Prozess um Mordversuch:"Jetzt zünde ich mich an"

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Er soll ihr hörig gewesen sein: Ein abgeblitzter Hausmeister soll einen Brandanschlag auf eine Nachtclubtänzerin verübt haben. Nun steht der Mann vor Gericht.

Alexander Krug

Es ist wie so oft in einem Strafprozess: Zwei Versionen prallen aufeinander, und wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Norbert W., 63, ist im Schwurgericht angeklagt wegen versuchten Mordes.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Aus Enttäuschung und Wut soll er einen Brandanschlag auf eine Nachtclubtänzerin verübt haben, die seinen Annäherungsversuchen nicht nachgab. So sieht es die Staatsanwaltschaft, doch Norbert W. bestreitet das vehement.

Er behauptet, monatelang von der jungen Frau ausgenutzt worden zu sein. Der Brandanschlag war seiner Schilderung nach nur die unbeabsichtigte Folge eines Selbstmordversuches.

Am 23. Juli vergangenen Jahres rückte die Feuerwehr zu einem Großeinsatz in der Westendstraße aus. Die Einsatzkräfte retteten drei zum Teil schwer verletzte Frauen. Eine davon war Anja A. (Name geändert). Die heute 40-Jährige soll in verschiedenen Etablissements gearbeitet haben, als "Tänzerin" wie sie behauptet, als Prostituierte wie andere sagen. Ende 2005 hatte sie den Angeklagten Norbert W. kennen gelernt.

Der Witwer, der nach langen Jahren aufopferungsvoller Pflege seine Frau verloren hatte, soll in einschlägigen Bars mit Scheinen um sich geworfen haben. Das Geld stammte indes nicht von ihm, sondern gehörte einem 85-jährigen Nachbarn, den Hausmeister Norbert W. betreute und der ihm Kontovollmacht eingeräumt hatte.

Dieser Betrug wird vom Angeklagten auch eingeräumt. Nur will er dazu von Anja A. angestiftet worden sein. "Sie hat mich erst auf die Idee gebracht", behauptet er. Er habe sich in Anja A. verliebt, und sie habe das schamlos ausgenutzt.

"Wenn ein Mann hörig ist, setzt der Verstand aus", sagt der Angeklagte. Anja A. habe ihn "von A bis Z verarscht" und "ausgenommen", insgesamt will er rund 100 000 Euro für sie ausgegeben haben. Er habe ihr jeden Wunsch von den Lippen abgelesen, Klamotten, Schuhe, Reisen, ein Auto, und selbst die Besuche im Fitness- oder Sonnenstudio bezahlt. "Sie hat immer gesagt, Norbert, ich liebe dich doch, du bist die Sonne nach einem langen Regen. Du bist der Mann, auf den ich lange gewartet habe. "

Viel zu spät, so Norbert W., habe er schließlich gemerkt, dass er "verscheißert" worden sei. In seiner Enttäuschung habe er sich schließlich einen Benzinkanister gekauft und sei zur Wohnung in die Westendstraße gefahren.

"Ich wollte mich verbrennen, und sie sollte das sehen", behauptet er. Im Flur habe er das Benzin verschüttet und geschrien: "Du hast mich das letzte Mal verarscht. Jetzt zünde ich mich an." Diese Version stimmt indes nicht mit dem überein, was Norbert W. bei einer früheren Vernehmung zu Protokoll gab: Dort hatte er behauptet, im Flur habe ein Eimer Altöl gestanden, in den dann "zufällig" seine Zigarette gefallen sei.

Für Staatsanwalt Martin Kronester ist die Geschichte mit der angeblichen Selbstverbrennung eine reine Schutzbehauptung. Norbert W. wollte Anja A. töten, sagt er. Mit einem Nachschlüssel soll er die mit einem Sperrriegel von innen gesicherte Wohnungstür einen Spalt geöffnet, fünf Liter Benzin in den Flur geschüttet und entzündet haben.

Anja A. erlitt schwerste Brandverletzungen vor allem an den Beinen, sie lag wochenlang im künstlichen Koma und musste mehrmals operiert werden. "Mein Leben ist zerstört", sagt sie.

Zerstört hat Norbert W. auch das Leben einer Nachbarin. Die 60-jährige asthmakranke Rentnerin erlitt bei dem sich rasend schnell ausbreitenden Feuer eine schwere Rauchvergiftung und muss heute mit einem Beatmungsgerät leben.

An die anderen Hausbewohner habe er gar nicht gedacht, entschuldigt sich Norbert W. Er selber sei damals "total in Flammen" gestanden und habe schwere Brandverletzungen erlitten: "Mir wäre es lieber, ich wäre gestorben." Anja A. wird am Mittwoch als Zeugin erwartet.

© SZ vom 3.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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