Premiere "Peer Gynt":"Allein in der Unterhose in der Wüste"

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Premiere am Dienstagabend im Volkstheater: Maximilian Brückner spielt die Hauptrolle in Ibsens "Peer Gynt".

Egbert Tholl

In den vergangenen Jahren wurde er mit Filmpreisen überhäuft, er ist der jüngste "Tatort"-Kommissar aller Zeiten, war mit Doris Dörries Film "Kirschblüten - Hanami" bei der Berlinale. Und vor allem ist er der Boandlkramer in 130 ausverkauften Aufführungen am Münchner Volkstheater, wo er auch den Räuber Kneißl und in den "Räubern" spielte. In der Premiere spielt Brückner die Titelfigur in Ibsens "Peer Gynt". Mit dabei: die Jungen Riederinger Musikanten. Regie führt Christian Stückl.

Maximilian Brückner spielt in Ibsens "Peer Gynt". (Foto: Foto: dpa)

SZ: Peer sucht den Kern seiner Person in einer Zwiebel - und findet nur Schalen. Wo liegt der Kern Ihres Daseins?

Brückner: Der Kern? Ich finde ihn nicht. Ich mache einfach das, was ich tue.

SZ: Suchen Sie ihn denn?

Brückner: Nein. Wenn man sich in Gedanken verliert, kann man leicht stolpern.

SZ: Eine Erkenntnis aus dem Stück.

Brückner: Wenn ich den Boandlkramer spiele, denke ich ja auch nicht über den Tod nach. Eine Rolle hat nichts mit meinem Privatleben zu tun.

SZ: Und rein künstlerisch gesehen? Wo liegt da der Kern?

Brückner: Also, die Basis ist daheim, ist die Familie. Das ist wie ein Netz: Richtig auf die Schnauze fallen kann ich nicht, außer vielleicht gesundheitlich. Und im Beruf habe ich einfach viel Glück gehabt. Ich habe Glück gehabt am Volkstheater, mit den Kinofilmen, mit all dem, was ich spielen darf.

Und das Sahnehäubchen darüber ist der "Tatort". Vor allem, weil es ein kleiner "Tatort" ist. Einen großen hätte ich nie gemacht. Ich kann nicht viermal im Jahr das Gleiche spielen, da werde ich wahnsinnig, auch wenn ich die Figur weiterentwickeln kann.

SZ: Wie kommen Sie von den bajuwarischen Produktionen am Volkstheater zu einem Klassiker wie "Peer Gynt"?

Brückner: Na, ein großer Klassiker ist das gar nicht. Das wird ja immer völlig überhoben. Du musst es herunterbringen. Wer ist denn Peer Gynt? Ein Bua aus dem Dorf, der immer umeinander träumt, überall aneckt, weil er, bei all seinem Charme, ein bisserl wirr ist, einfach nicht dazu passt.

Dann geht er in die große weite Welt und sucht sich irgendwo selbst. Und weiß auch am Ende nicht, was das eigentlich ist. Das muss man ins Leben ziehen; dann kann man darüber verhandeln. Dann versteht's auch der Zuschauer.

SZ: Wie zieht Ihr die Trolle ins Leben?

Brückner: Das darf ich nicht sagen.

SZ: Ach was.

Brückner: Das müssen Sie sich anschauen. Wir haben da eine richtige Gaudi gemacht. Ob's funktioniert, weiß ich nicht. Du musst das Zeug zusammenkürzen, das hält ja sonst kein Mensch aus. Ibsen selbst hat ja viele Teile herausgenommen, als er es selbst inszenierte. Das sprengt die Möglichkeiten des Theaters.

Wir haben hier keinen Unterbau, keine Oberbühne, wenn ich vorne spiele, wird hinten mordsmäßig umgebaut. Die Riederinger kommen gar nicht mehr aus den Kostümen raus. Das ist an der Grenze des Möglichen.

SZ: Wer inspiriert eigentlich wen: Sie Christian Stückl oder umgekehrt?

Brückner: Das kann man gar nicht sagen. In der ganzen Inszenierung kann man nicht mehr auseinanderhalten, was von wem kam. Wenn wir zwei miteinander proben, hocken die anderen Darsteller teilweise daneben und verstehen nichts mehr. Also auch dialektmäßig, klar.

Einer sagt einen Satz, auf den der andere sofort reagiert. Das ist manchmal schwierig, weil man drauf achten muss, dass man die anderen wieder mit einbezieht. Man merkt halt, das wir beiden die gleichen Gedankengänge haben. Vielleicht liegt's daran, dass wir beide vom Dorf kommen.

SZ: Führt das nicht zu einer Schieflage im Ensemble, dieses gegenseitige Verstehen?

Brückner: Man muss auch sehen, dass ich, wie wenige, an diesem Theater bin, seit es das so gibt. Viele sind gekommen und wieder gegangen. Das heißt aber nicht, dass ich mir herausnehme, hier der Platzhirsch zu sein. Das ist doch schön, wenn jeder Ideen hat. Nur Christian und ich galoppieren halt manchmal in den Gedanken so weit, dass man schauen muss, dass die anderen mitkommen. Solange es um die Sache geht, darf jeder mitreden. Auch jeder Techniker. Nur sobald es um Eitelkeiten geht, wird's scheiße. Das kann ich gar nicht ausstehen.

SZ: Eitelkeiten gehören nun mal zum Schauspielen dazu. Sie mögen auch eine Rolle gespielt haben bei der Entscheidung von fünf Ensemblemitgliedern, am Ende der Spielzeit zu gehen.

Brückner: Das ist halt immer schwierig. Es gibt nur eine bestimmte Anzahl von Stücken. Und wenn ein Regisseur kommt, sagt der halt, mit wem er arbeiten muss. Und wenn dann einer ein paar mal übergangen wird, ist das nicht schön. Ich habe mich ja am Anfang auch nicht leicht getan.

Bei den "Räubern", mit denen ich sehr zu kämpfen hatte, bin ich in der Kritik überhaupt nicht erwähnt worden. Du musst halt einfach anfangen. Und dann weitergehen. Die ersten zwei "Tatorte" etwa waren nicht die stärksten, die jemals gemacht wurden. Aber das entwickelt sich alles.

SZ: Apropos Entwicklung: Glauben Sie, Sie werden einmal in einer Volkstheater-Produktion ohne die Riederinger spielen?

Brückner: Sagen wir es mal so: Ich versuche momentan, alles daran zu setzen, dass ich mit ihnen spielen kann. Das wird sich nicht mehr lange halten. Die kriegen jetzt alle Familie. Und die Musik ist das Hauptding für sie. Die wurden ja nur für den Christian zu Unterhaltungsmusikern. Die nehmen die Musik ernst.

Das ist ja momentan ein Traum. Ich bin der einzige Schauspieler in ganz Deutschland, der mit seinen besten Spezln auf der Bühne steht und spielen darf. Ob das das große Hehre ist, ist mir scheißegal, solange es gefällt. Das darf es auch geben. Überkunst wird genug gemacht.

SZ: Dürfen Sie bei den Riederingern noch mitspielen?

Brückner: Seit einem Jahr habe ich wieder Tuba-Unterricht, und in Riedering habe ich auch eine Musik, bei der ich einmal in der Woche mitspiele. Wenn du das einmal gemacht hast, dann hörst du das nicht auf. Als kleiner Bua bin ich rumgekommen, das war großartig. Mit 14, 15 bin ich um drei in der Früh' heimgekommen, und die Eltern haben nichts gesagt, weil wir ja Musik gemacht haben.

Die Riederinger haben auch überhaupt keine Berührungsängste. Die sind auf der Bühne oft professioneller als ich. Die arbeiten den ganzen Tag, kommen abends auf die Bühne - und funktionieren. Mit denen müssen Sie ein Interview machen. Die sind viel spannender als ich.

SZ: Wird's denn nun eine lustige Aufführung?

Brückner: Ich finde ja das Stück schon lustig. Wie Karl Valentin in der Wüste. Der Typ ist ja unfassbar. Wird reich, wird ausgeraubt, dann steht er da und sagt: Lieber Gott, jetzt tu mal was. Ich hab' die Negerplantage verkauft, ich hab' Missionare nach Asien geschickt. Eine Hand wäscht die andere. Und in dem Moment fliegt das Boot in die Luft, auf dem er grad ist.

Das nimmt man dann einfach so hin. Vielleicht war's der liebe Gott. Oder einer hat eine Zigarette fallen lassen. Und dann steht er allein in der Unterhose in der Wüste und meint, dass alles in Ordnung und er Herr der Lage sei.

Man muss sich das so vorstellen: Der Ibsen hockte in Südtirol, schleppte alle Weiber, die nicht bei drei auf dem Baum waren mit nach Hause und ließ sich beim Rotwein über Norwegen, die Welt und deren gegenwärtige Lage aus. Und dabei hat er das Stück in einem Rutsch runtergeschrieben.

© SZ vom 25.03.2008/ngh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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