Prozess um einen Hund:Dackel als Betriebsgefahr

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Weil ein angeleinter Hund über die Straße läuft, verursacht ein Autofahrer einen Unfall, bei dem die Hundehalterin zu Boden gerissen und verletzt wird. Beide Seiten müssen zahlen.

Ekkehard Müller-Jentsch

"Denke positiv" - diesen allgegenwärtigen Rat sollten Autofahrer wohl besser nicht beherzigen und eher auf das Schlimmste gefasst sein.

Dies geht jedenfalls aus einem Münchner Urteil vom gestrigen Montag hervor. Wie dumm es manchmal laufen kann, musste ein Autofahrer in einem nördlichen Münchner Vorort erleben, der eine quer über die Fahrbahn gespannte Hundeleine übersehen hatte. Dadurch war es zu einem Unfall gekommen, der dem Fahrer eine rechtskräftige Verurteilung zu Schadenersatz und Schmerzensgeld einbrachte.

An einem Aprilabend war eine Frau mit ihrem Dackelmischling in einer kleinen Straße spazieren gegangen, die lediglich für Anlieger frei war. Der Hund hing zwar an einer Leine, doch deren automatische Ab- und Aufrollvorrichtung war entriegelt.

Das quirlige Tier hatte also eine große Bewegungsfreiheit - und diese nutzte es auch aus und lief, von der Besitzerin unbemerkt, auf die andere Straßenseite. Die dünne Hundeleine spannte sich jetzt über die ganze Fahrbahn.

Ein Autofahrer erkannte dieses Hindernis nicht: Sein Wagen verhedderte sich in die Leine und riss die völlig überraschte Frau zu Boden. Bei dem Sturz erlitt sie eine böse Schulterverletzung.

Sie verklagte später den Fahrer auf Schadenersatz: 230 Euro Arztkosten verlangte sie, sowie 800 Euro für eine Haushaltshilfe , da sie sich bis zur Genesung nur mühsam bewegen konnte. Dazu verlangte sie 1500 Euro Schmerzensgeld. Weil der Autofahrer sich jedoch als völlig unschuldig betrachtete, lehnte er jegliche Zahlung ab und ließ sich lieber verklagen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht beteuerte der beklagte Fahrer, dass er die Leine keinesfalls sehen konnte. Ein anderer Passant, der den Unfallhergang beobachtet hatte, sagte als Zeuge aus: Man habe lediglich erkennen können, dass die Hundehalterin auf der rechten und das Tier auf der linken Straßenseite gelaufen seien.

Die Amtsrichterin zog daraus aber den Schluss, dass der Autofahrer bei dieser Sachlage eine erhöhte Vorsicht hätte walten lassen müssen. Der Unfall sei für ihn also keineswegs "unvermeidlich" gewesen, so wie er beteuert hatte. Sie verurteilte ihn dazu, 25 Prozent des Gesamtschadens sowie 200 Euro Schmerzensgeld zu bezahlen.

Kraftfahrer haftet bei Unfällen stets mit

Zur Begründung ihres Urteils berief sich die Richterin auf die "allgemeine Betriebsgefahr". Danach kann bei einem Unfall selbst derjenige haftbar gemacht werden, der sich im Prinzip korrekt im Verkehr verhalten hat - sozusagen nur, weil er überhaupt mit einem Auto unterwegs war. Denn jedes motorisierte Fahrzeug an sich gilt bereits als Gefahrenquelle. In den Augen deutscher Richter beginnt diese "Betriebsgefahr", sobald jemand den Zündschlüssel umdreht.

Jeder Kraftfahrer haftet also selbst bei Unfällen, für die er nach allgemeinem Verständnis eigentlich gar nichts kann, stets ein bisschen mit - jedenfalls so lange, wie er nicht nachweisen kann, dass dieser Unfall für ihn "unvermeidbar" gewesen sei.

Aber auch die Hundeführerin hätte selbst in dieser kleinen Anliegerstraße mit Autos rechnen müssen, sagte die Richterin in der Urteilsbegründung. Dadurch, dass sie es zugelassen habe, dass ihr Hund auf die linke Straßenseite gelaufen und so die Leine über die Fahrbahn gespannt habe, habe sie die Hauptursache für den Unfall gesetzt.

Denn natürlich sei es für den Fahrer schwer gewesen, bei schlechten Lichtverhältnissen die dunkle und dünne Leine zu erkennen. Daher müsse sie 75 Prozent ihres Schadens selbst tragen (Aktenzeichen: 345 C 24576/06).

© SZ vom 28.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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