Otti Fischer und sein neues Programm:Es heimatet

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Wer Ottfried Fischer beim Proben seines neuen Kabarett-Programms zusieht, kommt aus dem Augenreiben nicht mehr raus. Der singt wie die Valente, berlinert wie die Knef und hat 14 Kilo abgenommen.

Thomas Becker

Shakespeares "Sturm" in der Disco: So fing alles an, in den frühen Achtzigern, in Tommy Hörbigers "Zip" am Oskar-von-Miller-Ring. Der Udo-Jürgens-Texter und Schauspieler stellte seinen Laden einer jungen Theatertruppe zur Verfügung.

"Wo meine Sonne scheint" heißt das neue Solo-Programm von Otti Fischer. (Foto: Foto: AP)

Barbara Rudnik und Christian Tramitz waren dabei, und auch Gabi Rothmüller und ein gewisser Ottfried Fischer. "Caliban und Antonio hat er gespielt", erinnert sich Rothmüller, "Edelmann und Monster, eine schöne Doppelrolle." Ein Vierteljahrhundert später arbeitet die kleine, agile Frau, die damals im "Sturm" den Luftgeist Ariel gab, wieder mit dem großen, schweren Mann aus Niederbayern zusammen. Wie bei seinen ersten Soloprogrammen 1989 und 1994 führt sie wieder Regie.

Doch diesmal ist die Arbeit, deren Ergebnis bei der Premiere heute in der Lach- und Schießgesellschaft zu sehen ist, anders: Der Akteur auf der Bühne ist an Parkinson erkrankt. Die klassischen Symptome sind Bewegungsverarmung, Verlust der Spontanmotorik wie Gestik und Mimik sowie Kleinschrittigkeit - wie soll da ein abendfüllendes Solo-Programm funktionieren?

Als Fischer im Februar erstmals öffentlich von seiner Erkrankung sprach, war der Zuspruch der Kollegen groß. "Bavarian Kabarett is nix without you", schrieb Holger Paetz. Von Dieter Hildebrandt kam der Satz: "Wenn du auf der Bühne bist, wird deine Krankheit nicht zu sehen sein, weil du dann kämpfst, und wenn du kämpfst, spielst du. Und wenn du spielst, wirst du es spielend überleben." Peter Hofmann, seit fast zehn Jahren an Parkinson erkrankt, schrieb dagegen: "Genieße jeden Sonnenstrahl, bevor die Angst dein Herz verdunkelt."

Wer Ottfried Fischer nun beim Proben zusieht, kommt aus dem Augenreiben nicht mehr raus, lernt einen komplett neuen Fischer kennen. Der singt wie die Valente, berlinert wie die Knef ("Ick bin een Rosinenbomber") und kennt den Text besser als die Regie-Assistentin mit dem Buch auf den Knien.

"14 Kilo hab ich abgenommen, dem Alkohol sehr diszipliniert entsagt", erzählt Fischer. Sechs Wochen lang haben sie geprobt, meist drei Stunden am Stück. Auch die öffentlichen Proben auf überhitzten kleinen Bühnen in Ebersberg und Ingolstadt habe er gut überstanden, allen Unkenrufen zum Trotz. "Man hat ein Handicap. Ich bin halt nicht mehr dieser agile Brocken wie früher", sagt er. Und grinst sein Schelmengrinsen.

Ottfried Fischer fängt wieder von vorn an. Mit 54 Jahren. Im Herbst dreht er zwei "Pfarrer Braun"-Serien, der "Bulle von Tölz" liegt nach Ruth Drexels Erkrankung auf Eis, "weitere Filmpläne habe ich nicht", sagt er. In den elf Jahren zuvor spielte er in mehr als hundert Filmen. Das ist vorbei, Fischer lebt nun nicht mehr nach Drehterminen. Das scheint ihm gut zu tun, er wirkt befreit. Einerseits.

Andererseits ist Fischer ein Mensch, der sich vielen verpflichtet fühlt. Da ist zum Beispiel die Geschichte von der Verleihung des Bayerischen Kabarettpreises. Zum zehnten Mal jährte sich neulich die Veranstaltung, man zog vom Lustspielhaus in die größere Reithalle. Fernsehaufzeichnung, die Scheinwerfer haben den Saal auf Tropentemperatur erhitzt und die 400 Zuschauer längst jeden Krümel Sauerstoff verbraucht.

Zahlreiche Ehrengäste schwitzten in den ersten Reihen, auch der als Laudator eingeplante Ottfried Fischer sollte dort sitzen, für die Kameras. Kabarettkollege Georg Schramm erzählt, wie er Fischer nur mit Mühe davon abhalten konnte, in dieser luftlosen TV-Sauna zu darben.

Eine Affäre im Sommer vor zwei Jahren hatte Fischers Privatleben durcheinandergewirbelt - und ihm gezeigt, wen er wirklich einen Freund nennen kann. In dieser Zeit kam die Idee zum neuen Solo-Programm auf. Nach all den Jahren als TV- und Werbe-Ikone, in denen er sich vom Kabarett immer weiter zu entfernen schien und auch so mancher Kollege auf Distanz zu ihm ging, nahm seine Karriere eine neue Wendung.

Fischer war kurz vor Weihnachten vor Politikern und Wirtschaftsbossen zu einem Vortrag zum Thema Patriotismus eingeladen worden. Fischer nannte seine Rede "Es heimatet sehr". Sie geriet zu einer Art Grundsteinlegung für einen neuen Otti Fischer: für den Typus des philosophischen Kabarettisten.

Fischer beschäftigte sich für den Vortrag mit der Rolle des Staates, entdeckte das Thema Heimat als sinnstiftendes Element. Wie sein "Sir Quickly" in Franz Xaver Bogners Fernsehserie "Irgendwie und sowieso" ist Fischer auf einem Einödhof bei Passau aufgewachsen, für ihn war Heimat früher "der Moik", Inbegriff von Borniertheit und Engstirnigkeit.

Heute steht Fischer "für das Wertkonservative im Sinne des Bewahrens", wie er es ausdrückt. "Wo meine Sonne scheint" heißt das neue Programm, in dem die Uno das "Jahr der Heimat" ausruft und der Erzähler Kommissionsmitglied ist. Es geht um ideelle und kommerzielle Heimat, den "Wasserkopf Europa", volkstümliche Musik und griechische Philosophen. Anspruchsvoller Text, kein Geplaudere. Fischer sagt: "Ein klassischer Rundumschlag".

Die letzten Proben in der leeren Lach- und Schießgesellschaft. Ganz am Anfang war Josef Hader mal da, auch Sunnyi Melles schaute vorbei. Jetzt geht es nur noch um Kleinigkeiten. "Haltungsänderung!", mahnt Gabi Rothmüller. Fischer weiß, dass er auch spielen muss, nicht nur reden. Man sieht förmlich, dass er im Kopf schon weiter ist, als er artikulieren kann. Rothmüller ist streng. Fischer braucht das. "Ich schätze ihren sezierenden Blick auf das Werk und ihre dramaturgische Gewandheit", sagt er und setzt wieder sein Schelmengrinsen auf: "Sie ist nicht nur eine Domina für mich, sondern eigentlich eine Freundin."

Neunmal wird er in der Lach- und Schießgesellschaft spielen, danach "auch kleineren Bühnen die Ehre erweisen", aber sicher "keine Verrückten-Tour machen". Eins hat Ottfried Fischer mit diesem Comeback schon verdient: Respekt.

© SZ vom 10.06.2008/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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