Rechtsradikale dürfen auf den Marienplatz:Richter lassen Neonazi-Aufmarsch zu

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Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof gestattet die von Neonazis für diesen Sonntag angekündigten Mahnwache auf dem Münchner Marienplatz. Die Polizei rechnet derweil mit bis zu 500 Gegendemonstranten.

Die von Neonazis für diesen Sonntag auf dem Marienplatz angemeldete Mahnwache mit dem Titel "Tag der Ehre, nicht der Befreiung" darf von der Stadt weder verboten, noch auf einen anderen Tag und auch nicht an einen anderen Ort verlegt werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) machte am Freitag deutlich, dass eine zeitliche Verschiebung einem Verbot gleich käme.

Zwar habe der 8.Mai als 60. Jahrestag des Kriegsendes eine besondere Symbolkraft. Das Auftreten der Rechtsextremen sei zweifellos eine erhebliche Provokation der Öffentlichkeit. "Gleichwohl stellt die Veranstaltung mit nur etwa 25 angemeldeten Teilnehmern keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, welche ein Verbot auf der Grundlage der bestehenden Gesetze rechtfertigen könnte", sagten die Richter.

Auch die Verweisung an einen anderen Ort, wie sie die Stadt gefordert hatte, wäre ihrer Meinung nach rechtswidrig. Der Marienplatz sei seit Jahrzehnten ein zentraler Veranstaltungsort "für alle nur denkbaren Organisationen in und um München". Ihm komme weder im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus noch mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine herausragende Bedeutung zu. Alle solchen zentral genutzten Plätze, die keinen spezifischen Bezug zum Unrechtsregime der Nazis hätten, seien in der Regel nicht geeignet, entsprechende Auflagen zu rechtfertigen (Aktenzeichen: 24CS05.1160/-1161).

Proteste angekündigt

Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle nannte den VGH-Beschluss "mehr als enttäuschend". Er kritisierte, dass die Richter nicht auf das unsägliche Thema der Versammlung eingegangen seien. Als "Skandal" bewertete Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, die Entscheidung: "Wer eine Nazi-Diktatur installieren will, darf sich nicht auf die Versammlungsfreiheit berufen."

Wie berichtet, hatte der mehrfach vorbestrafte Rechtsextremist Norman Bordin bereits im vorigen Jahr in einer Sammelanmeldung gleich mehrere Kundgebungen auf dem Marienplatz angemeldet. Dagegen hatten linke Gruppierungen bereits Proteste angekündigt. Am Freitag regten auch SPD und Grüne die Münchner an, gegen die "Verhöhnung der Opfer" am Sonntag um 17 Uhr auf dem Marienplatz "Flagge zu zeigen".

Verschiebung nicht zugelassen

Die Polizei stellt sich auf bis zu 500 Gegendemonstranten ein, zumal am 8. Mai zahlreiche Gedenkveranstaltungen in der Innenstadt stattfinden. Auf dem Marienplatz werden die Neonazis von Absperrgittern umgeben sein. "Uns bleibt wieder einmal nichts anderes übrig, als sie zu schützen und die Gegendemonstranten auf Distanz zu halten", sagt der stellvertretende Polizeichef Jens Viering.

In erster Instanz hatte das von den Rechtsextremisten angerufene Verwaltungsgericht einen Teil des städtischen Verbots bestätigt, nämlich dass die Veranstaltung vom Marienplatz in die Fußgängerzone am Richard-Strauss-Brunnen verlegt werde. Die von der Stadt angeordnete zeitliche Verschiebung vom 8. auf den 9. Mai hatten die Richter gleichfalls nicht gelten lassen.

© Süddeutsche Zeitung vom 7.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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