Prozess um mysteriösen Mordanschlag:Schwangere Schülerin halbtot geprügelt

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Noch ist unklar, ob für den mutmaßlichen Täter das Schwurgericht oder das Jugendgericht zuständig ist.

Alexander Krug

Es war ein raffiniert geplanter Mordanschlag, soviel steht fest. Als Kristal R. in ihre Wohnung in der Theresienhöhe kam, wartete dort bereits der Täter. Er warf eine Wolldecke über sie und hämmerte dann mit einer Gaskartusche auf ihren Kopf ein.

Die 17-Jährige verlor das Bewusstsein, was ihr wahrscheinlich das Leben rettete. Im Glauben, sie sei tot, flüchtete der Täter. Wochenlang ermittelte die Kripo, dann war man sich sicher, in Kamal M. den Delinquenten gefasst zu haben. Seit gestern sitzt er wegen versuchten Mordes auf der Anklagebank im Schwurgericht.

Kamal M. und Kristal R. waren etwa drei Jahre lang befreundet. Die 17-Jährige erwartete ein Kind von ihm, das angeblich vom Angeklagten nicht gewollt war, weil er auch noch eine andere Beziehung pflegte. Der Anklage zufolge entschloss er sich daher, die schwangere Schülerin zu ermorden.

Jedes Detail geplant

Mit einem Nachschlüssel verschaffte er sich am 23. Februar dieses Jahres Zugang zur Wohnung, drehte im Flur drei Glühbirnen locker, bewaffnete sich mit einer Gaskartusche aus der Küche und drehte im Badezimmer das Wasser auf - vermutlich um mögliche Geräusche zu dämpfen. Außerdem zog er sich eine Wollmütze mit Sehschlitzen über und stülpte sich Plastikhandschuhe über.

Als Kristal R. gegen 14 Uhr von der Schule nach Hause kam, warf er ihr im stockdunklen Flur die Wolldecke über den Kopf und schlug sie zu Boden. Dann hämmerte er mit der Kartusche auf ihren Kopf ein, bis sie sich nicht mehr rührte.

Soweit die Anklage, die sich vor allem auf die später in der Nähe des Tatorts gefundene Wollmütze stützt. An ihr waren DNS-Spuren vom Angeklagten gefunden worden - doch damit ist noch nicht bewiesen, dass Kamal M. sie auch zum Tatzeitpunkt getragen hat.

In seinen bisherigen Vernehmungen hat er die Vorwürfe stets bestritten, vermutlich wird er daran auch im Prozess festhalten. Im Schwurgericht hat er sich gestern zum Auftakt nicht geäußert - denn noch ist nicht sicher, ob die Kammer überhaupt für den Angeklagten zuständig ist.

Alter des Täters steht nicht fest

Kamal M. stammt aus Saudi-Arabien und hat die eritreische Staatsangehörigkeit - und damit beginnen die Probleme. Denn offenbar gibt es keine eindeutigen Dokumente, die sein Alter präzise belegen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er "spätestens am 13. Mai 1983" geboren wurde, also zum Tatzeitpunkt bereits älter als 21 Jahre alt war und damit nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden muss.

Die Ankläger haben beim Institut für Rechtsmedizin ein Gutachten in Auftrag gegeben zur Altersbestimmung. Aufgrund von bestimmten Knochen und Zähnen kam der Gutachter zum Ergebnis, dass Kamal M. mindestens 22 Jahre alt sein muss.

Doch Verteidiger Hartmut Wächtler sieht das anders. Er rügte gestern die Zuständigkeit des Schwurgerichts und beantragte, das Verfahren an das Jugendgericht zu verweisen. Bis zum Gutachten der Rechtsmedizin habe Kamal M. immer als "Heranwachsender" gegolten (also unter 21 Jahre) und dies könnten auch Angehörige seiner Familie belegen.

Zehn Jahre oder lebenslänglich

Der Umstand ist nicht unwichtig, denn das Jugendstrafrecht sieht bei versuchtem Mord als Höchststrafe "nur" zehn Jahre Haft vor, als Erwachsenem droht Kamal M. lebenslang.

Anwalt Wächtler zufolge gibt es "zwei Tanten in Saudi-Arabien", die 1985 als das Geburtsjahr von Kamal M. "sicher bezeugen" können. Beide seien grundsätzlich bereit, als Zeugen nach Deutschland zu reisen, derzeit sei dies aber aus verschiedenen Gründen schwierig.

Wächtler beantragte daher zusätzlich auch, das Verfahren auszusetzen. Das Gericht lehnte dies gestern ab - und handelte sich einen Antrag wegen Befangenheit ein. Nun gibt es also noch ein weiteres Problem in diesem Prozess, in dem es wahrlich nicht an strittigen Punkten mangelt: Fortsetzung am Freitag.

© SZ vom 17.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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