Rechtsextremismus:Neonazis sagen Samstags-Demo ab

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Die NPD hat ihren für Samstag geplanten und vom KVR bereits genehmigten Marsch durch die Innenstadt überraschend abgesagt. OB Christian Ude, der zu einer Gegendemonstration am Marienplatz aufgerufen hatte, sagte gestern, "die Neonazis haben einsehen müssen, dass ein brauner Spuk in dieser Stadt unerwünscht ist".

Berthold Neff

Einen Tag vor der Absage hatte das Kreisverwaltungsreferat die NPD-Kundgebung unter dem Motto "Nur ein Esel glaubt noch an den Sozialstaat in der BRD - Rückführung statt Integration" genehmigt, den Zugweg aber stark verändert und auch zeitlich eingeschränkt (15 bis 18 Uhr statt 12 bis 22 Uhr). Festgelegt wurde ein Demo-Zug vom Stachus über die Sonnenstraße und das Sendlinger Tor zum Goetheplatz. Ursprünglich hatte die NPD von der Theresienwiese bis zum Marienplatz marschieren wollen.

Zumindest am 1. Juli nicht nötig: Plakat der Gegenveranstaltung. (Foto: N/A)

Der stand dafür ohnehin nicht mehr zur Verfügung, nachdem der Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker und der KZ-Überlebende Martin Löwenberg dort für 11 Uhr eine Gegendemonstration mit weitaus mehr Teilnehmern angemeldet hatten.

Zusätzlich zum Anti-Neonazi-Protest aus dem linken Spektrum hatte auch OB Christian Ude an der Spitze des "Münchner Bündnisses für Toleranz, Demokratie und Rechtsstaat" dazu aufgerufen, der Weltöffentlichkeit zu beweisen, dass München den Neonazis eine klare Absage erteile. Ude: "Den Neonazis darf es nicht gelingen, die Atmosphäre zu vergiften, unsere Gäste zu verängstigen und ein hässliches Zerrbild Deutschlands zu zeichnen."

Offiziell begründet die NPD die Demo-Absage damit, dass sie die Sicherheitskräfte nicht überfordern wolle. Es sei "nicht in unserem Interesse, dass während der WM Sicherheitslücken entstehen, welche dann von kriminellen und gewalttätigen Kreisen missbraucht werden", teilte Anmelder Norman Bordin dem KVR per Fax mit. Zugleich meldete er die Veranstaltung auf den 19. August um - dem Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. An diesem Tag marschierten Neonazis an dessen Grab im fränkischen Wunsiedel auf, bis es im vergangenen Jahr erstmals verboten wurde.

Der Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker feierte die Absage gestern zwar als "großen Erfolg einer geschlossen und entschieden auftretenden Bürgerschaft", findet aber eine NPD-Demo in der WM-freien Zeit "genauso unerträglich". Unklar sei auch, ob der Rückzug der NPD nicht nur ein Trick sei, um am Donnerstag oder Freitag doch noch kurzfristig eine Kundgebung anzumelden.

Das Bündnis für Toleranz, das Münchner Bündnis gegen Naziaufmärsche und die Bayerische Strafverteidigerinitiative werden deshalb erst am Donnerstag entscheiden, ob die Protestkundgebung wie geplant stattfindet. Wahrscheinlich ist, dass stattdessen eine "Veranstaltung mit Festcharakter" angesetzt wird, wie es OB Christian Ude formulierte. Wie auf die NPD-Anmeldung für den 19. August zu reagieren sei, wird Ude zufolge "gesondert zu beraten sein".

Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle hatte die NPD-Kundgebung vom Samstag mit Verweis auf die Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit genehmigt. Es habe keine hinreichend konkrete Gefahrenprognose der Polizei vorgelegen, die ein Verbot gerechtfertigt hätte. Blume-Beyerle erklärte, er unterstütze den Aufruf zur Gegendemonstration, habe sich aber als Chef der Genehmigungsbehörde "ausschließlich am geltenden Recht und nicht am politisch Wünschenswerten orientieren müssen".

© SZ vom 28. 6. 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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