NullAchtNeun:Die Arroganz des Südens

Lesezeit: 2 min

Ein Bremer in München. Eine Herausforderung, der man sich täglich neu stellen muss. Gerade jetzt, pisatechnisch.

Von Holger Gertz

Um auch mal persönlich zu werden in dieser Kolumne: Der Verfasser stammt aus Bremen. Ein Bremer in München. Klingt wie der Titel einer Vorabendserie, ist aber in Wirklichkeit eine Herausforderung, der man sich täglich neu stellen muss.

Party über München: Natürlich brummt der Kopf, später, vom bayerischen Bier. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Im Moment ist es mal wieder schwieriger. Wo München und Bayern ist, ist oben. Wo Bremen ist, ist unten. In der neuen Pisa-Studie steht, dass Bayerns Schüler es in Naturwissenschaften und beim Problemlösen mit der Weltspitze aufnehmen können. Die Bremer können das nicht, sie sind nicht besonders im Problemlösen, sie sind pisatechnisch hinten. Während die Bayern, ließe man sie nur machen, auch das Problem mit der Schiefe des Turms von Pisa in den Griff kriegen und ihn entschlossen begradigen würden, wüssten die Bremer vermutlich nicht mal, wo dieses Pisa jetzt gerade liegt.

Also, als Bremer in München kriegt man den Hochmut der Münchner gelegentlich zu spüren, wenn man zum Beispiel ein T-Shirt trägt, auf dem BREMEN steht. Neulich im Biergarten wollte jemand wissen, ob man das Shirt aus der Altkleidersammlung habe. Solche Sachen.

An der Uni früher wurde man gefragt, wie man es mit einem Bremer Abitur hierher geschafft habe und ob es tatsächlich in Bremen so wild zugehe: Alles Kommunisten mit langen Haaren, die Steine auf Polizeiautos schmeißen.

Gerade hat in München der Kultusminister Siegfried Schneider gesagt, es habe sich hier als richtig erwiesen, gegen den Zeitgeist der Alt-68er an Werten wie Disziplin und Leistungsbereitschaft festzuhalten. Es klingt wie damals an der Uni - als lebten überall, außer in Bayern, lauter Ungewaschene munter in den Tag hinein. Als sei es ein Wettbewerbsvorteil, die Berge der Alpen hochklettern zu dürfen statt vom flachen Land aus aufs Wasser zu blicken.

Immer gewinnen die Münchner und die Bayern alles, aber immer alles zu gewinnen ist irgendwie auch nicht normal. Irgendwann verstoibert man, oder man hat soviel Geld, dass man - um es auszugeben - in Reiterstiefeln zum Feinkost Käfer geht und damit relativ lächerlich aussieht. Irgendwann kriegt man Kopfweh, vor lauter Ehrgeiz oder vom bayerischen Bier, wohingegen Bremer Beck's kein Kopfweh macht, sondern den Blick schärft, für die Schönheit der norddeutschen Tiefebene und den Reiz daran, manchmal zu verlieren. Umso größer die Genugtuung, wenn man mal was gewinnt. Das Glück des Augenblicks, das ist richtiges Glück.

Stichwort Fußball. Werder, Double 2004. Noch immer klebt an jedem zweiten Bremer Auto ein Sticker mit der Meisterschale, während die Münchner so viele Titel haben, dass sie keinen mehr genießen können. Aber damit weitere dazukommen, haben sie gerade einen Verteidiger mit dem malerischen Namen Valérien Ismael gekauft, der Fußball richtig erst gelernt hat - in Bremen. Dann kamen die Bayern und entführten ihn in die Allianz-Arena. In Bremen sagt man übrigens Arroganz-Arena und meint nicht das Stadion allein.

© SZ vom 16. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: