Orkanschäden im Wald:Alles muss raus

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Mit schwerem Gerät räumen die Münchner Förster im Wald auf: Der Harvester kann bis zu 300 Bäume pro Tag zerkleinern. (Foto: Johannes Simon)
  • Vor allem in den Wäldern im Süden und Osten Münchens hat Sturm "Niklas" großen Schaden angerichtet.
  • Nun muss das Holz schnell verarbeitet werden, denn es droht der Befall durch Borkenkäfer.
  • Das Holz darf dann aber nicht zu schnell auf den Markt, da sonst der Preis einzubrechen droht.

Von Thomas Anlauf

Es ist ein ungleicher Kampf, der im Wald tobt. Ein rotes, röhrendes Monster arbeitet gegen die Zeit. Der Mann an den Schalthebeln des Ungetüms reckt den Greifarm des 18 Tonnen schweren Harvesters wie eine Faust in den blauen Himmel, dann taucht der Arm hinunter in das grüne Chaos am Waldboden. Mit Leichtigkeit greift er die 16 Meter lange Fichte, die gerade krachend zu Boden gegangen ist. Der tonnenschwere Stamm wirbelt durch die Luft, Äste fliegen und Sägespäne. Es dauert nur wenige Minuten, dann ist die gefällte Fichte in vier Meter lange Teile zersägt. Schon ruft ein Waldarbeiter in der Nähe: "Achtung, Baum fällt!" Die nächste Fichte rauscht dem Holzfresser vor die wuchtigen Räder.

Jan Linder steht am Rand des Wäldchens bei Höllriegelskreuth und blinzelt in die Sonne. Der Betriebsleiter der Münchner Forstverwaltung weiß, dass die schweren Maschinen von vielen Menschen als "Monster" angesehen werden. Aber "um einen Harvester kommt man überhaupt nicht mehr herum, schon gar nicht in einem Sturmwurf". Der Holzvollernter sei wesentlich schneller als Waldarbeiter mit Äxten und Motorsägen. Und die Zeit drängt. Auch drei Wochen nach dem Orkan Niklas, der vor allem im Münchner Süden und im Ebersberger Forst gewütet hat, liegen in den städtischen Wäldern noch Tausende entwurzelte oder geknickte Bäume herum. Und in diesen Tagen beginnen die Borkenkäfer auszuschwärmen, sie werden sich durch die Wälder fressen und Schäden in Millionenhöhe anrichten.

Zügig arbeiten, aber auch nicht zu schnell das Holz auf den Markt werfen

"Es könnte schlimm werden", sagt Revierförster Thomas Mayr. Wenn das Wetter weiterhin warm und trocken bleibt, wächst bald die zweite Population Borkenkäfer heran, womöglich sogar eine dritte. "Wenn wir es bis Ende Juli oder Anfang August schaffen, alle Hölzer rauszuholen, können wie die Sache einigermaßen in den Griff bekommen", sagt Linder. Dabei ist es ein Spagat, den der Betriebsleiter und die sechs Revierförster mit ihren zehn Mitarbeitern nun hinbekommen müssen: Zügig zu arbeiten, aber auch nicht zu schnell das Holz auf den Markt zu werfen. Sonst droht der Holzpreis massiv einzubrechen. Etwa 50 000 Bäume müssen nach dem Sturm aus den 5000 Hektar großen städtischen Wäldern geholt werden. "Das sind Werte", sagt Linder. Normalerweise müsste das geschlagene Holz etwa fünf Millionen Euro bringen. Sollte der Preis stark fallen, könnten der Stadt Einnahmen in Millionenhöhe entgehen.

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Der Wald ist ein Politikum. An diesem Donnerstag wird sich der Stadtrat mit den Sturmschäden befassen. Kommunalreferent Axel Markwardt will die Stadträte beruhigen. "Auch wenn die Situation vor Ort zum Teil dramatisch wirkt: Durch die optimale Vorsorge der Städtischen Forstverwaltung konnten die Schäden so gut wie möglich minimiert werden", sagt er. Ein Kahlschlag sei in den städtischen Wäldern nicht zu befürchten.

"Bei einer reinen Monokultur wäre hier alles weg gewesen"

Das liegt auch daran, dass die städtischen Forste seit Jahrzehnten langsam in Mischwälder verwandelt werden. Direkt neben dem Harvester, der an diesem Tag an die 70 gefällte Bäume zerkleinern wird, wächst ein Wäldchen mit Buchen heran. "Bei einer reinen Monokultur wäre hier alles weg gewesen", sagt Forstbetriebsleiter Linder. "So aber ist der Schaden längst nicht so groß." Selbst wenn die Wucht des Sturms sämtliche Fichten umgemäht hätte, gäbe es bereits einen gesunden Unterbau, der Wald müsste nicht komplett wieder aufgeforstet werden. Seit den Stürmen Vivian und Wiebke vor 25 Jahren betreibt die Forstverwaltung verstärkt einen Umbau der Forste hin zu Mischwäldern, "und seit der Klimawandel nicht mehr negiert wird, noch einmal stärker", sagt Linder.

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Die Wälder im Münchner Südosten sind besonders schwer verwüstet worden. Erst im Oktober werden voraussichtlich alle Schäden beseitigt sein. Spaziergänger müssen immer noch vorsichtig sein.

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Im Englischen Garten und im Nymphenburger Schlosspark halten sich deshalb wohl die Schäden relativ in Grenzen. Im Englischen Garten wurden durch den Sturm 220 Bäume entwurzelt, abgeknickt oder in andere Bäume gedrückt, im Nymphenburger Park waren es etwas mehr als 100 große Bäume. "Mit einem verstärkten Befall durch Borkenkäfer rechnen wir nicht", sagt Cordula Mauß von der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung, die für die beiden größten Münchner Parks zuständig ist. "Wir haben dort stabile Mischwälder", sagt Mauß. Auch die Insellage der Parkanlagen weitab von Wäldern mit Borkenkäferbefall schützt wohl die Bäume weitgehend vor den Insekten.

Einschlagstopps in manchen Wäldern

Der eigentliche Kampf gegen den Borkenkäfer steht den Mitarbeitern der städtischen Forstverwaltung noch bevor. Insektizide werden in der Forstwirtschaft äußerst selten eingesetzt, in München gar nicht, denn die Stadtwälder sind nach den Naturland-Richtlinien zertifiziert. Die Sägewerke im weiten Umkreis sind voll, dort werden noch die Bäume verarbeitet, die im Winter geschlagen worden sind. Österreich und einige Bundesländer haben wegen der großen Sturmschäden in einigen Teilen Deutschlands Einschlagstopps in den Wäldern verfügt, damit nicht zu viel Holz auf einmal auf den Markt kommt. Die Münchner Förster werden in den kommenden Wochen versuchen, einen Teil der gefällten Bäume in Zwischenlagern zurückzuhalten. "Die Logistik ist eine Herausforderung", sagt Revierförster Mayr. Betriebsleiter Linder nennt die Taktik, nicht gleich alle betroffenen Bäume so schnell wie möglich aus den Wäldern zu holen, sogar "gezieltes Trödeln: Wir dürfen das Holz nicht zu schnell abarbeiten". Linder rechnet damit, dass sich die Aufräumarbeiten noch bis in den Oktober hinziehen werden.

Der tonnenschwere Harvester in dem Wäldchen bei Höllriegelskreuth wird an diesem Donnerstag weiterrollen zum nächsten Einsatzgebiet. Als er noch röhrend mit seinem Greifarm fuchtelt und Baumstämme zerteilt, tauchen drei Männer in orangefarbenen Arbeitsanzügen auf. Ihre Schädel sind tief gebräunt von der Arbeit im Freien. Es sind Gemeindearbeiter aus Pullach, die ein wenig ehrfurchtsvoll vor der Absperrung hinter dem Harvester stehenbleiben. "Betreten verboten, Lebensgefahr" steht auf zwei Warnschildern. "Wir haben alles händisch gemacht", sagt einer der drei Waldarbeiter und zeigt auf das rote Monster. "Wir wollten uns nur mal anschauen, wie's leichter geht."

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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