Personalmangel bei der Münchner Polizei:"Manche Kollegen sagen, es geht nicht mehr"

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Die hohe Zahl an Überstunden, heißt es im Innenministerium, liege vor allem an den außerordentlich vielen Großveranstaltungen 2013 - etwa dem NSU-Prozess. (Foto: dpa)

350 000 Überstunden allein im Jahr 2013, viele Großveranstaltungen und immer neue Aufgaben: Münchens Polizei leidet unter chronischem Personalmangel. Jetzt schlagen die Gewerkschaften Alarm.

Von Florian Fuchs

München gilt als sicherste Großstadt Deutschlands. Das Polizeipräsidium aber leidet bei der Bekämpfung des Verbrechens unter chronischem Personalmangel. Büßen müssen das die Polizisten: Im vergangenen Jahr leisteten sie knapp 350 000 Überstunden und damit 100 000 mehr als noch 2011. Das geht aus Zahlen hervor, die sich die Landtags-SPD zum Personalstand hat vorlegen lassen. Die Polizeigewerkschaften schlagen Alarm: "Manche Kollegen sagen, es geht nicht mehr", sagt Jürgen Ascherl, Münchner Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).

Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn sieht eine gefährliche Entwicklung: "Während die Bevölkerungszahl Münchens seit 2010 um sechs Prozent angestiegen ist, nahm die Zahl der Polizisten nur um 1,5 Prozent zu." Dass München die sicherste Großstadt sei, liege nur am großen Einsatz der einzelnen Beamten, kritisiert von Brunn. Der Personalstand stehe auch in keinem Verhältnis zu Sonderaufgaben wie Oktoberfest oder Sicherheitskonferenz, sagt Polizeigewerkschafter Ascherl.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht das anders. Er spricht von einer "billigen Stimmungsmache" und verteidigt seine Einstellungspolitik. Reine Verwaltungsbeamte nicht einberechnet, arbeiten derzeit knapp 5800 Polizisten im Präsidium. "Das ist der höchste Personalstand aller Zeiten", sagt Herrmann. Von knapp 2000 neuen Stellen, die in Bayern geschaffen werden, bekomme die Münchner Polizei 250 Posten zugeteilt. Die hohe Zahl an Überstunden, heißt es im Innenministerium, liege vor allem an den außerordentlich vielen Großveranstaltungen im vergangenen Jahr, etwa dem NSU-Prozess und dem Hungerstreik der Asylbewerber.

"Wir haben immer außerordentlich viele Großveranstaltungen in München", widerspricht Ascherl. Auch Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä schätzt, dass sich diese Situation in nächster Zeit nicht ändern werde. Gerade musste das Präsidium zahlreiche Polizisten aus verschiedenen Dienststellen in einem Planungsstab zusammenziehen, um ein Sicherheitskonzept für den G-8-Gipfel in Elmau im nächsten Jahr vorzubereiten. Das Präsidium rechnet damit, dass dazu auch einige Gegenproteste in München angemeldet werden, weil sie in der Großstadt mehr Aufmerksamkeit bekommen. Die Beamten, die nun mehrere Monate damit beschäftigt sein werden, fehlen in ihren Abteilungen.

"Es ist für uns undurchschaubar"

Faktoren wie die Belastung durch Sondereinsätze oder das Bevölkerungswachstum werden bei der Verteilung von Stellen nicht ausreichend berücksichtigt, kritisieren die beiden Gewerkschaften DPolG und Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die letzte Sollstärkenberechnung, also die Kalkulation, wie viele Polizisten das Präsidium benötigt, liege Jahrzehnte zurück. Inzwischen seien ganz neue Dezernate entstanden wie die Abteilung zur Bekämpfung von Cybercrime. "Das ist nicht mehr up to date, man muss die Sollstärkenberechnung an die heutigen Gegebenheiten anpassen", fordert Ascherl.

Das Innenministerium entgegnet, dass durchaus Faktoren wie "Einwohner", "Fläche" und "Arbeitsbelastung" in die Berechnung der Stellen einflössen, sodass "die Bedürfnisse des Polizeipräsidiums gebührend berücksichtigt" würden. Wie neue Beamte auf Präsidien verteilt werden, das schlüsselt das Ministerium aber nicht genauer auf. "Es ist für uns undurchschaubar, welche Faktoren in welcher Weise in die Kalkulation einfließen", klagt Ascherl.

Einfach neue Stellen fordern wollen aber weder SPD-Mann von Brunn, noch Polizeipräsident Andrä oder die Gewerkschaften. "Wenn aber nicht genug Geld für neues Personal da ist, muss man halt zusehen, dass man an anderen Stellschrauben etwas dreht", sagt der Münchner Vorsitzende der GdP, Michael Bogatzki. Polizeipräsident Andrä berichtet, dass sein Präsidium wegen der steigenden Zahl an Überstunden in Kontakt mit dem Innenministerium stehe. Ein Ergebnis sei, dass bei Einsätzen wegen Fußballspielen künftig stärker Beamte der Bayerischen Einsatzpolizei eingesetzt werden. So sollen die Münchner Kräfte entlastet werden.

Die GdP hat noch weitergehende Forderungen nach Strukturreformen. So will sie die Polizei stärker von polizeifremden Aufgaben entbinden. Bogatzki nennt als Beispiel den Objektschutz, etwa von diplomatischen Vertretungen. "Die Polizisten, die für so etwas im Einsatz sind, fehlen auf der Straße." Berlin habe eine externe Objektschutztruppe aufgestellt, die aus einem eigenen Topf bezahlt wird. Über so etwas, sagt Bogatzki, solle auch das Innenministerium einmal nachdenken.

© SZ vom 07.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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