus dem Großmutter-Rap innerhalb kurzer Zeit ein solcher Internet-Hit geworden ist: "Oma Annemarie ist wirklich eine Wucht! Mit 88 Jahren ein Musikvideo zu drehen und so viel Spaß daran zu haben - da zieh ich meinen Hut. Dass das Video dann auch noch so durch die Decke geht, freut mich nicht nur weil ich meine Aufgabe erfüllt habe, sondern weil man merkt, dass die Leute Oma Annemarie genauso toll finden wie wir", sagt Leikermoser, der als nächste Aufgabe ein neues Zuhause für Hausschwein Rudi sucht.
Ein großer Blumenstrauß ist Oma Annemarie auf jeden Fall sicher, ebenso wie ein Exemplar des Videos. Und natürlich Erholung von den dann doch anstrengenden Dreharbeiten: Stars müssen schließlich ausspannen nach all dem Rummel. Vor allem in dem Alter.