Papst-Protest:Ein falscher Nuntius in der Fußgängerzone

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Der Aktionskünstler Wolfram P. Kastner provoziert die Polizei - und die tut sich schwer mit ihm.

Christian Rost

Die Aktion sollte eigentlich geheim bleiben, doch dann plauderte es am Dienstag versehentlich der Moderator eines Privatradios aus: Der Künstler Wolfram P. Kastner und der Lektor Georg Ledig zögen am nächsten Tag als Papst und Hitler verkleidet durch die Stadt. Spätestens jetzt wusste die Staatsschutzabteilung der Polizei von dem Vorhaben. Und die Beamten vom Kommissariat 142 sind vor allem dafür bekannt, dass sie keinen Spaß verstehen. Wie sich zeigte, trifft dass in Sachen Papst besonders zu.

Kirchlich verkleidet spazierte Wolfram P. Kastner und Georg Ledig durch München. (Foto: Foto: SZ/Rumpf)

Man kennt Wolfram P. Kastner als Spaßvogel und Provokateur. Einmal machte er von sich reden, als er angeblich die verschwundene Festplatte von Max Strauß im "Valentin-Musäum" präsentierte. Wesentlich ernsthafter engagiert ist er gegen Faschismus und Vergessen: Zum Jahrestag der Bücherverbrennung setzte sich Kastner im Mai dafür ein, die Überreste der Werke im geplanten NS-Dokumentationszentrum am Königsplatz unterzubringen.

Das Kapitel Nazis und katholische Kirche arbeitete er nun anlässlich des Papstbesuches auf. Mit Verweis auf das "Reichskonkordat von 1933", einem Abkommen der Nationalsozialisten mit der katholischen Kirche, leitet Kastner eine noch heute bestehende verfassungswidrige Verflechtung des Staats mit der Kirche ab.

Wie nahe sich der NS-Staat und die Kirche waren, wollten deshalb Kastner in der Rolle des Papstes und Ledig als Hitler mit einem gemeinsamen Spaziergang demonstrieren. Der Umzug sollte vom Marienplatz zur Feldherrnhalle, vorbei an den einstigen Residenzen von Gestapo, NSDAP und Kirche zum Königsplatz gehen. Sechs Mitglieder des Bundes für Geistesfreiheit, die sich über jeden Protest gegen die Kirche freuen, standen Spalier.

Als die Künstler am Mittwochvormittag vorm Alten Rathaus starten wollten, war allerdings längst die Polizei da. Eine Streifenbesatzung beschäftigte sich gerade damit, einen jungen Mann ins Auto zu verfrachten, der versucht hatte, ein von Kastner verfasstes Infoblatt zu verteilen.

Staatsschutzbeamte in Zivil nahmen sich dann Kastner selbst vor. Zwar ist der gegen jedwede Bevormundung resistent, angesichts der bulligen Beamten, die ihn einkreisten, versuchte sich der Künstler lieber aufs Rausreden. Erstens veranstalte er lediglich eine Kunstaktion, zweitens verteile er keine Flugblätter und drittens stelle er gar keinen Papst dar, sondern einen päpstlichen Nuntius. Somit könne er den Papst gar nicht beleidigen, gab der jetzt fast fröhliche Kastner in seinem weißen Kirchenkostüm zu Protokoll.

Der verkleidete Hitler sagte gar nichts. Damit hatten die Polizisten nun nicht gerechnet, und auch auf mehrmalige Nachfrage hin verwies Kastner immer wieder auf "den Nuntius".

Die Polizei musste das Duo erstmal ziehen lassen. Auf dem Weg durch die Dienerstraße verrenkten sich Passanten die Hälse. Helga Buchmann fand den Auftritt zunächst "makaber", meinte aber dann, "die Verlogenheit der Kirche ist schlimmer". Andere Fußgänger freuten sich über "die Dreharbeiten für 'nen Film", und ein älterer Herr neidete dem falschen Kirchenmann den Auftritt gar: "Morgn ziag i mir a a weißes Hemd o". Zivilbeamte nahmen jede Äußerung auf, um Beweise für ein beleidigendes Verhalten Kastners zusammen zu bekommen.

Der rettende Einfall aus polizeilicher Sicht kam dann Kommissariatsleiter Werner Maier. Am Marienhof leitete er Kastner und Ledig plötzlich in Richtung Polizeipräsidium um. Eine richtige Festnahme traute sich Maier zwar nicht, doch handle es sich hier um eine nicht angemeldete Versammlung. Der Einwand des Duos, man sei doch nur zu zweit, und an einer Versammlung müssten mindestens drei Leute teilnehmen, ließ Maier nicht gelten. Im Präsidium war der Spaß endgültig vorbei: Kastner und Ledig mussten die Kostüme abgeben. "Gefahrenabwehr", hieß es bei der Polizei.

© SZ vom 7.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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