Programm-Vorschau:"Kein Bayreuth mehr"

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Das ist nicht Dr. Döblingers Kasperltheater, das ist die Leitung des wohl erfolgreichsten Opernhauses der Welt: Kirill Petrenko (li.) und Nikolaus Bachler. (Foto: Hösl)

Die Bayerische Staatsoper erweitert in der kommenden Saison mutig ihr Repertoire

Von Egbert Tholl, München

Der Anfang gehört der Trauer. Beim Absturz der German-Wings-Maschine auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf sind auch zwei Sänger ums Leben gekommen. Sänger, mit denen Kirill Petrenko in Bayreuth zusammengearbeitet hat oder dies tun wollte. Nun ist Oleg Bryjak tot, der Alberich des gegenwärtigen Bayreuther "Rings". Ebenfalls ums Leben kam Maria Radner, zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem Kind; sie hätte in diesem Sommer als Floßhilde und 1. Norn in Bayreuth debütieren sollen. Beide sangen im "Siegfried" in Barcelona (Radner die Erda). Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper: "So viel dazu, wie das Leben hereinbricht ins Theater."

Bachler und Petrenko präsentierten die kommenden Saison der Bayerischen Staatsoper; doch nach dem Moment der Trauer wurde erst einmal der derzeitigen "Ring"-Hysterie ihre Schuldigkeit getan. Bachler: "Wir sind sehr glücklich im ,Ring', zumindest was das Publikum betrifft." Keine Ahnung, was "zumindest" heißen sollte. Aber Ambivalenz prägt auch das Thema der kommenden Spielzeit. Das heißt "vermessen", meint also Analyse genauso wie Hybris, und man kann sich nun überlegen, welche der sieben Neuproduktionen man unter welchen Aspekt subsumieren will.

Keiner der genannten mag allerdings so recht zu Generalmusikdirektor Kirill Petrenko passen. Mit welch' entzückend scheuem Charme dieser Musiker den Wahnsinn um sein Tun und seine Person neugierig betrachtet und sich dann nicht weiter beirren lässt, ist großartig. Wenn Petrenko sagt, es erfülle ihn mit Ehrfurcht, am Ort ihrer Uraufführung Wagners "Meistersinger" (Regie David Bösch, 16. Mai 2016) zu dirigieren, dann ist das keine Pose, sondern zutiefst wahr. Daneben freut er sich auf die Uraufführung von Miroslav Srnkas "South Pole" über den Wettlauf zwischen Scott und Amundsen zum Südpol - "der Komponist macht auf mich einen sehr seriösen Eindruck" (31. Januar 1016). In "South Pole" singen Thomas Hampson und Rolando Villazón, die offenbar das Risiko des Neuen für genauso wichtig halten wie Petrenko. Der macht im Sommer 2015 zum letzten Mal den "Ring" in Bayreuth, das heißt, nach 14 Vorstellungen und drei Monaten Probenzeit braucht er erst einmal ein wenig Ruhe, überlässt deshalb auch die erste Premiere der Spielzeit Omer Meir Wellber - Boitos "Mefistofele" mit René Pape, Joseph Calleja und Kristine Opolais (24. Oktober 2015).

Aber "2016 gibt es kein Bayreuth mehr" (sagt Bachler und muss dann kurz über seinen Satz lachen), Petrenko kann sich dann ganz auf die Staatsoper konzentrieren; schon in der kommenden Saison übernimmt er neben den beiden Premieren interessante Wiederaufnahmen, etwa "Rosenkavalier" und "Fledermaus" (mit Cornelius Obonya, dem Salzburger Jedermann, als Frosch). Dazu drei Akademiekonzerte mit Julia Fischer (Elgars Violinkonzert), Christian Gerhaher (Mahlers "Lied von der Erde") und Frank Peter Zimmermann (Tschaikowskys Violinkonzert).

Neu: Neben Srnka und Boito gibt es zum ersten Mal an der Bayerischen Staatsoper Prokofjews "Der feurige Engel", inszeniert von Barie Kosky, und endlich wieder Barock, Rameaus "Les Indes galantes", inszeniert von Sidi Larbi Cherkaoui. Zubin Mehta wird kurz vor seinem 80. Geburtstag Verdis "Maskenball" leiten (zum ersten Mal in seinem Leben!), Calixto Bieito inszeniert die Festspieleröffnung 2016, Halévys große Oper "La Juive", und im Opernstudio kommt Brittens "Albert Herring" heraus.

Aktuelle Zahlen: 466 Vorstellungen pro Saison, die Opern zu 98,9 Prozent ausgelastet, bis zu 120 000 Menschen gucken das kostenlose Opern-TV, 44 Opern hat man im Repertoire, Bachler freut sich. Und doch soll am Ende noch einmal Petrenko zu Wort kommen. Auf die Frage, ob er nicht endlich einmal ein Interview geben mag, überlegt er lange und meint dann: "In nächster Zeit nicht." Der Mann spricht durch die Musik.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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