Prozess um Bruno:Unvollständige Akten

Lesezeit: 2 min

Am selben Tag, an dem Braunbär Bruno erschossen wurde, reichte Rudolf Peter Bruno Riechwald Klage ein. Das ist heute genau ein Jahr her - doch der Kampf des Rechtsanwalts gegen den Abschuss ist noch lange nicht zu Ende.

Christina Maria Berr

sueddeutsche.de: Seit einem Jahr kämpfen Sie gegen den Freistaat Bayern, der den Abschuss von Braunbär Bruno beschlossen hatte. Vor dem Verwaltungsgericht in München wurde Ihre Klage abgewiesen. Nun reichen Sie - pünktlich zum Jahrestag des Bruno-Todes - Widerspruch ein.

(Foto: Foto: dpa)

Rudolf Riechwald: Ja, der Termin passt so schön. Ich habe einen Antrag auf Zulassung der Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gestellt. Ich bin sicher: die Klage ist zulässig.

sueddeutsche.de: Der Richter in erster Instanz sah das ganz anders - und brachte einen Vergleich mit der Weinbergschnecke. Gegen einen Sternekoch, der die Schnecke aus der Natur in den Kochtopf holt, könne man auch nicht klagen, erläuterte er.

Riechwald: Der Vergleich ist absurd. Beim Verkochen einer Weinbergschnecke handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Der Koch kann von einer Privatperson höchstens angezeigt, aber nicht verklagt werden. Bei Bruno hat der Staat den Tod des Bären aber hoheitlich angeordnet.

sueddeutsche.de: Und genau das halten Sie für eine Verletzung des geltenden Rechts ...

Riechwald: ... von Grundrechten und des Europarechts. Der Mensch hat ein Recht darauf, seltene Tiere in der Natur zu sehen. Ich bin davon ja sogar persönlich betroffen, weil der Bär in der Gegend herumlief, in der ich wohne.

sueddeutsche.de: Sind Sie Bruno einmal begegnet?

Riechwald: Leider nein. Aber ich hätte ihn gerne gesehen. Nur verfolgt hätte ich ihn nicht.

sueddeutsche.de: Der Prozess um Bruno ist auch ein Medienspektaktel rund um Ihre Person. Überrascht Sie das?

Riechwald: Ich bekomme viel Zuspruch, auch von prominenten Personen wie Barbara Rütting. Aber ich habe öfter spektakuläre Fälle. Ich bin ja Verwaltungsrechtsprofi und klage quasi jeden Tag gegen den Freistaat.

sueddeutsche.de: Und wenn Sie nun wieder scheitern?

Riechwald: Dann werde ich vermutlich Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einlegen.

sueddeutsche.de: Wenn Sie auch da scheitern, dann bliebe Ihnen nur die EU.

Riechwald: Die Juristen der EU sind auf den Fall sicher schon aufmerksam geworden. Es ist ja ein Widerspruch zur EU-Gesetzgebung, wenn ein Bürger überhaupt nicht gegen solch ein Vorgehen des Freistaates klagen kann.

sueddeutsche.de: Um den Abschuss von Bruno wird ein großes Geheimnis gemacht - steht in den Akten mehr?

Riechwald: Ich weiß nicht mehr als andere. Die Akten sind in vielen Punkten unvollständig, sehr aufschlussreich ist allerdings das Protokoll über die sogenannte Bärenrunde im Umweltministerium: Diese Runde hatte am 20.6.2006 beschlossen, am Montag, den Abschusstag überhaupt erst endgültig zu beschließen.

Die Regierung von Oberbayern hat demnach vorschnell gehandelt, die behauptete Notstandslage des Staates bestand nicht.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: