Rechtsextremismus in München:Chronik brauner Gewalt

Lesezeit: 8 min

Schläge ins Gesicht, Hakenkreuze, Hetze gegen Juden: Die Liste an rechtsextremen Vorfällen in München ist erschreckend lang. Eine Dokumentation der Vorfälle seit 2006.

Bernd Kastner

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hat den aktuellen Verfassungsschutzbericht am Montag vorgestellt. Die SZ dokumentiert nachfolgend eine Auswahl der Vorkommnisse in München mit erwiesenem oder mutmaßlichem rechtsextremistischen Hintergrund seit Januar 2006.

(Foto: Foto: ddp)

Hakenkreuze an der Fassade

12.Januar 2006: Der Kulturladen im Westend wird mit Hakenkreuz und SS-Zeichen beschmiert.

Polizisten bedroht

13.Januar: Die Polizei nimmt einen der Anführer der rechten Szene fest. Der Mann hat Beamte beschimpft und bedroht. Einen türkischstämmigen Polizisten soll er mit den Worten angegangen haben: "Ihr gehört vergast."

Marsch gegen Beckstein

14. Januar: Zum fünften Jahrestag des brutalen Überfalls von Rechtsextremisten auf einen Griechen in der Zenettistraße marschieren rund 150 Neonazis durch München, Motto: "Beckstein auf die Pelle rücken - Polizeiwillkür stoppen". Einer ihrer Redner skandiert die Parole "Deutschland Bullenstaat", weshalb er später rechtskräftig verurteilt wird. Am Hauptbahnhof bewerfen Neonazis Polizisten mit Flaschen, 13 der Rechten werden abgeführt.

Zivilbeamter verletzt

13.Februar: Bei einer NPD-Kundgebung auf dem Marienplatz schlägt ein Rechtsextremist mit einer Fahnenstange auf einen Zivilpolizisten ein. Dieser wird am Kopf verletzt.

Schläge in der U-Bahn

28. Februar: Ein 40-jähriger Marokkaner wird im U-Bahnhof Münchner Freiheit von zwei Tätern wegen seiner Herkunft beschimpft, sie schlagen ihm mit der Faust ins Gesicht.

Hakenkreuz auf Kirche

Februar: Eine Garchinger Kirche wird mit einem Hakenkreuz und "Sieg Heil" und "Juden ins KZ" besprüht.

Geburtstagsfeiern im Bunker

Frühjahr: Neonazis nutzen den Allacher Hochbunker für Geburtstagsfeiern.

Tiraden im städtischen Intranet

9.März: OB Christian Ude muss ein Diskussionsforum im städtischen Intranet schließen. Zunächst geht man von mehreren städtischen Angestellten aus, die sich in das Online-Forum mit Phantasienamen wie "Der Führer warnt" oder "Sauberes Deutschland" eingeloggt und rechtsextremes Gedankengut ausgetauscht haben. Die Untersuchung der Stadt ergibt, dass es sich nur um einen Mitarbeiter handelt. Er wird abgemahnt, "für eine fristlose Kündigung reichte es nicht", so das Personalreferat. Der Mann sei kein Rechtsradikaler.

Angriff auf Schwarzafrikaner

27. April: Drei junge Deutsche beleidigen am Hauptbahnhof zwei Männer aus dem Kongo, eine Frau soll gerufen haben: "Verpiss dich, Scheißneger." Später wirft sie einem der Schwarzafrikaner eine volle Bierflasche an den Kopf.

Skinheadband in Allach

29.April: Im Allacher Hochbunker tritt die Skinheadband Jagdstaffel auf. Auf einer Tafel sind ein Reichsadler und das Wort "Endsieg" aufgemalt. Die Polizei stoppt die Veranstaltung.

Polizist zeigt Hitlergruß

11.Mai: Zwei betrunkene Bereitschaftspolizisten, die privat eine Disco besuchen, geraten mit anderen Gästen in Streit. Dem Türsteher zeigt einer der beiden den Hitlergruß, dieser wird aus dem Polizeidienst entlassen, die Disziplinarstrafe ist aber noch nicht rechtskräftig.

Hakenkreuz am Balkon

9. Juni: In einer Wohnung feiern Rechte den Sieg der deutschen Fußballelf im WM-Eröffnungsspiel. Über die Balkonbrüstung hängen sie eine Hakenkreuzfahne, in der Wohnung findet die Polizei NS-Devotionalien.

Neonazi fliegt aus CSU

10. Juli: Die Münchner CSU schließt ein Mitglied aus der Partei aus, weil der Mann vielfältige Kontakte zur neonazistischen Szene hat.

Führender Aktivist verurteilt

20./21.September: Ein führender Münchner Rechtsextremist wird an zwei Tagen hintereinander verurteilt: zu vier Monaten Haft auf Bewährung wegen Körperverletzung, weil er auf dem Marienplatz bei einer NPD-Demo eine Gegendemonstrantin mit einem Faustschlag niedergestreckt hatte. Tags darauf wegen Schwarzfahrens.

Einsatzleiter angegriffen

Oktober: Das Amtsgericht verurteilt einen 19-jährigen Neonazi zu zwei Jahren auf Bewährung. Er hatte im Dezember 2005 bei einer Demo den Einsatzleiter der Polizei angegriffen und verletzt.

Im "Verbotsirrtum"

23.Oktober: Einer der bekanntesten Rechtsextremisten Münchens wird vor Gericht freigesprochen. Bei einer Demo auf dem Marienplatz zum "Bombenholocaust in Dresden" hatte der Mann eine schwarze Fahne mit weißem Keltenkreuz präsentiert, Symbol einer verbotenen Organisation. Der Neonazi gibt sich als "juristischer Laie", der nichts von der Strafbarkeit gewusst haben will. Das Gericht billigt ihm den "Verbotsirrtum" zu.

Äthiopier erleidet Nasenbeinbruch

6. November: Ein 28-jähriger betrunkener Neonazi singt in der U 1 deutsch-nationale Lieder, beleidigt einen 22-jährigen Äthiopier rassistisch und schlägt ihm mehrmals ins Gesicht. Das Opfer erleidet einen Nasenbeinbruch.

NPD-Demo verboten

9. November: Die NPD will am Tag der Synagogeneröffnung vor dem Rathaus demonstrieren. Das Bundesverfassungsgericht verbietet das.

Zähne ausgeschlagen

19. November: Nach einer Betriebsfeier schlägt vor einer Großgaststätte in der Maxvorstadt ein 22-Jähriger einem 29-jährigen Deutschen dunkler Hautfarbe mit der Faust ins Gesicht, so dass das Opfer drei Zähne verliert. Der Täter skandiert die Parole "White Power".

Soldaten prügeln Kubaner

16. Dezember: Zwei Bundeswehrsoldaten, 22 und 23 Jahre alt, gehen auf dem Gelände der Kultfabrik auf einen Kubaner los: "Ihr Neger habt hier nichts zu suchen." Anschließend treten und schlagen der Unteroffizier und der Wehrpflichtige auf den 19-Jährigen ein.

Party in Schwabing

17. Dezember: In einer Wohnung in der Herzogstraße ist eine überlaute Party im Gange, antisemitische Brüllereien und "Heil Hitler"-Rufe dringen nach draußen. Die Polizei nimmt sieben Neonazis fest. In der Wohnung finden sich Hitler-Bilder, eine Reichskriegsflagge und 200 einschlägige CDs.

Hetze gegen Juden

15. Januar 2007: Der Israelitischen Kultusgemeinde geht ein anonymes Schreiben mit einem Bild Hitlers und dem Hoheitszeichen der NSDAP zu. Das Pamphlet endet mit den Worten: "Wir kämpfen weiter gegen die Verjudung Deutschlands und Europas."

Angriff auf Polizisten

4. März: Rund 20 rechtsradikale Discobesucher geraten in der früheren Funk-Kaserne mit jungen Ausländern aneinander. Die Neonazis rufen "Ausländer nach Auschwitz". Einer versucht, mit einer Stahlrute einen Polizisten zu treffen.

Neonazi im Landtag

7. März: Als die SPD-Landtagsfraktion die Ausstellung "Rechtsradikalismus in Bayern" eröffnet, ist auch ein Neonazi anwesend. Er ergreift das Wort und verbreitet minutenlang seine Tiraden, ehe ihn Polizisten hinausbegleiten.

Randale am S-Bahnhof

14. März: Ein wegen diverser Gewalttaten vorbestrafter Neonazi wird vom Landgericht unter anderem wegen Volksverhetzung zu 14 Monaten Haft verurteilt. Wenig später grölt er in der S-Bahn ausländerfeindliche Parolen. Auf dem Bahnhof in Gröbenzell zertrümmert er eine Bierflasche und ruft "Sieg Heil". Erst jetzt ergeht Haftbefehl gegen ihn. Trotz neun Vorstrafen hatte die Staatsanwaltschaft München dafür zuvor keinen Anlass gesehen.

Autos demoliert

22. April: Vier Betrunkene demolieren nachts in Schwabing Autos. Zwei von ihnen sind als Rechtsextreme bekannt.

Attacke auf Israel-Fest

3. Mai: Etwa ein Dutzend schwarz gekleideter Neonazis der Autonomen Nationalisten München stören vor der Feldherrnhalle den Israel-Tag mit Parolen wie "Juden raus - aus Palästina!" Einer zeigt den Hitlergruß. Bei der Festnahme durch die Polizei ruft einer: "Judenschweine, verpisst euch doch!"

Schläge nach Sonnwendfeier

23. Juni: Am Giesinger Bahnhof prügeln vier junge Männer aus der rechtsextremen Szene nach einer Sonnwendfeier in Neubiberg grundlos auf zwei Schüler ein. Auch ein dunkelhäutiger Mann, der helfen will, wird angegriffen, die Schläger schreien "Heil Hitler".

Lebensgefährlich verletzt

27. Juli: Ein 45-jähriger Italiener wird im Hofgarten von Unbekannten grundlos niedergeprügelt und lebensgefährlich verletzt, er erleidet Gesichtsknochenbrüche, Rippenfrakturen und eine Gehirnblutung. . Es wird vermutet, dass die Täter aus der rechtsextremen Szene kommen und den Italiener für einen Obdachlosen hielten, weshalb sie ihn malträtierten. Die Polizei dagegen sieht keinen rechtsextremen Hintergrund. Die Täter sind bis heute nicht gefasst.

Schläge in der S-Bahn

31.Juli: Drei Neonazis rufen in der S-Bahn zwischen Marienplatz und Hauptbahnhof "Sieg Heil" und zeigen den Hitlergruß. Als ein 29-Jähriger einschreitet, schlagen ihm die Rechtsradikalen mehrmals gezielt ins Gesicht.

Angriff auf Touristen

16.August: Fünf junge, betrunkene Rechtsextremisten attackieren im Bahnhofsviertel drei Touristen aus Katar. Als eines der Opfer auf dem Boden liegt, tritt ein Täter mit dem Fuß zu.

Skinheads gehen auf Türkin los

8. September: Drei Skinheads beleidigen ein Mädchen auf einer Rolltreppe am Isartorplatz mit Worten wie "Türkenschlampe". Es entsteht ein Gerangel, bei dem das Mädchen und ein Passant, der eingreifen wollte, geschlagen werden.

Neonazis auf dem Oktoberfest

30. September: Die NPD-Tarnorganisation "Münchner Bürgerinitiative Ausländerstopp" gründet sich nach eigenen Angaben in einem Bierzelt auf der Wiesn.

Totengedenken an Röhm

1. November: 20 Neonazis treffen sich auf dem Westfriedhof am Grab des Chefs der NS-Terrormiliz SA, Ernst Röhm, zum Totengedenken. Sie legen einen Kranz mit der Aufschrift "ewig unvergessen" nieder.

Hetz-CD an Schüler verteilt

5. November: Glatzköpfige NPD-Aktivisten in Bomberjacken verteilen vor dem Luisengymnasium CDs rechtsextremen Inhalts an Schüler.

Skinhead beschimpft Griechin

5. Januar 2008: Ein 24-jähriger Skinhead packt in der S-Bahn eine Griechin an der Schulter, stößt sie gegen eine Mittelstange und beschimpft sie als "Zecke".

300 Neonazis im Hasenbergl

6. Februar: In einem Wirtshaus im Hasenbergl versammeln sich mehr als 300 Rechtsextremisten aus dem ganzen Bundesgebiet zum sogenannten politischen Aschermittwoch, darunter auch der NPD-Vorsitzende Udo Voigt.

Angriff auf russische Jugendliche

26. Februar: Zwei 20-jährige Neonazis greifen in Bogenhausen grundlos zwei russischstämmige Jugendliche an. Die einschlägig bekannten Täter schlagen ihnen mehrfach mit der Faust ins Gesicht.

Hitlergruß im Rot-Kreuz-Hof

19. März: Im Innenhof des Bayerischen Roten Kreuzes im Lehel zeigt ein Lastwagenfahrer einem BRK-Mitarbeiter den Hitlergruß. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, weil der Hof Privatgelände sei - obwohl auch für Passanten problemlos zugänglich.

Neonazi in Stadtrat gewählt

2. März: Der Rechtsextremist Karl Richter zieht für die "Bürgerinitiative Ausländerstopp" in den Stadtrat ein. Die Liste erhält 1,4 Prozent der Stimmen. Richter ist nach eigenen Angaben Leiter des Beraterstabs der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag.

Auszeichnung für Großverleger

10. April: Eine rechtsextremistische Kulturvereinigung ehrt den 80-jährigen Münchner Großverleger Herbert Fleissner (Verlagsgruppe Langen Müller Herbig Nymphenburger) mit der Hutten-Medaille. Auslober des Preises ist die "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP), die der NPD nahe steht und laut Verfassungsschutz "die größte rechtsextremistische Kulturvereinigung" der Republik ist. CSU-Mitglied Fleissner, der sich schon länger am rechten Rand bewegt, bedankt sich für die Auszeichnung bei der GFP. Vor ihm hatten bekannte Neonazis den Preis erhalten.

Kameruner beleidigt

15. Mai: Ein 35-jähriger Münchner beleidigt am Stachus einen Kameruner fremdenfeindlich und will ihn schlagen. Ein Begleiter des Münchners verhindert dies in letzter Sekunde.

Demo gegen Dokumentationsarchiv

13. Juni: Etwa 75 Neonazis demonstrieren gegen das "Kafe Marat" in der Thalkirchnerstraße, in dem sich linksorientierte Jugendliche treffen, und gegen das Antifaschistische Dokumentationsarchiv Aida. Dessen Mitglieder beobachten seit Jahren die rechte Szene.

Fußballfans pöbeln

25. Juni: Etwa 30 Neonazis schauen sich in einer Fußball-Fankneipe in der Arnulfstraße ein EM-Spiel an, anschließend ziehen 20 von ihnen grölend durch die Straßen.

Neonazis beleidigen Ude

12. Juli: Beim Christopher Street Day stören etwa ein Dutzend Neonazis eine Rede von OB Ude mit beleidigenden Plakaten.

Verdacht der Wahlfälschung

Juli 2008: Die Staatsanwaltschaft leitet ein Ermittlungsverfahren ein, weil Rechtsextreme unter dem Verdacht der Urkundenfälschung stehen. Im Vorfeld der Landtags- und Bezirkstagswahl waren bei der Stadt 14 Unterstützerunterschriften für die NPD mit ähnlichem Schriftbild abgegeben worden. Das Verfahren läuft laut Staatsanwaltschaft noch, "gegen Unbekannt".

Parolen an TU-Gebäude

23. Juli: Gebäude der Technischen Universität in Weihenstephan werden von Unbekannten mit rechtsextremistischen Parolen beschmiert. Laut TU sei Ähnliches in der Vergangenheit mehrfach geschehen.

Stadtrat wegen Hitlergruß verurteilt

21. August: Der neugewählte Stadtrat der rechtsextremen "Bürgerinitiative Ausländerstopp", Karl Richter, wird vom Amtsgericht München verurteilt. Er hatte bei der Vereidigung der Stadträte eine Geste gezeigt, die dem Hitlergruß zum Verwechseln ähnlich sah, und dies im Alten Rathaus, wo 1938 Hitlers Propagandachef Goebbels die Pogromnacht einleitete. Die CSU hatte Strafanzeige gestellt. Richter geht in Berufung.

Neonazis auf Friedhof

1. November: Erneut treffen sich an Allerheiligen Neonazis am Grab von SA-Chef Röhm zum Totengedenken.

"Heldengedenkmarsch"

15. November: Rund 200 Rechtsextremisten ziehen bei einem sogenannten Heldengedenkmarsch stundenlang durch die Innenstadt. Sie skandieren dabei Parolen wie "Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht".

Pöbeleien gegen Schwule

Herbst: Vor dem Sub, dem Schwulen Kommunikationszentrum in der Müllerstraße, kommt es mehrfach zu Pöbeleien durch Rechtsextremisten.

Hakenkreuzfahne an der Wand

21. Dezember: Eine 25-jährige Frau hat in ihrer Wohnung in Giesing eine Hakenkreuzfahne an der Wand hängen, von außen gut sichtbar. Die Polizei findet in ihrer Wohnung Hitlers "Mein Kampf" im Bücherregal.

Tätowierte Finger

29. Januar 2009: Ein 46-jähriger Neonazi wird vom Amtsgericht zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Er trägt seit Jahren auf den Fingern einer Hand fünf eintätowierte Hakenkreuze und weigert sich, sie entfernen zu lassen.Bernd Kastner

© SZ vom 30.03.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: