Okoberfestumzug:Edelweiß und Adler

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Der Gebirgstrachten-Erhaltungsverein grüßt: Der Trachten- und Schützenzug zum Münchner Oktoberfest ist berühmt und hat eine lange Geschichte - und trotzdem gibt es Münchner, die ihn noch nie gesehen haben.

Claudia Wessel

Ein gemütliches Ehebett fährt vorbei, mit zwei dicken Kissen und zwei aufgeplusterten Bettdecken, auf der Seite aufgestickt steht "Gute Nacht".

Der Trachtenumzug zum Münchner Oktoberfest ist einer der größten weltweit. (Foto: Foto: dpa)

Wie einst die Bauersleute sich betteten, zeigt die Trachtengruppe "Neu Edelweiß" aus Markt Schwaben. Ein Baby verbringt den gewiss ersten Trachtenzug seines Lebens weich gebettet in einem kleinen Holzwägelchen der "Knabenkapelle Dachau e. V." - und schläft trotz der lauten Marschmusik tief und fest.

Ein riesiger ausgestopfter Hirsch, der aussieht, als habe er sich gemütlich auf einem Leiterwagen niedergelassen, sein Geweih friedlich auf die Vorderläufe gelegt, ist eines der Prunkstücke des Landesjagdverbandes Bayern.

Bei wunderschönem Wetter bestaunen die Zuschauer am Sonntag den Trachten- und Schützenzug. Mehr als 8000 Teilnehmer aus aller Welt marschieren und fahren an den rund 200.000 Zuschauern an der sieben Kilometer langen Strecke vorbei zur Wiesn.

Auch die Kapellen der Bierzelte müssen an diesem Tag erst den langen Marsch auf sich nehmen, bevor sie dann noch den ganzen Tag für die Wiesngäste aufspielen dürfen. Doch ganz ohne Bier muss das natürlich keiner durchhalten.

Bier für die Trachtler

Vor dem Hotel Bayerischer Hof zum Beispiel gibt es eine Zapfanlage, und fürsorgliche Mitarbeiter tragen so manche Maß zu den Trachtlern, die diese gerne von einem zum anderen weitergeben.

Der Trachten- und Schützenzug fand erstmals im Jahr 1835 zu Ehren der Silberhochzeit von König Ludwig I. und Therese von Bayern statt. Seit 1950 gehört er jedes Jahr zur Wiesn.

Viele deutsche Bundesländer sind mit Trachten- und Musikgruppen vertreten ebenso wie Gäste aus Österreich, Italien, der Schweiz, Rumänien, Kroatien, Südtirol und den USA. In bunter Folge wechseln sich festlich gekleidete Trachtler mit Sport- und Gebirgsschützen, Musikkapellen, historischen Trachtengruppen, Spielmanns- und Fanfarenzügen und Fahnenschwingern ab.

Die Prachtgespanne der Münchner Brauereien, geschmückte Festwägen mit Handwerks- und Brauchtumsdarstellungen und die Reiterstaffel der Polizei sind ebenfalls traditionell dabei.

Angeführt wird der Zug vom Münchner Kindl hoch zu Roß, heuer von Wiesn-Wirte-Tochter Stefanie Krätz. Auch Oberbürgermeister Christian Ude, wie immer in seiner knallroten Weste, und Ministerpräsident Edmund Stoiber, dürfen sich in ihren Kutschen dem Volk präsentieren.

Auch hier feiert Stoiber einen Abschied. Es ist seine letzte Teilnahme am Trachtenzug als Ministerpräsident.

Konkurrenz um die besten Fensterplätze

Alle Häuser, die an der Strecke des Trachtenzuges liegen, bieten beste Blicke. In der Galerie im ersten Stock des Hotels Bayerischer Hof haben sich daher rund 500 Gäste versammelt, um gestärkt von einem bayerischen Brunch den Marsch der Trachtler zu beobachten.

Claudia Klima und ihre Mutter Marielle konnten einen Fensterplatz ergattern. "Die Atmosphäre beim Trachtenzug ist typisch bayerisch, und diese Tradition wollen wir aufrecht erhalten", sagt sie. Auch ihre Tochter findet es "toll, wenn so viele Menschen in Tracht zu sehen sind."

Florian ist mit seinen 19 Monaten einer der jüngsten Zuschauer an diesem Vormittag. Begeistert schaut er auf die bunten Menschen und die beeindruckenden Pferdegespanne.

Es ist der erste Trachtenzug seines Lebens. Nikolai, vierJahre, ist dagegen schon zum zweiten Mal dabei. Ihn faszinieren vor allem die vielen Gewehre. "Ich hab auch eins", sagt er. "Und ein Schwert und ein Schutzschild." Für seine Mama Johanna Stojkovic gehört der Trachtenzug einfach zur Wiesn.

"Wir haben ihn als Kinder immer angeschaut. Das sind wunderschöne Erinnerungen", sagt sie. Seit 1973 ist sie jedes Jahr dabei. Deshalb möchte sie dieses Erlebnis auch ihrem Sohn bieten.

Es gibt Münchner, die ihn noch nie gesehen haben

Dass man als Münchnerin jedoch auch ganz ohne Trachtenzug aufwachsen kann, beweist Ursula Reinel: "Ich gehe seit 20 Jahren jedes Jahr auf die Wiesn. Den Trachtenzug sehe ich aber heute zum ersten Mal."

Sehenswert findet sie ihn aber auf jeden Fall: Ob die voll beladenen Pferde des Gebirgstrachten-Erhaltungsvereins Hochries-Samerberg, die leuchtend lilafarbenen Hauben der Frauen des Hummeltrachtenvereins Mistelgau aus Oberfranken, die roten, weißen oder weiß-grünen Federn der Münchner Stadtwache "Würmesia" oder die goldenen Hauben der Alt-Passauer-Goldhaubengruppe.

Eine Attraktion ist auf jeden Fall der Landesjagdverband. Nicht nur den Hirsch, auch viele andere ausgestopfte Tiere, die auf einem Wagen einer blonden Prinzessin im Hochsitz zu Füßen liegen, präsentieren die Jäger den Zuschauern.

"Da, schau mal, ein lebendiger Adler!" ruft jetzt Johanna Stojkovic ihrem Sohn Nikolai zu. Tatsächlich sitzen auf den Händen einiger Jäger große Adler, die ohne Zweifel nicht ausgestopft sind.

Das zeigt sich spätestens, als einer von ihnen seine großen Schwingen ausbreitet. Das findet Nikolai toll. Fast noch besser als Gewehre.

(SZ vom 24.09.2007)

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