Rechtsradikale:Braune Parolen im Hinterzimmer

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Ein Lokal in Obergiesing ist als Neonazi-Treff ins Gerede gekommen - der Wirt verteidigt sich: "Die Leute waren immer höflich". Ihm sei erst nach einer Weile bewusst geworden, wer in dem Saal der Gaststätte Veranstaltungen abhielt.

Von Nina Berendonk

(SZ vom 25.09.2003) - Norbert Klein sieht nicht gut aus. Sein Gesicht hat eine fahle Blässe, die Augen blicken angestrengt. Kein Wunder: Das Geschäft läuft nicht, zu wenig Leute trinken Bier in der "Freundschaft" in Obergiesing. Das war bis zum Sommer noch anders: Da hat alle anderthalb Monate eine große Gruppe den Saal auf der anderen Seite der hellbraunen Faltwand angemietet und bei ihren regelmäßigen Treffen für Umsatz gesorgt.

Wen genau er da in dem Raum, in dem im Winter bayerisches Volkstheater gespielt wird, zu Gast hatte, das hat Klein erst nach einer Weile gemerkt, sagt er. Ein paar trugen die Haare kurz geschoren, dazu Bomberjacken und Springerstiefel, die anderen hätten "ganz normal" ausgesehen, erzählt Klein, einige alte Damen seien auch immer dabei gewesen. Ganz zivilisiert hätten die sich alle benommen: Ausgesucht höflich, nie betrunken und gutes Trinkgeld habe es auch immer gegeben. Auch heute mag Klein es nur ganz leise sagen, wen er für den Initiator der Treffen hält: "Demokratie Direkt, schätze ich". Und dann nochmal: "Aber aggressiv waren die nie."

War die "Freundschaft" ein Treffpunkt von Neonazis, die mit dem geplanten Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum zu tun haben? Es gibt zumindest Vermutungen in dieser Richtung. Wirt Norbert Klein weiß davon nichts, die ganze Sache ist ihm nicht geheuer. "Das alles hat nichts mit meiner politischen Einstellung zu tun." Eher schon mit finanziellen Problemen. Klein zupft an seinem Bierdeckel herum, dann strafft er sich: "Schicken Sie mal 100 Leute weg, wenn es Ihnen finanziell dreckig geht!"

Früher galt die "Freundschaft" als Sozi-Kneipe, Treffpunkt für linke Arbeiter, von denen es in Obergiesing traditionell viele gibt, heute wohnen in der Gegend viele Immigranten, Schwarze, Tamilen, Inder, wie Klein berichtet. Ein paar SPD-Veranstaltungen hat es auch gegeben in der "Freundschaft", aber als man Raummiete verlangen wollte, sind sie nicht mehr wiedergekommen.

Also hat sich Norbert Klein gefreut, wenn alle paar Wochen immer die gleiche Frau bei ihm anrief, um einen neuen Termin für die große Gruppe anzumelden - "eine politische Diskussion veranstalten sie, hat die Dame gesagt." Norbert Klein wiederholt es wie eine Gebetsformel. Natürlich hat er zur Kenntnis genommen, dass die Kontaktperson einmal ein Bild von Rudolph Hess auf ihrem T-Shirt hatte. Selbstverständlich hat er nicht vergessen, dass in dem Raum hinter der Falttüre mehrmals vom Jakobsplatz die Rede war und dass die Redner vorne am Pult "nicht gerade Fürsprecher" waren für das geplante jüdische Zentrum in der Münchner Innenstadt.

Aber er hatte sich ja abgesichert: Gleich nach den ersten Treffen im Frühling des vergangenen Jahres hat Norbert Klein zuerst beim KVR und dann bei der Polizei angerufen und sich erkundigt, ob er sich strafbar macht, wenn er diesen Leuten den Saal hinter der Faltwand vermietet. Er solle die Leute im Auge behalten, wurde Klein am Telefon gesagt, "und das haben wir gemacht". Jedes ausgemachte Treffen hat er bei der zuständigen Polizeiinspektion gemeldet.

Außerdem habe er sich bei seinen Bedienungen erkundigt, ob die den Neonazi-Drahtzieher Martin Wiese mal hier gesehen haben. "Das haben die absolut verneint!" Eine Kellnerin widerspricht dem Chef später hinter vorgehaltener Hand: "Der war mal hier, sagen die Gäste."

Inzwischen kommt die Gruppe nicht mehr in die "Freundschaft" - Norbert Klein hat es nicht mehr gewollt. Zu viele Streifenwagen standen ihm bei den letzten Treffen draußen vor dem Lokal. Seine Stammgäste haben sich schon über den Trubel beschwert. Also hat er der Dame am Telefon gesagt, dass es keine weiteren Zusammenkünfte bei ihm in der "Freundschaft" geben wird. Norbert Klein will keinen Ärger.

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